Peter Behrens

Europäisches Marktöffnungs- und Wettbewerbsrecht


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der Marktteilnehmer und damit den Wettbewerb beeinträchtigen:

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      Marktteilnehmer können ferner die Rivalität untereinander durch Integration (dh Zusammenschluss) ihrer Unternehmen gänzlich beseitigen. In diesem Fall wird das Risiko des Geheimwettbewerbs unter Kartellmitgliedern ausgeschaltet.

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      Sowohl die Koordination des Marktverhaltens von Wettbewerbern als auch der Zusammenschluss von Konkurrenten zu einer neuen Unternehmenseinheit ließen sich mit der Begründung als Wettbeschränkung qualifizieren, dass sie die wettbewerbliche Handlungsautonomie der Beteiligten im Innenverhältnis aufheben. Allerdings würden damit sehr viele Fälle erfasst, in denen die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs als Interaktionssystem nicht wirklich gefährdet ist. Wenn zwei kleine Bäckereien ein Kartell bilden oder sich zu einer einzigen Bäckerei zusammenschließen, so lässt das den Wettbewerbsprozess insgesamt unberührt. Zur Vermeidung zu vieler Beurteilungsfehler müssen daher Schwellenwerte definiert werden, nach denen die relevanten von den irrelevanten Fällen getrennt werden können. Es liegt nun nahe, diese Schwellenwerte unter dem Gesichtspunkt der Drittwirkungen (im Außenverhältnis) festzulegen, dh im Sinne marktstruktureller Kriterien. Demgemäß richten sich die Relevanzschwellen für Kartelle oder Unternehmenszusammenschlüsse typischerweise nach der Marktstellung der Beteiligten. Bei Kartellen kann die Marktstellung durch vergleichsweise niedrige Mindest-Marktanteile der Unternehmen definiert werden, bei Unternehmenszusammenschlüssen ist das Kriterium der Marktbeherrschung sinnvoll. Denn die durch Zusammenschluss neu entstehende Unternehmenseinheit kann in der Regel nur unter der Voraussetzung der Marktbeherrschung eine zumindest abstrakte Gefahr für den Wettbewerb darstellen, weil sie die Möglichkeit hätte, künftig noch vorhandene Restwettbewerber aus dem Markt zu verdrängen oder sie vom Zugang zu bestimmten Ressourcen auszuschließen. Aber auch im Falle der Entstehung eines engen Oligopols unterhalb der Marktbeherrschungsschwelle kann eine Gefährdung des Wettbewerbs durch die Koordination des Marktverhaltens der Oligopolisten nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden.

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      Die konkrete Gefahr der Verdrängung von Wettbewerbern und einer daraus resultierenden Verengung der Marktstruktur mit entsprechend negativen Drittwirkungen kann schließlich auch durch einseitiges Verhalten eines einzelnen Unternehmens hervorgerufen werden. Plausibel ist dies jedoch nur, wenn das betreffende Unternehmen seinerseits bereits eine marktbeherrschende Stellung einnimmt und der Wettbewerbsdruck aufgrund einer bereits verengten Marktstruktur geschwächt ist. Auch insoweit ergibt sich also die Wettbewerbswidrigkeit des fraglichen Verhaltens aus seinen marktstrukturell bedingten Drittwirkungen.

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      Es zeigt sich somit, dass ein reiner Marktverhaltenstest grundsätzlich nicht hinreicht, um wettbewerbswidriges von wettbewerbskonformem Verhalten zu unterscheiden, sondern ein Rückgriff auf den Aspekt der marktstrukturellen Drittwirkung erforderlich ist.

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      Allerdings sind Fälle denkbar, in denen der Wettbewerbsschutz unabhängig von konkreten marktstrukturellen Erwägungen eingreifen muss, weil allein schon die Ausschaltung der Rivalität zwischen konkurrierenden Unternehmen eine hinreichend gravierende Störung des Wettbewerbssystems durch Einschränkung der Handlungsspielräume der beteiligten Unternehmen selbst darstellt. In diesem Sinne wird die koordinierte Festsetzung von Preisen, die Beschränkung der Produktion sowie die Aufteilung von Märkten als besonders gefährlich angesehen. Man spricht insoweit von Kernbeschränkungen („hard core cartels“). Letztlich wird aber auch in diesen Fällen die Wettbewerbswidrigkeit nicht allein mit der Selbstbeschränkung der Kartellanten begründet werden können. Vielmehr geht es auch hier um den Schutz der wettbewerblichen Handlungsspielräume Dritter, nämlich der Abnehmer. Im Falle von Kernbeschränkungen der genannten Art treten jedoch die negativen marktstrukturellen Auswirkungen für die Auswahlfreiheit der Marktgegenseite derart offensichtlich zu Tage, dass es insoweit im Einzelfall keiner besonderen Wirkungsanalyse bedarf. Daher hat der Marktverhaltenstest, der das Urteil der Wettbewerbswidrigkeit lediglich an das beobachtete unternehmerische Verhalten selbst anknüpft, immerhin einen begrenzten Anwendungsbereich.

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      Daraus, dass der wirtschaftliche Wettbewerb dem Effizienzziel im Sinne von Präferenzgerechtigkeit und Kostenminimierung sowie dem Ziel des Wachstums durch Innovation dient, hat man vor dem Hintergrund der neoklassischen Wohlfahrtstheorie die Schlussfolgerung gezogen, dass die Wettbewerbskonformität bzw. Wettbewerbswidrigkeit des Marktverhaltens von Unternehmen danach beurteilt werden sollte, ob das Marktergebnis im Einzelfall die Effizienz bzw. Innovation steigert oder vermindert. Die Minderung der Effizienz im Sinne der allokativen Effizienz (Präferenzgerechtigkeit) wäre also danach zu beurteilen, ob ein bestimmtes Marktverhalten zu Einschränkungen der Produktion (und möglicherweise der Innovation) bzw. zu entsprechenden Preiserhöhungen führt. Die Minderung speziell der produktiven Effizienz (Kosteneffizienz) ließe sich etwa daran festmachen, dass das zu beurteilende Marktverhalten keinerlei Skalenerträge mit sich bringt. Maßstab für die Feststellung einer Wettbewerbsbeschränkung wäre also der Nachweis solcher Ineffizienzen bzw. – bei umgekehrter Beweislast – der mangelnde Nachweis von Effizienzgewinnen.

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