Dirk Sauer

Absprachen im Strafprozess


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Argumentationsmuster der fundamentalistischen Absprachenkritiker und offenbart zugleich seine größte Schwäche: Ist das Gesetz nicht streng genug, so hat der Gesetzgeber versagt, anderenfalls ebenfalls, weil der Glaube, die Normadressaten würden sich an klare und scharfe Vorschriften halten, naiv sei. Der Fehler ist immer derselbe: Ausgehend von einem denkbaren negativen Menschen- (oder eher Juristen-) Bild wird an den Staat (genauer: die Legislative) die Erwartung gerichtet, die Judikative ein für alle Mal zu disziplinieren und jede Form der Absprache im Strafprozess entschlossen und nachhaltig zu unterbinden. Das Argument ist widersprüchlich, weil Personen, die sich an das Gesetz nicht halten, sich auch durch das Gesetz nicht verbieten lassen, das Gesetz zu brechen. Es ist außerdem ersichtlich von einer Art voraufklärerischem Misstrauen gegenüber der menschlichen Vernunft geprägt, das empirischer Bestätigung bedürfte, sich auf solche aber natürlich nicht stützen kann.

       [5]

      Vgl. zu diesem im Einzelnen unten Teil 3 (Rn. 246 ff.).

       [6]

      Patzak in Beckʼscher Online-Kommentar StPO, § 160b Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt § 160b Rn. 2.

       [7]

      In diesem Sinne Meyer-Goßner/Schmitt Einleitung Rn. 71.

       [8]

      Zu den Aufgaben der Gerichtshilfe m.w.N. KK-Griesbaum, § 160 Rn. 33 und Meyer-Goßner/Schmitt § 160 Rn. 24.

       [9]

      Vgl. einerseits Meyer-Goßner/Schmitt § 160b Rn. 4; andererseits Schlothauer in Niemöller/Schlothauer/Weider, § 160b Rn. 14.

       [10]

      So eine verbreitete Meinung im Schrifttum, vgl. etwa Kühne in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2006, Einleitung JV, Rn. 122: Der Verletzte als Prozesssubjekt.

       [11]

      BT-Drucks. 16/12 310, 11.

       [12]

      Niemöller/Schlothauer/Weider § 160b Rn. 7 unter Verweis auf den Diskussionsentwurf für eine Reform des Strafverfahrens (StV 2004, 228, 229).

       [13]

      A.A. offenbar Niemöller/Schlothauer/Weider § 160b Rn. 13, nach denen die Verfalls- und Einziehungsbeteiligten im Ermittlungsverfahren „noch keine Rolle“ spielen.

       [14]

      So Meyer-Goßner/Schmitt § 160b Rn. 8.

       [15]

      So Deiters in SK-StPO, § 212 Rn. 5.

       [16]

      Von selbst sollte sich verstehen, dass nicht jedweder Kontakt zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft schon in der Akte dokumentiert werden muss, sondern nur solche, bei denen es zumindest überhaupt inhaltlich zu einem Austausch von Meinungen oder Argumenten zum Stand oder weiteren Fortgang des Verfahrens kommt.

       [17]

      Vgl. zum Begriff des Verfahrensbeteiligten oben Rn. 95 ff.

       [18]

      Zu diesen näher sogleich unter Rn. 131 ff.

       [19]

      H.M., siehe nur Schlothauer in Niemöller/Schlothauer/Weider, § 160b Rn. 26; Meyer-Goßner/Schmitt § 160b Rn. 11, jeweils m.w.N.

       [20]

      BGH Urt. v. 12.3.2008 – 3 StR 433/07 (= BGHSt 52, 165) Rn. 17 f. unter Verweis auf BGH Urt. v. 18.4.1990 – 3 StR 252/88 (= BGHSt 37, 10).

       [21]

      Die Auffassungen differieren hier etwas, vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 160b Rn. 11 m.w.N.

       [22]

      So auch Schlothauer in Niemöller/Schlothauer/Weider, § 160b Rn. 26.

       [23]

      So Schlothauer in Niemöller/Schlothauer/Weider, § 202a Rn. 10 ff.

      Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der Urteilsabsprache › B. Die Ausgestaltung des Opportunitätsprinzips in der StPO im Einzelnen: §§ 153 ff.

      Teil 2 Verfahrensbeendigende Verständigungen jenseits der UrteilsabspracheB › I. Übersicht

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      Wie bereits mehrfach erwähnt, spielen die §§ 153 ff. in der Praxis heute eine überaus große Rolle. Dies gilt allerdings nicht für jede der Vorschriften der §§ 153 bis 154e in gleichem Maße.

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      Im Vordergrund stehen vielmehr die §§ 153, 153a, mit Einschränkungen auch §§ 154, 154a und schließlich gelegentlich noch § 154d. Deswegen konzentriert sich die folgende Darstellung auf diese Normen. Dabei bietet es sich an, zunächst die §§ 153, 153a, sodann kurz §§ 154, 154a und abschließend die besondere Konstellation des § 154d zu behandeln. Die §§ 154, 154a weisen nämlich u.a. die Gemeinsamkeit auf, dass die Einstellungsmöglichkeiten wegen einer bestimmten Gesetzesverletzung jeweils nur im Hinblick auf eine aus anderem Grund bereits erfolgte oder noch zu erwartende Strafe geschehen kann. Bereits hierin unterscheiden sich diese Vorschriften deutlich von den §§ 153, 153a.

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      Auch im Bereich des Strafbefehlsverfahrens, im Privatklageverfahren, im Recht der Ordnungswidrigkeiten sowie im Betäubungsmittel- und Jugendstrafrecht finden sich sodann spezielle Regelungen, die eine konsensuale Beendigung von Strafverfahren ermöglichen und die hier daher ebenfalls in der gebotenen Kürze in den Blick zu nehmen sind.

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