davon auszugehen,[1140] dass ein Arzt die Heilung oder zumindest Verbesserung des Gesundheitszustandes seiner Patienten (bzw. im Rahmen einer „Schönheitsoperation“ die fachgerechte Umsetzung der Patientenwünsche) beabsichtigt, mithin das genaue Gegenteil einer Schädigung im Sinne hat.[1141] Er will normalerweise seine Patienten nicht an ihrer Gesundheit schädigen, sondern ihnen helfen. Dennoch von ihm bewirkte vermeidbare Patienten-Schädigungen werden zumeist auf mangelnder Erfahrung und mangelndem Wissen, vielleicht auch auf mangelnder Prüfung der Sachlage, nicht aber auf einer wissentlichen und willentlichen Zufügung gesundheitlicher Nachteile beruhen.[1142]
2. Eventualvorsatz
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Nach der – hier nicht weiter zu diskutierenden[1143] – Rechtsprechung handelt derjenige mit Eventualvorsatz, der „den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Ziels willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein; bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.“[1144]
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Wesentlich ist in diesem Zusammenhang, dass dieses „Billigen im Rechtssinne“ keine positive Gefühlseinstellung des Täters zum Erfolg verlangt, sondern auch dann vorliegen kann, wenn dem Täter der eingetretene Erfolg an sich unerwünscht ist.[1145] Da mithin kein als Zustimmung begreifbarer psychischer Sachverhalt zum Ausdruck gebracht wird,[1146] ergibt das von der Rechtsprechung nach wie vor formelhaft herangezogene „Billigen“ keinen rechten Sinn. Sachentsprechend wird deshalb in der Literatur (sog. Ernstnahmetheorie)[1147] für den dolus eventualis gefordert, dass der Täter sich um des erstrebten Ziels willen mit der – ernsthaft für möglich gehaltenen – Tatbestandsverwirklichung abfindet; bewusst fahrlässig handelt hingegen, wer ernsthaft darauf vertraut, eine für möglich erkannte Tatbestandsverwirklichung werde nicht eintreten. Hiermit wird terminologisch klargestellt, dass – so ja im Ergebnis auch die Rechtsprechung – eine positive emotionale Beziehung des Täters zur Tatbestandsverwirklichung nicht erforderlich ist.
3. Rechtspraktische Problematik[1148]
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Diese liegt auch im arztstrafrechtlichen Bereich in der nicht zu leugnenden Schwierigkeit, die als solche nicht feststellbaren inneren Tatsachen sowohl hinsichtlich des voluntativen als auch des kognitiven Vorsatzelements im Strafverfahren anhand von Indizien beweiskräftig festzustellen.[1149] In die hierfür notwendige Gesamtschau aller Umstände, die für oder gegen die Annahme des Eventualvorsatzes sprechen,[1150] ist im Fall von Tötungsdelikten nach der Rechtsprechung auch die im Verhältnis zur bloßen Verletzung höhere Hemmschwelle gegenüber einer Tötung einzubeziehen:[1151] Ein Schluss von der objektiven Gefährlichkeit einer Handlung auf bedingten Tötungsvorsatz ist zwar grundsätzlich möglich, aber durch Einzelfallumstände eben auch widerlegbar.
