Sabine Tofahrn

Strafrecht Allgemeiner Teil II


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      Im Zusammenhang mit sukzessiver Tatbestandserfüllung können Ihnen in der Klausur auch Fälle begegnen, bei denen es dem Täter in erster Linie um eine außertatbestandliche Zielerreichung geht, wobei er den Eintritt des tatsächlich ausgebliebenen tatbestandlichen Erfolges billigend in Kauf nimmt. Bei diesem Versuch handelt es sich nicht um einen fehlgeschlagenen Versuch, bei dem der Erfolg des Täters nicht mehr eintreten kann, sondern im Gegenteil um einen Versuch, bei dem die Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges möglich ist aber keinen Sinn mehr macht. Die rechtliche Behandlung dieser Fallgruppe ist zwischen Rechtsprechung und Literatur umstritten.

      Beispiel

      A, der von B hintergangen wurde, möchte diesem einen „Denkzettel“ verpassen und sticht mit bedingtem Tötungsvorsatz auf ihn ein. Nachdem er ihn am Arm verletzt hat, genügen ihm die Schmerzensschreie des B als Genugtuung, so dass er von weiteren möglichen Stichen absieht.

      JURIQ-Klausurtipp

      Auch diese Fallgruppe sollten Sie wie den fehlgeschlagenen Versuch zu Beginn der Rücktrittsprüfung erörtern. Sofern Sie der Literatur folgen wollen, erledigt sich danach eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen.

      2. Teil Versuch und Rücktritt des AlleintätersD. Rücktritt vom Versuch › IV. Abgrenzung unbeendeter/beendeter Versuch

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      Wie bereits ausgeführt wird gem. § 24 Abs. 1 S. 1 der Versuch nicht bestraft, wenn der Täter freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Ob ein bloßes Aufgeben der weiteren Tat für einen strafbefreienden Rücktritt ausreicht oder ob der Täter aktiv werden muss, richtet sich nach der Art des Versuchs. Zu unterscheiden sind der unbeendete und der beendete Versuch.

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      Die Unterscheidung zwischen beendetem und unbeendetem Versuch beruht also, ebenso wie die Feststellung, ob der Versuch fehlgeschlagen ist, auf der Vorstellung des Täters. Sie ist demnach nicht anhand objektiver Kriterien vorzunehmen.

      Beispiel

      Der Täter schüttet, in der irrigen Annahme es handele sich um Gift, ein in Wahrheit harmloses Schlafmittel in den Kaffee seines Freundes und schaut diesem genüsslich beim Trinken zu.

      Hier konnte objektiv der Erfolg zu keinem Zeitpunkt eintreten. Subjektiv glaubte der Täter jedoch alles nach seiner Vorstellung Erforderliche getan zu haben, um den Erfolg herbeizuführen. Es handelt sich um einen beendeten (untauglichen) Versuch.

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      Beispiel

      A und B haben geplant, ein Lebensmittelgeschäft zu überfallen. Sie beabsichtigen, die Inhaberin durch Bedrohung mit einem Messer zur Herausgabe des in den Kassen befindlichen Geldes zu „überreden“. Einen weitergehenden Einsatz des Messers haben sie zum Zeitpunkt der Planung jedoch ausgeschlossen. Nach dem Betreten des Geschäfts geht dementsprechend A auf X, die hinter der Theke stand zu, hält ihr das Messer vor und sagt: „Geld her“. Als X jedoch zur großen Überraschung von A und B entgegnet „Ihr kriegt hier nichts“, entschließen sich beide, das Geschäft unverrichteter Dinge wieder zu verlassen.

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      Achten Sie in der Klausur darauf, dass Sie auch tatsächlich den letzten Zeitpunkt der Aufgabe der Ausführungshandlung als Beurteilungszeitpunkt wählen. Es ist denkbar, dass die Vorstellungen des Täters sich währenddessen ändern. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Korrektur des Rücktrittshorizonts“.

      Beispiel

      A sticht B mit einem Messer nieder und geht nach dem Stich davon aus, B tödlich verletzt zu haben. Tatsächlich steht B aber unmittelbar danach auf. A erkennt nun, dass er B nur am Arm getroffen hat und unterlässt weitere Handlungen.

      Beispiel

      A sticht erneut B nieder und geht dieses Mal davon aus, dass er ihn nur am Arm verletzt habe. Tatsächlich steht B auch zunächst auf, bricht jedoch keine 30 Meter später bewusstlos zusammen. A erkennt, dass B nur mit ärztlicher Hilfe überleben kann, entschließt sich nun jedoch, B liegen zu lassen.