Thomas Rauscher

Klausurenkurs im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht


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Scheidung auf europäisch? – Die (derzeit) nicht scheidbare Ehe im IPR, StAZ 2007, 330.

      4. Scheidungsstatut und Ehetrennung

      Staudinger/Mankowski (2010) Art. 17 EGBGB, Rn 214 ff.

      Rauscher Anpassung des IPR an die Rom III-VO, FPR 2013, 257.

      5. Vorabentscheidungsverfahren

      Rauscher/Staudinger (2016) Einl Brüssel Ia-VO, Rn 43 ff.

      Dettmers Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV, SchlHA 2018, 109.

      Mächtle Das Vorabentscheidungsverfahren, JuS 2015, 314.

      6. Rom III-VO

      Althammer Das europäische Scheidungskollisionsrecht der Rom III-VO unter Berücksichtigung aktueller deutscher Judikatur, NZFam 2015, 9.

      Helms Reform des internationalen Scheidungsrechts durch die Rom III-VO, FamRZ 2011, 1765.

      Winkler von Mohrenfels Die Rom III-VO, ZEuP 2013, 699.

      2. Teil KlausurenII. Familienrecht › Fall 4 Morgen- und andere Gaben

      Fall 4 Morgen- und andere Gaben

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      Die iranischen Staatsangehörigen shi‘itischen Bekenntnisses Ali Akbar Arami und Laila Lubarian haben 1985 nach Verbüßung einiger Haftstrafen wegen offener Meinungsäußerungen über den Wächterrat und Verbot der von ihnen herausgegebenen Zeitung gemeinsam ihr Heimatland verlassen. Im Februar 1986 wurden beide in Deutschland als Asylberechtigte anerkannt. Am 1.3.1986 haben sie vor dem Standesamt München III die Ehe geschlossen. In einem privatschriftlichen Vertrag vom selben Tag verpflichtete sich der aus vermögendem Elternhaus stammende Ali Akbar der Laila eine Morgengabe (Farsi: mehriye; Arab.: mahr) von 100.000 USD zu bezahlen. Aus dem Vertrag ergibt sich, dass die Ehegatten hofften, die Verhältnisse im Iran würden ihnen bald eine Rückkehr ermöglichen und deshalb ihre ehelichen Verhältnisse den islamischen Rechtsvorstellungen entsprechend regeln wollten.

      Ali Akbar führte zunächst sein im Iran abgebrochenes Studium der Informatik an der TU München fort und war vom 1.1.1991 an bei einem Softwareunternehmen in Mannheim als Angestellter rentenversicherungspflichtig beschäftigt.

      Laila erwarb 1993 nach Verzicht auf die iranische Staatsangehörigkeit auf ihren Antrag die deutsche Staatsangehörigkeit.

      Ali Akbar plante schon seit längerem, sich in den USA niederzulassen, wo er sich bessere Berufschancen erwartete. Im Herbst 1994 gewann er in der jährlichen Verlosung der US-Einwanderungsbehörde eine „Green-Card“, die den Inhaber und seinen Ehegatten zum dauernden Aufenthalt und zur Arbeitsaufnahme in den USA berechtigt. Schon im Februar 1995 brachen die Ehegatten in Deutschland ihre Zelte ab und zogen nach Tallahassee (Florida, USA). Ali Akbar erwarb dort auf Kredit ein Einfamilienhaus, der Kredit wurde aus seinem reichlichen Einkommen bedient. Zudem zahlte er Beiträge in einen der Altersvorsorge dienenden pension plan ein. Im Dezember 1995 gab er im deutschen Generalkonsulat in Miami seinen deutschen Reiseausweis unter Verzicht auf seine Rechtsstellung als Asylberechtigter zurück.

      Laila war zunehmend mit dem gemeinsamen Leben unzufrieden. Im Dezember 2010 verließ sie ihren Ehemann und kehrte nach Deutschland zurück, wo sie wieder in München Wohnsitz nahm und eine ihren Lebensunterhalt sichernde Stelle als Redakteurin bei einer Zeitung für in Deutschland lebende Iraner fand.

