Peter Behrens

Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht


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im Folgenden 4.).

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      Das Unionsrecht reagiert auf solche staatlichen Wettbewerbsbeschränkungen mit besonderen staatsgerichteten Instrumenten. Sie sind teils in den wirtschaftlichen Binnenmarktfreiheiten enthalten, die der Marktöffnung durch Beseitigung staatlicher Marktzutrittsschranken dienen (siehe dazu oben Rn. 117 ff.), teils in der Beihilfenkontrolle, die den Subventionswettbewerb unter den Mitgliedstaaten beseitigen soll, weil er den Leistungswettbewerb der Unternehmen auf den Produktmärkten verzerrt (siehe dazu unten Rn. 1528 ff.), teils im gemeinschaftlichen Vergaberecht, das Diskriminierungen im öffentlichen Beschaffungswesen verhindern soll (siehe dazu unten Rn. 1713 ff.).

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      Eine Wettbewerbspolitik, die den Schutz vor Wettbewerbsbeschränkungen durch Unternehmen zum Gegenstand hat und demgemäß bestimmte für wettbewerbswidrig erklärte Verhaltensweisen verbietet und sanktioniert, geht aber ersichtlich von einer kurzfristigeren Perspektive aus. Sie beruht auf der Prämisse, dass die Aufgabe nicht allein darin bestehen kann, die staatlichen Rahmenbedingungen für ein wettbewerbliches Gesamtsystem zu sichern. Sie beruht vielmehr auf der Annahme, dass es nicht nur gewissermaßen einen Totalmarkt gibt, auf dem sämtliche angebotenen und nachgefragten Produkte und Leistungen miteinander in Wettbewerb stehen, sondern dass sich auch Teilmärkte sehr wohl sinnvoll abgrenzen lassen und abgegrenzt werden müssen, auf denen die Unternehmen über Möglichkeiten verfügen, die Bedingungen, unter denen sie miteinander konkurrieren, negativ zu beeinflussen und zu verändern. Davon bleibt die Einsicht unberührt, dass der Wettbewerb als ein Entdeckungsverfahren begriffen werden muss, das auf der Grundlage individueller Handlungsautonomie die Suche nach effizienten Lösungen ermöglicht und antreibt. Ausgangspunkt der Wettbewerbspolitik ist aber im Gegensatz zum streng evolutions- bzw. systemtheoretischen Ansatz die Überzeugung, dass es legitim ist, nicht abzuwarten bis etwaige Beschränkungen oder Verfälschungen des so verstandenen Wettbewerbs durch die Unternehmen im langfristigen Entwicklungsprozess des Gesamtsystems überwunden werden. Vielmehr sollten solche Wettbewerbsbeschränkungen auch kurzfristig mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts (dh durch staatliche Interventionen) bekämpft werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich aber unausweichlich die Frage nach dem angemessenen Maßstab für die Feststellung von Wettbewerbsbeschränkungen.

3. Beurteilungsmaßstab

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      Die weiter oben dargestellten preistheoretischen Analysen zeigen modellhaft, dass die Marktstruktur ein entscheidender Faktor ist, der das Marktverhalten von Unternehmen und somit auch das Marktergebnis beeinflusst: Im Polypol verhalten sich Unternehmen anders als in einer oligopolistischen oder monopolistischen Marktstruktur. Das theoretische Modell zeigt, dass im Rahmen einer polypolistischen Marktstruktur – insbesondere unter den Bedingungen vollkommenen Wettbewerbs – das profitmaximierende Verhalten der Unternehmen im Ergebnis zu einer effizienten Allokation der Ressourcen führt, weil die Konkurrenten keinen Einfluss auf die Bedingungen des Wettbewerbs haben und sich die Präferenzen der Konsumenten am Markt durchsetzen. Demgegenüber wird unter monopolistischen Bedingungen das Effizienzziel (sowohl im Sinne der allokativen, als auch der produktiven und der dynamischen Effizienz) verfehlt, weil der Monopolist selbst entscheidet, zu welchen Bedingungen er am Markt agiert, und nicht der Wettbewerb um die Konsumenten. Er verfügt über Marktmacht, die er gewöhnlich im Sinne einer Beschränkung der Produktion (einschließlich der Innovation) und einer Erhöhung des Preises auf ein Niveau oberhalb des Wettbewerbspreises ausnutzen wird.

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