a) Arztstrafrechtliche Verfahren
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Hier steht einem Tötungsvorsatz die auf Heilung (bzw. „Verbesserung“ i.Z.m. wunscherfüllender Medizin) gerichtete Motivation zunächst einmal diametral entgegen.[1152] Auch bei medizinisch grob fehlerhaftem Verhalten des Arztes wird die Annahme, dass die Art und Weise der Behandlung eines Patienten durch einen Arzt nicht am Wohl des Patienten orientiert war, häufig fern liegen, so dass die ausdrückliche Erörterung der Frage, ob der Arzt den Patienten vorsätzlich an Leben oder Gesundheit geschädigt hat, nur unter besonderen Umständen geboten ist.[1153] Derartige Konstellationen sind insbesondere dann denkbar, wenn ein Arzt die zur Rettung seines Patienten gebotene Einschaltung anderer Personen deshalb unterlässt, weil er vorangegangene schwere Behandlungsfehler zu verbergen trachtet.[1154] Liegen entsprechende Fehlleistungen vor, legt der Arzt bei erkannter Lebensgefahr für seinen Patienten gar ein Verhalten an den Tag, mit dem er zum Ausdruck bringt, notfalls „auch über Leichen voranzuschreiten“,[1155] dann ist die richterliche Feststellung bedingten Tötungsvorsatzes, die ja weniger ein psychologischer Erkenntnis- als vielmehr ein normativer Zuschreibungsakt ist,[1156] auch im Arztstrafrecht möglich. Bei bewusstem Eingehen eines hohen Risikos durch einen Arzt, dem hierbei erhebliche Sorgfaltspflichtverletzungen unterlaufen, kann ein richterlicher Schluss, dass beim Arzt dolus eventualis vorlag, durchaus naheliegend sein.[1157]
b) Indizien
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Auf ein gegenläufiges Indiz weisen Lindemann/Wostry[1158] zurecht hin, nämlich die Etablierung organisatorischer Strukturen zur Schadensvermeidung und deren jedenfalls grundsätzliche Einhaltung durch den Arzt. Dies gibt im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung Anlass, dieser gegen die Annahme von dolus eventualis sprechenden Gegenanzeige nachzuspüren: Hält sich der Arzt nämlich weitgehend an diese auf Vermeidung haftungsrechtlicher Folgen abzielenden (Compliance-)Vorgaben, so liegt es nahe anzunehmen, dass sein Verhalten darauf abzielte, einen patientenschädlichen Erfolg zu vermeiden. Entsprechendes gilt bei Befolgen des „Behandlungsprogramms“, das in einer aktuellen Leitlinie dokumentiert ist. Entsprechen diese Vorgaben dem anerkannten ärztlichen Standard, so kann ein diese Vorgaben grundsätzlich befolgender Arzt auch bei riskantem Verhalten, das die Grenzen des vom Facharztstandards umrissenen erlaubten und in den genannten Vorgaben korrekt umschriebenen, Risikos – von ihm auch erkannt – partiell überschreitet, durchaus berechtigt auf das Ausbleiben der Patientenschädigung vertraut und damit unvorsätzlich gehandelt haben.
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Umgekehrt liegt die Annahme einer für die Annahme des dolus eventualis von der Rechtsprechung geforderten „Billigung des Erfolges“ beweisrechtlich nahe,[1159] wenn der Täter sein Vorhaben trotz äußerster Gefährlichkeit durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, oder er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht.[1160] Bei derart tatsachenfundierter Gefahreneinschätzung[1161] vermag auch die vage Hoffnung, jene Gefahr würde sich wider Erwarten nicht verwirklichen, alles würde schon „gut gehen“, den dolus eventualis nicht auszuschließen; mit anderen Worten: Was einem die Vernunft sagt, kann nicht durch bloßes Gottvertrauen verdrängt werden.[1162] Es ist aber insoweit stets eine tatrichterliche Gesamtabwägung unter Einbeziehung der Handlungsziele des Täters erforderlich.[1163] Kann im Einzelfall dann ausnahmsweise einmal bedingter Tötungsvorsatz festgestellt werden, so liegt im Übrigen auch eine Prüfung von Mordmerkmalen nahe.[1164]
4. Vorsätzliche Körperverletzung durch Unterlassen
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Im Gegensatz zu den sicherlich selten Ärzten zur Last zu legenden vorsätzlichen Tötungsdelikten[1165] (durch Unterlassen) dürften in der Praxis hingegen Fallgestaltungen durchaus anzutreffen sein, die zu einer zumindest billigend in Kauf genommenen Körperverletzung des Patienten führen. Zu denken ist insoweit namentlich an den Bereich einer möglichen und auch rechtlich gebotenen Schmerzbekämpfung:[1166] Unterlässt der behandelnde Arzt die gebotenen Maßnahmen zur Schmerzlinderung, so verwirklicht er durch sein Untätigbleiben den Tatbestand einer vorsätzlichen Körperverletzung durch Unterlassen (§§ 223, 13 StGB).[1167] Paradigmatisch ist insoweit ein von Ulsenheimer/Gaede mitgeteilter (hier abgekürzter) Sachverhalt anzuführen,[1168] bei dem ein Strafverfahren wegen vorsätzlicher Köperverletzung durch Unterlassen letztendlich[1169] mit einer Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO beendet wurde: Ein Gynäkologe hatte bei einer Saugkürettage trotz entsprechender Hinweise der Patientin eine zu geringe Anästhesie-Dosis eingesetzt, so dass sie nicht unerhebliche Schmerzen zu ertragen hatte. Eher selten dürften hingegen Fallgestaltungen