Sabine Tofahrn

Strafrecht Allgemeiner Teil II


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entfalle, weil der verbrecherische Wille und die damit einhergehende Gefährlichkeit des Täters sich nachträglich als wesentlich geringer erwiesen hätten mit der Folge, dass eine Bestrafung wegen Versuchs nicht mehr nötig sei, um den Täter von künftigen Straftaten abzuhalten, um andere abzuschrecken und die verletzte Rechtsordnung wieder herzustellen (sog. Strafzwecktheorie).[2] Nach der kriminalpolitischen Theorie wird dem Täter mit dem Rücktritt eine goldene Brücke zur Rückkehr in die Legalität gebaut, welche ihm Anreiz bieten soll, die verbrecherische Tätigkeit aufzugeben.[3] Die Verdienstlichkeitstheorie stellt darauf ab, dass das Gesetz den Täter bei einem freiwillig gewählten Rücktritt durch die Gewährung von Straffreiheit belohne.[4]

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      Sofern die Voraussetzungen des Rücktritts gegeben sind, ist der Versuch des von Ihnen geprüften Delikts straflos. Beachten Sie jedoch, dass eine andere, zugleich mit dem Versuch bereits vollendete Straftat trotz des Rücktritts strafbar bleibt.

      Beispiel

      A sticht mit Tötungsvorsatz auf B ein, nimmt jedoch, nachdem er ihn an der Schulter getroffen hat, von weiteren Stichen Abstand, weil ihn das schlechte Gewissen überkommen hat.

      Hier liegt neben dem versuchten Totschlag, von dem A strafbefreiend zurückgetreten ist, weil er die weitere Ausführung der Tat aufgegeben hat, einen vollendete gefährliche Körperverletzung gemäß den §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 vor. Diese vollendete Körperverletzung wird vom Rücktritt nicht erfasst.

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      Neben dem unbeendeten, beendeten und untauglichen Versuch gibt es ferner noch den fehlgeschlagenen Versuch, von welchem ein Rücktritt nicht möglich ist. In Anbetracht dessen müssen Sie in der Klausur die Prüfung des Rücktritts damit beginnen, festzustellen, ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt. Sofern Sie das bejaht haben, ist die Prüfung des Rücktritts beendet. Haben Sie hingegen den Fehlschlag verneint, müssen Sie alsdann entscheiden, ob ein unbeendeter, beendeter oder untauglicher Versuch vorliegt, weil davon die Rücktrittsvoraussetzungen abhängen. Schließlich müssen Sie überprüfen, ob der Täter freiwillig vom Versuch zurückgetreten ist. Der Prüfungsaufbau sieht mithin wie folgt aus:

      Der Rücktritt vom Versuch

      I.Rücktritt möglich?

       1.Fehlgeschlagener Versuch?

       sukzessive TatbegehungRn. 36

       2.Außertatbestandliche Zielerreichung?Rn. 39

      II.Abgrenzung unbeendeter/beendeter Versuch

       1.bei unbeendetem Versuch: Aufgabe der weiteren Tatausführung

       misslungener RücktrittRn. 44

       2.beim beendeten Versuch: Verhinderung der Vollendung

       Anforderungen an die VerhinderungRn. 45

       3.beim beendeten untauglichen Versuch: ernsthaftes Bemühen

      III.Freiwilligkeit

      2. Teil Versuch und Rücktritt des AlleintätersD. Rücktritt vom Versuch › II. Fehlgeschlagener Versuch

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      Ein „Aufgeben der Tat“ oder eine „Verhinderung der Vollendung“ ist nur dann möglich, wenn aus Sicht des Täters der Erfolg noch herbeigeführt werden kann. Geht der Täter hingegen davon aus, dass das Delikt nicht mehr verwirklicht werden kann, ist kein Raum für eine Strafbefreiung.

      Beispiel

      A steigt nachts in das Juweliergeschäft des J ein, um aus dessen Safe wertvolle Diamanten zu rauben. Nachdem er den Safe mühevoll geöffnet hat, muss er feststellen, dass dieser an diesem Abend wider Erwarten leer ist.

      Im vorliegenden Fall kommt ein Rücktritt zu Gunsten des A nicht in Betracht, da der Erfolg nicht hätte eintreten können und A dies auch erkannt hat. Nach keiner der oben dargestellten Begründungstheorien gibt es einen Grund dafür, das Strafbedürfnis entfallen zu lassen.

      JURIQ-Klausurtipp

      Da beide Auffassungen zur Strafbarkeit des Täters gelangen, ist es nicht erforderlich, die unterschiedlichen Meinungen abzugrenzen. Gehen Sie in der Klausur nach dem obigen Aufbauschema vor und fangen Sie mit der Frage an, ob ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt, von welchem ein Rücktritt nicht möglich ist. Sofern Sie den Fehlschlag bejahen, können Sie der Vollständigkeit halber noch ausführen, dass zum selbigen Ergebnis die Vertreter gelängen, die die Freiwilligkeit verneinten.

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      Beachten Sie, dass auch hier ausschließlich auf die Vorstellung des Täters abgestellt wird. Ein fehlgeschlagener Versuch liegt mithin vor,

wenn der Versuch von vornherein untauglich war und der Täter dies schließlich erkennt (erkennt er die Untauglichkeit nicht, so bleibt ein Rücktritt möglich!)
wenn der Versuch tauglich war, der Täter aber irrig annimmt, er sei untauglich
wenn der Versuch zunächst tauglich war, die Handlung aber nicht zum Erfolg führte und dem Täter nach seiner Auffassung keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den Erfolg noch herbeizuführen.

      Beispiel

      Im obigen Beispiel (Rn. 33) war der Versuch von vornherein untauglich, da das Tatobjekt nicht vorhanden war. Diese Untauglichkeit hat A schließlich nach dem Öffnen des Safes erkannt.

      Beispiel

      A steigt wiederum in das Juweliergeschäft des J ein, um dessen Safe zu knacken und die dort vermuteten Juwelen zu stehlen. Als er sich jedoch dem Safe nähert, erkennt er, dass J