Bernd Heinrich

Handbuch des Strafrechts


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allerdings sukzessive von der zunehmenden Grundrechtsmündigkeit des heranwachsenden Minderjährigen überlagert (vgl. Rn. 79).

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      Erwähnenswert ist überdies die Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCP-Verordnung). Der Zweck dieser Verordnung, die in Umsetzung der EU-Richtlinie 2001/20/EG entstanden ist[65] und ihre Rechtsgrundlage in § 42 Abs. 3 AMG findet, besteht nach § 1 Abs. 1 GCP-V darin, die Einhaltung der guten klinischen Praxis bei der Planung, Durchführung und Dokumentation klinischer Prüfungen am Menschen und deren Berichterstattung sicherzustellen, um so zu gewährleisten, dass die Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen der betroffenen Person geschützt werden und die Ergebnisse der klinischen Prüfung glaubwürdig sind. Bei klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln, die aus einem gentechnisch veränderten Organismus oder einer Kombination von gentechnisch veränderten Organismen bestehen oder solche enthalten, ist darüber hinaus gemäß § 1 Abs. 2 GCP-V der Schutz der Gesundheit nicht betroffener Personen und der Umwelt in ihrem Wirkungsgefüge bezweckt. Zum Wegfall der GCP-Verordnung mit der Geltungserlangung der VO (EU) 536/2014 vgl. bereits oben Rn. 13.

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      Weitere gesetzliche Regelungen zu Einzelfragen der medizinischen Forschung finden bzw. fanden sich (in der Vergangenheit) im Medizinproduktegesetz (nunmehr: Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz[66]) sowie im Strahlenschutzgesetz und in der Strahlenschutzverordnung. Das Berufsrecht der Ärzteschaft widmet sich der medizinischen Forschung in § 15 MBO-Ä (bzw. in den entsprechenden Bestimmungen der Berufsordnungen der Landesärztekammern).

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      Begibt sich der Arzt mit einer Behandlungsmaßnahme auf medizinisches Neuland, so zieht der versuchsweise Charakter des ärztlichen Handelns mehr oder weniger ausgeprägte Modifikationen der (grundsätzlich weiterhin anwendbaren) allgemeinen Regeln nach sich, denen die rechtliche Bewertung ärztlicher Heileingriffe unterliegt. Phänomenologisch kann dabei sowohl nach dem dominierenden Handlungszweck als auch nach dem erwarteten Nutzen der Behandlung für den von ihr Betroffenen differenziert werden: Neben den Heilungszweck, der auch bei der versuchsweisen Behandlung kranker Personen stets im Vordergrund stehen sollte,[67] kann ein Interesse des behandelnden Arztes (oder Dritter, z.B. eines Pharmakonzerns) an der systematischen Gewinnung empirischer Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf und die Wirkungen der eingesetzten Medikamente treten. Sodann kann die Versuchsbehandlung[68] zum einen für den von ihr Betroffenen einen unmittelbaren Nutzen versprechen, zum anderen aber auch lediglich – vermittelt über den angestrebten Erkenntnisgewinn – Hilfe für die Gruppe der einschlägig Erkrankten verheißen (wobei der Studienteilnehmer wiederum Teil dieser Gruppe, aber auch ein gänzlich unbelasteter Gesunder sein kann). Je nachdem, welche Zwecksetzung und welches Nutzenkalkül der Versuchsbehandlung zugrunde liegt, können unterschiedliche Gefährdungslagen für Patienten bzw. Probanden entstehen, welche der rechtlichen Einhegung bedürfen. Auf die mit den vorstehend skizzierten Unterscheidungen verbundenen rechtlichen Konsequenzen ist daher im Folgenden näher einzugehen; zuvor bedarf es jedoch noch einer weiteren Präzisierung der begrifflichen Abgrenzung.