      Ali Akbar beantragte am 5.1.2015 bei dem Family Court für den County of Tallahassee die Scheidung der Ehe. Der Scheidungsantrag wurde Laila auf Ersuchen des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz persönlich am 16.6.2015 durch die Post zugestellt. Laila, die selbst die Scheidung wollte, sah keinen Grund, sich an dem Verfahren zu beteiligen und teilte dies dem Gericht auch brieflich mit. Am 17.7.2017 wurde die Ehe durch das Gericht in Florida nach dem Recht von Florida geschieden; weitere Entscheidungen enthält das Urteil nicht.

      Nachdem ihr das Urteil zugestellt ist, beginnt Laila über finanzielle Ansprüche nachzudenken, die ihr gegen Ali Akbar aus dem Morgengabeversprechen zustehen könnten. Eine durch ein deutsches Gericht geschiedene Freundin erzählt ihr außerdem von den deutschen Rechtsinstituten des Versorgungsausgleichs, des Zugewinnausgleichs und des Aufstockungsunterhalts, die ihr viel Geld gebracht hätten.

      Laila beauftragt einen Rechtsanwalt, der am 30.1.2019 beim AG München – Familiengericht – folgende Anträge gegen Ali Akbar Arami erhebt:

Zahlung von Zugewinnausgleich nach § 1378 BGB; bei der Berechnung geht er zutreffend davon aus, dass das Haus in Tallahassee das einzige relevante Vermögen eines der Ehegatten darstellt
Verurteilung zu einem – nach § 1573 Abs. 2 BGB berechneten – nachehelichen (Aufstockungs-) Unterhalt von 750 €
Durchführung des Versorgungsausgleichs unter Hinweis auf den pension plan
Zahlung, hilfsweise Herausgabe von 100.000 US-$ aus dem mehriye-Versprechen
1. Welches Recht ist auf die von Laila erwogenen Ansprüche anzuwenden? Ali Akbar Arami wendet insbesondere ein, dass es nicht sein könne, nach einer so lange in Florida gelebten Ehe nun deutsches Recht auf den nachehelichen Unterhalt anzuwenden.
2. Ist das angerufene Gericht zuständig?
3. Wie verfährt das Gericht, soweit es zuständig ist und für einen der geltend gemachten Ansprüche die erfolgte Ehescheidung materielle Anspruchsvoraussetzung ist? Sind die Ehegatten im Ergebnis wirksam geschieden?

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      Materialien

      Iranisches ZGB, für shi‘itische Muslime uneingeschränkt anwendbar:

      a) Art. 1062 iran ZGB

      Eine Ehe entsteht als Folge eines Angebots und einer Annahme mit Wörtern, die eindeutig auf die Absicht, eine Ehe eingehen zu wollen, schließen lassen.

      b) Art. 1078 iran ZGB

      Jede Sache, die einen Wert hat und sich auch in Besitz nehmen lässt, kann man als Mahr einsetzen.

      Art. 1080 iran ZGB

      Die Festlegung der Menge des Mahr hängt von dem beiderseitigen Einvernehmen der Parteien ab.

      Art. 1082 iran ZGB

      Sofort nach der Eheschließung wird die Frau Eigentümerin des Mahr und kann darüber jede Art der Verfügung, die sie möchte, tätigen.

      [Anmerkung: In der Praxis wird dennoch die Übergabe eines großen Teiles des Mahr aufschiebend auf Anforderung vereinbart, so dass die Leistung meist erst bei Scheidung gefordert wird.]

      Art. 1087 iran ZGB

      Falls in einer dauernden Ehe kein Mahr erwähnt oder das Fehlen eines Mahr festgelegt sein sollte, ist die Ehe gültig, wobei die Ehegatten das Mahr nach der Eheschließung einverständlich festlegen können; falls vor der Einigung über ein bestimmtes Mahr zwischen ihnen Geschlechtsverkehr stattfinden sollte, wird die Ehefrau das