Klaus Ulsenheimer

Arztstrafrecht in der Praxis


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nach einer Sportverletzung am rechten Kniegelenk in Allgemeinnarkose operiert und nach einem komplikationslosen Operations- und Anästhesieverlauf im Aufwachraum an den Monitor angeschlossen, wo ein erfahrener Pfleger für ihre Überwachung zuständig war.

      Da die Patientin über heftige Schmerzen im Wundbereich klagte, erhielt sie vom zuständigen Pfleger zunächst 5 mg Morphin und 45 Minuten später wegen wiederkehrender Unruhe und weiterhin starker Schmerzen erneut, verteilt über einen Zeitraum von einer Stunde, von einem anderen Pfleger je 10 mg Morphin, insgesamt also in knapp zwei Stunden 35 mg Morphin. 35 Minuten nach der letzten Morphingabe schlug der Blutdruckmonitor Alarm; es kam zu einem Atem- und Kreislaufstillstand und schließlich zum Tod der Patientin. Das Pulsoxymeter hatte aus nicht geklärter Ursache keinen Alarm gegeben.

      Der Gutachter erhob aber auch gegen den Chefarzt der Abteilung einen Vorwurf, da Opiate als Wiederholungsdosen vom Assistenzpersonal stets nur nach Rücksprache mit einem Arzt gegeben werden dürften. Insoweit fehle hier angesichts des selbstständigen Tätigwerdens der Pflegekräfte eine klare organisatorische Regelung mit entsprechenden Hinweisen und Pflichten für die nichtärztlichen Mitarbeiter.

      (2) Die sekundären Sorgfaltspflichten des Chefarztes

      280

      (3) Der Vertrauensgrundsatz bei ärztlicher Zusammenarbeit im Über- und Unterordnungsverhältnis

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      282

      Beispiel:

      Im konkreten Fall hatte ein Assistenzarzt unter Assistenz und Kontrolle des Oberarztes bei einem Patienten eine laparoskopische Cholezystektomie durchgeführt und dabei fehlerhaft den distalen Hauptgallengang mit einem Clip verschlossen und sehr wahrscheinlich den proximalen Anteil durch die Operation mit dem elektrischen Haken thermisch geschädigt. Da infolge einer Nekrose Gallenflüssigkeit in das freie Abdomen gelangte, kam es in den nächsten Tagen zu vielfältigen Komplikationen und schließlich zu einem Multiorganversagen mit tödlichem Ausgang.

      (a) Oberarzt – Stationsarzt

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      Beispiel:

      Gegen 16.30 Uhr war nach Ende des Tagdienstes der Patient stationär im Krankenhaus aufgenommen worden, um eine unbekannte Blutungsquelle zu finden und zu beseitigen. Der rufbereite Oberarzt hatte den Dienst habenden Arzt angewiesen, „einen Beobachtungsbogen zur Kreislaufüberwachung anzulegen, Puls und Blutdruck halbstündlich zu kontrollieren, einen venösen Zugang zu legen, Blutkonserven zu bestellen und bestimmte gerinnungsfördernde Mittel zu verabreichen“ sowie alle Veränderungen im Befinden des Patienten sofort mitzuteilen. Dennoch unterließ es der Assistenzarzt, den Oberarzt von der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Patienten im Laufe der Nacht zu