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      Mit Blick auf den der Versuchsbehandlung zugrunde liegenden Handlungszweck bietet sich eine Unterscheidung zwischen Heilversuch und Forschungseingriff an; darüber hinaus ist der Heilversuch von der medizinischen Standardbehandlung abzugrenzen.[69]

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      Der Heilversuch unterscheidet sich von der Standardbehandlung nicht durch die Ungewissheit der Heilungschancen, die insbesondere auch risikoträchtigen Standardtherapien immanent ist.[70] Für die Abgrenzung ist vielmehr ausschlaggebend, ob der Arzt lediglich den Standard[71] nachvollzieht, oder ob er sich auf medizinisches Neuland begibt und damit gleichsam eine Weiterentwicklung des heutigen Standards betreibt.[72] Erfolgt die gewählte Behandlung auf einer empirisch hinreichend gesicherten Grundlage, basiert sie auf medizinischer Erfahrung und erfreut sich professioneller Akzeptanz, so ist von einer medizinischen Standardbehandlung auszugehen.[73] Fehlt es an einem dieser Merkmale, handelt der Arzt versuchsmäßig (was allerdings nichts daran ändert, dass auch der dann gegebene Heilversuch rechtlich als ärztliche Behandlung einzuordnen ist).[74]

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      Im Rahmen der Versuchsbehandlung kann weiter zwischen Heilversuchen und Forschungseingriffen differenziert werden.[75] Beide weichen vom Standard der ärztlichen Versorgung und Behandlung ab; sie unterscheiden sich jedoch in der ihnen zugrunde liegenden Zwecksetzung: Der Heilversuch ist auf die Erkennung, Heilung oder Verhütung pathologischer Zustände ausgerichtet und behält damit den Charakter als ärztliche Behandlungsmaßnahme, die den Regelungen zum ärztlichen Heileingriff unterliegt.[76] Demgegenüber zeichnet sich der Forschungseingriff durch Merkmale des Experiments – z.B. Zielgerichtetheit, Planmäßigkeit und Standardisierung[77] – aus; er dient (auch oder sogar ausschließlich) der Gewinnung neuer Erkenntnisse und bedarf aus diesem Grunde einer eigenständigen Rechtfertigung.[78]

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      Während für beide Formen der Versuchsbehandlung neben der Einwilligung des aufgeklärten Betroffenen (sog. informed consent)[79] ein angemessenes Verhältnis zwischen eingriffsspezifischen Risiken und dem in Aussicht stehenden Nutzen zu fordern ist,[80] erfahren diese Anforderungen in den für Forschungseingriffe einschlägigen Regelungen Modifikationen und Ergänzungen, die dem zusätzlichen Legitimationsbedarf dieses Eingriffstyps Rechnung tragen. Die vorstehend skizzierte Unterscheidung schlägt sich im Übrigen auch in der Terminologie nieder: Während derjenige, der sich einem Forschungseingriff unterzieht, als Proband bezeichnet wird, verwendet man für die Person, die an einem Heilversuch teilnimmt, weiterhin den Begriff des Patienten.[81] Darüber hinaus wird der mit einem unmittelbaren Eigennutzen für den erkrankten Teilnehmer verbundene Forschungseingriff als therapeutisches oder heilkundliches Experiment und der ausschließlich fremdnützige Forschungseingriff als (rein) wissenschaftliches Experiment bezeichnet.[82] Die Unterscheidung zwischen Heilversuchen und Forschungseingriffen ist anhand objektivierbarer Kriterien vorzunehmen; dabei sprechen für die Annahme eines Forschungseingriffes die Charakteristika wissenschaftlichen Arbeitens wie etwa die Planung und Auswertung einer größeren Anzahl an Behandlungen, eine statistische Auswertung der Ergebnisse, die Finanzierung durch kommerzielle oder nicht-kommerzielle Institutionen sowie eine Vergleichsgruppenbildung.[83]

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      In der Rechtswirklichkeit dürfte eine Versuchsbehandlung allerdings eher selten eindeutig als Heilversuch oder als Forschungseingriff einzuordnen sein; stattdessen dominieren Mischformen verschiedener einander überlagernder bzw. ergänzender Zwecksetzungen.[84]