objektive Pflichtwidrigkeitszusammenhang (Zurechnungszusammenhang) zwischen der Sorgfaltspflichtverletzung und dem Erfolg besteht. Dies ist vorliegend in zweifacher Hinsicht fraglich:
a) Denkbar wäre die Verneinung eines Pflichtwidrigkeitszusammenhangs unter Hinweis darauf, dass S die Klinik möglicherweise ohne die Ausgangsgenehmigung wegen der unzureichend gesicherten Fenster hätte verlassen und in der Folge die Tötungen hätte begehen können. Dies hatte die Ausgangsinstanz tatsächlich so angenommen. Zu Recht wendet sich jedoch der BGH gegen diese Auffassung, da das pflichtgemäße Verhalten der Angeklagten, d. h. die Untersagung des Ausgangs, nur mit solchen hypothetischen Geschehensverläufen in Verbindung gesetzt werden dürfe, die der konkreten Tatsituation zuzurechnen sind. Der Ausbruch sei ein völlig anderer Kausalverlauf, der eines außerhalb des Tatgeschehens liegenden autonomen Willensentschlusses bedurft hätte. Es darf also nur das rechtswidrige Verhalten durch ein rechtmäßiges Verhalten ersetzt werden, nicht aber ein völlig neuer Kausalverlauf an dessen Stelle hinzugedacht werden. Die Zurechenbarkeit scheitert also nicht am Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens.[100]
b) Darüber hinaus würde ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu verneinen sein, wenn die vorsätzliche Tat des S eine fahrlässige Täterschaft von A und B von vornherein ausschließt.
aa) Nach der früheren Regressverbotslehre[101] soll die aus freiem Entschluss vollzogene Handlung ihrerseits keine Ursache haben können, da sie sonst nicht frei wäre. Somit beginne der Kausalverlauf immer mit dem letzten freien Akt, sodass es unzulässig sei, über den vorsätzlichen (Zweit-)Handelnden hinaus auf den fahrlässigen (Erst-)Handelnden Rückgriff zu nehmen. Die Haftungssperre bezieht sich nach dieser Ansicht allein auf den Kausalverlauf.[102]
bb) Anderer Ansicht ist die heute h. M., derzufolge keine Unterbrechung eintritt, wenn die fahrlässig gesetzte Gefahr die vorsätzliche Handlung erst ermöglicht und die Zweithandlung sich noch im Rahmen des Vorhersehbaren hält.[103]
cc) Nach einer von Roxin begründeten und auf dem Vertrauensgrundsatz basierenden vermittelnden Auffassung[104] bleibt der Zurechnungszusammenhang für den Ersttäter dagegen nur dann bestehen, wenn der Erstveranlasser die Tatgeneigtheit des Zweithandelnden erkennen konnte. Vorliegend wäre auch nach dieser Auffassung eine Zurechnung des Todes der Opfer zur Person von A und B anzunehmen, weil die Tatgeneigtheit des S im gegebenen Fall erkennbar war (die Ärztin hatte gewarnt!).
dd) Stellungnahme: Der h. M. ist Recht zu geben. Die Regressverbotslehre, aber auch die vermittelnde Auffassung schränken die strafrechtliche Haftung für den Erfolg zu sehr ein. Entscheidend muss nämlich sein, ob die vom Ersthandelnden geschaffene Gefahr noch im Erfolg weiterwirkt und zur Beantwortung dieser Frage darf nicht nur auf (mögliche) Kenntnisse des Ersthandelnden abgestellt werden, sondern es muss primär der Schutzzweck der Sorgfaltsnorm berücksichtigt werden.[105] Die Lehre von der Tatgeneigtheit kommt vorliegend deshalb zum richtigen Ergebnis, weil es gerade der Schutzzweck des BbgPsychKG ist, dass erkennbar tatgeneigte Personen nicht in die Gemeinschaft entlassen werden. Dies muss aber nicht immer so sein (so ist etwa auch der Bauherr, der Brandschutzvorschriften nicht einhält, wegen § 222 StGB strafbar, wenn ein vorsätzlicher Brandstifter einen Brand legt und Hausbewohner u. a. wegen der Missachtung der Brandschutzvorschriften zu Tode kommen; der Grund hierfür liegt darin, dass Brandschutzvorschriften unabhängig von einer erkennbaren Brandstiftungsneigung Dritter eingehalten werden müssen!). Jedenfalls dient vorliegend das BbgPsychKG dazu, signifikanten und erkennbaren Risiken für die Bevölkerung vorzubeugen und verfolgt dabei auch und gerade den Schutzzweck, vorsätzliche Taten gefährlicher Straftäter zu verhindern. Es kann insofern kein Vertrauen auf die Nichtrealisierung von Gefahren geben, deren Schaffung das Gesetz gerade verbietet und die sich innerhalb des Schutzzwecks der Norm bewegen.[106]
Zwischenergebnis: A und B ist der Tod der beiden Opfer daher zurechenbar.
