Olaf Klemke

Einführung in die Praxis der Strafverteidigung


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      Der Verteidiger muss es sich zur Regel machen, erst nach Zahlung eines angemessenen Vorschusses tätig zu werden. Nur so kann er seine Vergütungsansprüche sichern. Ausnahmen sind in Fällen zu machen, in denen ein sofortiges Eingreifen zwingend erforderlich ist, um nicht heilbare Rechtsnachteile für den Mandanten zu verhindern.

      Aber auch in diesen Fallkonstellationen muss der Verteidiger alsbald nach seinen ersten, unaufschiebbaren Verteidigungshandlungen einen Vorschuss verlangen. Die Verpflichtung des Mandanten, einen Vorschuss zu leisten, sollte in die Vergütungsvereinbarung aufgenommen werden. Eine solche Klausel trägt zwar rein deklaratorischen Charakter, da § 9 RVG dem Anwalt das Recht einräumt, einen angemessenen Vorschuss zu verlangen. Sie schafft jedoch von Anfang an klare Verhältnisse.

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      Teil 1 Das Mandat des StrafverteidigersI. Der Wahlverteidiger › 9. Die Ablehnung des Mandates

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      Der Verteidiger ist nicht verpflichtet, ein ihm angetragenes Mandat anzunehmen. Will er die Übernahme des Mandates ablehnen, muss er dies dem Antragenden ausdrücklich und vor allem unverzüglich mitteilen. Sonst kann er sich schadensersatzpflichtig machen, § 44 BRAO. Im Übrigen setzt er sich der Gefahr berufsgerichtlicher Ahndung aus. Der Verstoß gegen § 44 BRAO ist eine Berufspflichtverletzung. Gründe, ein angetragenes Mandat abzulehnen, können im Gegenstand des Mandates oder in der Person des Mandanten liegen.

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      So mancher Kollege lehnt Mandate aus gewissen Deliktsbereichen ab. Dies betrifft insbesondere Sexualstraftaten an Kindern und politische Strafsachen. Die Natur des erhobenen Tatvorwurfes allein rechtfertigt die Ablehnung eines Mandates jedoch nicht. Eine derartige Einstellung würde der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK widersprechen, deren Garant auch der Strafverteidiger sein sollte. Im Übrigen hat selbst ein Mitmensch, der die allerschlimmsten Verbrechen glaubhaft eingestanden hat, einen Anspruch auf ein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren. Hierzu gehört auch und gerade die Gewährleistung einer sachgerechten und effektiven Verteidigung. Es ist zu bedenken, dass gerade in einem solchen Fall nicht nur die Gesellschaft geschlossen den Täter ächtet. Zusätzlich hat dieser Mensch auch noch den Staat mit seiner unermesslichen Machtfülle in Gestalt der Strafjustiz gegen sich. Der Beistand durch den Verteidiger stellt bei dieser Sachlage nur ein winziges Stück „sozialer Gegenmacht“ dar, welches man dem Beschuldigten nicht vorenthalten darf. Der von Laien gelegentlich ohne jedes Verständnis für eine rechtsstaatliche Strafrechtspflege erhobene Vorwurf, wie man denn nur einen solchen Menschen verteidigen könne, sollte den Verteidiger an der Übernahme auch „heikler“ Mandate nicht hindern.

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      Der Verteidiger sollte jedoch darauf achten, dass er sich – insbesondere in „politischen“ Verfahren – seine Unabhängigkeit vom Mandanten bewahrt. Er sollte sich keinesfalls zum „Sprachrohr“ der politischen Überzeugung seines Mandanten machen, vielmehr das Mandat betont sachlich führen. Politische Propaganda des Verteidigers für den Mandanten schadet letztendlich dem Mandanten. Der Verteidiger wird nämlich, wenn er zum politischen Agitator seines Mandanten avanciert, seine Integrität und damit seine Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem Gericht und den übrigen Verfahrensbeteiligten einbüßen.

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      Eine damit verbundene Frage ist diejenige, ob sich ein politischer „Überzeugungstäter“ von einem Verteidiger vertreten lassen sollte, der den politischen oder weltanschaulichen Ansichten seines Mandanten nahesteht. Ratsamer ist es, wenn die Verteidigung ein politisch „neutraler“ oder „gegnerischer“ Anwalt führt. Dann liegt die Gefahr ferner, dass der Verteidiger als „Gesinnungsgenosse“ des Angeklagten diffamiert und so in seiner Integrität beeinträchtigt wird. Im Übrigen ist ein solcher dem Angeklagten politisch nicht nahestehender Verteidiger nicht nur optisch glaubwürdiger, sondern vor allem im Hinblick auf seine professionelle Distanz zum Mandanten auch der „objektivere“ und damit effektivere Verteidiger.

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      Keineswegs sollte indes eine von der des Mandanten abweichende politische oder weltanschauliche Einstellung des Verteidigers dazu führen, dass sich der Verteidiger in öffentlicher Hauptverhandlung auch nur den Anschein gibt, er „distanziere“ sich von seinem Mandanten oder von dessen Ansichten oder dessen Haltung. Der Verteidiger sollte in diesem Fall dieses Thema am besten nicht ansprechen. Er sollte diesen Dissens auch nicht nonverbal signalisieren. Der Mandant könnte sich anderenfalls zu Recht von seinem Verteidiger verraten fühlen.

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