Sabine Tofahrn

Strafrecht Allgemeiner Teil II


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liegt noch kein Tatentschluss vor, da A sich noch nicht sicher ist, ob er das Computerspiel tatsächlich kaufen möchte und zu diesem Zweck dann auch das Geld seines Bruders benötigen würde.

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      Wenn Sie Zeit haben, sollten Sie an dieser Stelle das Kapitel „Subjektiver Tatbestand“, dargestellt im Skript „Strafrecht AT I“, wiederholen.

      Hinsichtlich des Vorsatzgrades reicht dolus eventualis, sofern das von Ihnen geprüfte Delikt nichts anderes voraussetzt, wie z.B. § 226 Abs. 2, der zumindest dolus directus 2. Grades verlangt. Der Bezugszeitpunkt ist – wie beim Vorsatz auch – die Vornahme der Tathandlung, also beim Versuch die Handlung oder das Unterlassen, welches das unmittelbare Ansetzen ausmacht und welches Sie im Obersatz benannt haben.

      Beispiel

      „A könnte sich des versuchten Mordes gem. §§ 211, 212, 22, 23 Abs. 1 strafbar gemacht haben, indem sie Gift im Rotwein auflöste und M das Getränk überreichte.“

      Da es beim Tatentschluss nur auf die Vorstellung des Täters ankommt, ist § 16 Abs. 1 ohne nennenswerte Bedeutung, da dieser voraussetzt, dass der Täter einen Umstand nicht kennt, den er tatsächlich objektiv verwirklicht hat. Ist dies beim Tatentschluss der Fall, dann war der Tatentschluss schlichtweg nicht auf die Verwirklichung dieses Tatbestandes gerichtet und ist somit zu verneinen. Auch der error in objecto vel persona ist unproblematisch. Zu fragen ist nur danach, ob der Täter zum Zeitpunkt des unmittelbaren Ansetzens den Tatentschluss hatte, das anvisierte Objekt zu verletzen.

      2. Teil Versuch und Rücktritt des AlleintätersB. Versuch › III. Untauglicher Versuch in Abgrenzung zum Wahndelikt

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      Wie bereits ausgeführt, ist auch der untaugliche Versuch strafbar. Von einem untauglichen Versuch wird gesprochen, wenn die Ausführung des Tatentschlusses entgegen der Vorstellung des Täters jedenfalls aus tatsächlichen Gründen nicht zur Verwirklichung des Unrechtstatbestandes führen kann. Folgende Konstellationen des untauglichen Versuchs sind unproblematisch denkbar:

Versuch am untauglichen Objekt

      Beispiel

      A schießt auf den vermeintlich schlafenden B, der jedoch kurz zuvor einem Herzinfarkt erlegen war.

Versuch mit untauglichen Mitteln

      Beispiel

      A verabreicht B irrtümlich in einer zu geringen Dosierung ein Gift, welches nicht, wie von A geplant zum Tode, sondern lediglich zu schweren Magenkrämpfen führt.

Versuch des untauglichen Subjekts

      Beispiel

      A lässt sich in Unkenntnis der Nichtigkeit seiner Ernennung zum Beamten Schmiergeld von einem Restaurantinhaber geben, welchen er zu kontrollieren hat, damit er die skandalösen hygienischen Zustände, die in diesem Restaurant herrschen, unberücksichtigt lässt.

      In den vorgenannten Fällen war der Tatentschluss des Täters auf die Verwirklichung eines Straftatbestandes gerichtet, so dass er wegen Versuchs des Deliktes zu bestraften ist.

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      Straflos ist hingegen der sog. irreale oder abergläubische Versuch, bei welchem der Täter mit irrealen Mitteln (z.B. Voodoo-Puppen, Teufelsbeschwörung o.Ä.) einen strafrechtlich relevanten Erfolg herbeiführen möchte. In diesen Fällen stellt der Täter sich schon kein strafbares Verhalten vor, so dass nach herrschender Meinung der Rechtsfrieden nicht nachhaltig erschüttert wird. In der Klausur ist dementsprechend der Tatentschluss zu verneinen.

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      Beispiel

      Hobbyterrorist T versucht mit einem Luftgewehr die über sein Haus hinweg fliegende Maschine der Lufthansa abzuschießen.

      Die Abgabe des Schusses ist ein untaugliches Mittel, welches zu keiner Zeit eine Gefährdung für die Maschine herbeiführen konnte. Ein normal vernünftiger Mensch hätte die Untauglichkeit des Mittels ohne Probleme erkannt. Vorliegend kann also der grobe Unverstand des T zu einer Strafmilderung bzw. dem Absehen von Strafe führen.

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      Von dem untauglichen Versuch ist das Wahndelikt zu unterscheiden. Ebenso wie beim untauglichen Versuch stellt der Täter sich irrig etwas vor. Im Gegensatz zum untauglichen Versuch führt diese irrige Vorstellung allerdings zur Straflosigkeit.

      Beispiel

      A verabreicht B ein Gift in zu geringer Dosierung in der Annahme, die Dosierung sei ausreichend gewählt worden. Hätte A die richtige Dosierung gewählt, wäre auch entsprechend der Vorstellung des A der Tod des B eingetreten. Während beim Tatbestandsirrtum der Täter ein Merkmal des objektiven Tatbestandes nicht kennt, welches jedoch tatsächlich vorliegt, nimmt der Täter beim untauglichen Versuch ein objektives Tatbestandsmerkmal an, welches tatsächlich nicht vorliegt (hier Wirksamkeit des Mittels). Ein Vorsatz ausschließender Tatbestandsirrtum hätte vorgelegen, wenn A in richtiger Dosierung Gift in den Kaffee des B geschüttet hätte, in der Annahme, dass es sich lediglich um ein harmloses Schlafmittel handele, welches B in Tiefschlaf versetzt.

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      Beim Wahndelikt hingegen erkennt der Täter in tatsächlicher Hinsicht sein Verhalten und dessen Konsequenzen richtig, er glaubt jedoch irrig infolge einer Verkennung der jeweils einschlägigen Strafrechtsregeln, er sei strafbar. Hier können Ihnen sämtliche Irrtümer in umgekehrter Gestalt begegnen, die Sie im Skript „Strafrecht AT“ kennen gelernt haben. Abhängig vom Bezugspunkt des Irrtums sind folgende Konstellationen des Wahndeliktes denkbar:

Umgekehrter Verbotsirrtum: Der Täter nimmt zu seinen Ungunsten eine Strafrechtsnorm an, die in Wahrheit nicht existiert (normaler Verbotsirrtum: Der Täter kennt die Strafrechtsnorm nicht, gegen die sein Verhalten verstößt).

      Beispiel

      Politiker W glaubt irrtümlich, die gleichgeschlechtliche Liebe verstoße gegen das StGB.

      JURIQ-Klausurtipp

      Dieser Fall wird Ihnen in der Klausur nicht begegnen. Er kann strafrechtlich nicht geprüft werden, da es keinen Straftatbestand gibt, den Sie im Obersatz benennen könnten!

Umgekehrter Erlaubnisirrtum: Der Täter hält irrtümlich