5. Rechtfertigungs- und Schuldausschließungsgründe sind nicht ersichtlich, insbesondere waren A und B nach ihren persönlichen Fähigkeiten in der Lage, der Gefahrenwarnung der Klinikärztin weiter nachzugehen.
6. Ergebnis: A und B sind nach § 222 StGB strafbar wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen.
Hinweis: Roxins vermittelnde Auffassung birgt jedenfalls die zutreffende und wichtige Erkenntnis, dass eine erlaubte Gefahr durch tatsächliche bzw. mögliche Kenntnisse zu einer unerlaubten werden kann.
Beispiel: A schickt B zum Spazierengehen (erlaubt). Zur unerlaubten Gefahrschaffung wird diese Aufforderung aber, wenn A weiß, dass auf dem Spazierweg der Mörder für B lauert.
II. Klausurprüfungsreihenfolge
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Merke: Zurechnungsprobleme sind immer im objektiven Tatbestand abzuhandeln und zwar nach der Feststellung, dass der Erfolg eingetreten ist. Im Einzelnen ist dabei wie folgt vorzugehen:
Objektiver Tatbestand
a) Eintritt des tatbestandlichen Erfolges
b) Fraglich ist, ob der Täter für den Erfolg kausal geworden ist → Äquivalenztheorie und Subsumtion. Hier: Begriffe wie hypothetische Kausalverläufe, alternative Kausalität, kumulative Kausalität, überholende Kausalität bringen.
c) Problematisch ist, ob über diese zu einem regressus ad infinitum führende Kausalität im faktischen Sinne hinaus auch eine rechtliche Zurechnung gegeben ist. Eine derartige rechtliche Zuordnung ist nur dann zu bejahen, wenn die Handlung des Täters im konkreten Erfolg auch rechtlich wirksam geworden ist. Dabei wird die Haftung für einen Erfolg immer vermittelt durch die Haftung für die Gefahr, auf der er beruht, sodass zu fragen ist, ob der Täter eine unerlaubte Gefahr für das Rechtsgut geschaffen oder erhöht hat, die sich im (typischen) Erfolg realisiert hat. (Gegebenenfalls ist hier bei der Schaffung und Erhöhung der Gefahr das Stichwort Risikoverringerung, bei der Frage der Unerlaubtheit im Hinblick auf den Erfolg das Stichwort der rechtlich irrelevanten Gefahr bzw. des Schutzzwecks der Norm, einschließlich freiverantwortlicher Selbstgefährdung, und im Rahmen der Realisierung der konkreten Gefahr die Stichworte des rechtmäßigen Alternativverhaltens und der Verantwortungsverschiebung auf Dritte unterzubringen.)
Achtung: In der Klausur ist diese Prüfungsreihenfolge strikt einzuhalten. Die objektive Zurechnung darf erst nach Bejahung der Kausalität untersucht werden. Erscheint eine Information im Sachverhalt im Rahmen der objektiven Zurechnung relevant, so ist stets zuvor eine sehr gründliche Kausalitätsprüfung vorzunehmen. Denn es ist durchaus möglich, dass die Strafbarkeit des Täters bereits an der Kausalität seines Verhaltens scheitert. Daher gilt: Vor Prüfung der objektiven Zurechnung lohnt sich ein Blick zurück zur Frage der Kausalität, selbst wenn diese auf den ersten Blick gegeben zu sein scheint. Die Frage: „Wäre der konkrete Erfolg ohne die Handlung wirklich vermieden worden?“ muss daher sicherheitshalber immer gestellt werden.
Auf diese Weise lassen sich grundsätzlich alle Fälle zumindest sauber und vertretbar lösen, wenngleich man selbstverständlich stets auf Besonderheiten im Einzelfall zu achten hat. Das zeigt nochmals folgendes abschließendes
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Beispiel: A schlägt ihrem Ehemann B in Tötungsabsicht dreimal mit einer gusseisernen Bratpfanne auf den Kopf und entfernt sich anschließend. Danach schlägt ihre Tochter T mindestens noch einmal auf den Kopf des B ein. Später kommt die A zurück und schlägt noch einmal mit der Pfanne auf Bs Kopf ein. Welcher der Schläge zum Tod führte, lässt sich nicht mehr feststellen. Strafbarkeit von A und T nach § 212 StGB, wenn diese völlig unabhängig voneinander handelten? (Bratpfannen-Fall, abgewandelt nach BGH NJW 1966, 1823)
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Lösung: Die Handlung von A kann nicht