Valentina Gass

Das glück ist nah


Скачать книгу

einen Aktionsplan schreiben. Und Sie werden diesen befolgen. Aber versprechen Sie mir zuerst, dass Sie eine innere Entscheidung getroffen haben. Und Sie weichen nicht davon ab, bis sie glücklich sind”.

      – « Wow. Gleich so?”

      – “Es geht nur so. Ich sehe, wie viele würdige Menschen sich des gewöhnlichen Glücks berauben. Aus verschiedenen Gründen, aber meistens – wegen ihres eigenen Missverständnisses der Möglichkeiten. Da Sie mir vertraut haben, möchte ich Ihnen helfen. Oder besser gesagt, alles so machen, dass Sie sich selbst helfen”.

      – “Und was soll ich machen?”

      – “Jetzt – versprechen sie mir, ein neues Leben zu beginnen. Egal wie pathetisch es klingen mag. Und machen Sie sich gleich bereit – Sie werden in naher Zukunft viele Versprechungen machen müssen. Und vor allem, Sie müssen sie auch erfüllen. Wird gegen diese Bedingung verstoßen, wird unser gemeinsames Vorhaben aufgelöst – denken Sie immer daran!”

      – “Irgendwie ungewöhnlich. Seltsam”.

      – “Keine Angst, Lin. Entscheiden Sie sich”.

      – “Naja..wahrscheinlich. Ich verspreche es”.

      – “Ich höre die Härte in Ihrer Stimme nicht”.

      – “Ich…” Linda räusperte sich, ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. -“Ich verspreche es”, sagte sie klar und laut.

      Onkel Gi nickte und grinste zufrieden.

      – “Ich verlasse jetzt das Büro”, sagte er. – “Ich werde Sie alleine lassen. Und Sie rufen ihre Schwester an”.

      – “Oh Gott”, sagte Linda erschrocken.

      – “Wozu denn? Was soll ich ihr…”

      – “Überlegen Sie, was Sie ihr sagen werden… Oder verlassen Sie sich auf Inspiration, vielleicht finden Sie selbst die richtigen Worte”.

      Onkel Gi stand auf, lehnte sich an den Tisch und ging mit einem aufmunternden Lächeln an der verwirrten Linda vorbei zum Ausgang. Sekunden später klickte der Verschlussriegel. Linda war allein in dem großen Büro.

      – “Lin… sprich, ich kann dich nicht hören!… Irgendwas mit der Verbindung! Lass mich dich zurückrufen!”

      – “Nein! Ich bin nur… still”.

      – “Lin!”

      – “Ira, ich… ich weiß nicht, wie ich es sagen soll”.

      – “Was ist los mit dir?”

      – “Ich, wahrscheinlich… Ich habe mich geirrt, Ira. Total geirrt. Aber es ist nicht wichtig. Ich kann dir heute kein Geld geben. Und ich werde es wahrscheinlich morgen nicht können. Ich wurde betrogen. Aber ich werde es dir zurückgeben, ich werde sparen und es zurückgeben, hörst du?”

      – “Ich höre, ich höre. Ja, es ist keine Tragödie. Lass die Schulden, Schulden sein. Deine Stimme klingt komisch, mir kommt es vor als wäre sie etwas düster”.

      – “Es ist einfach alles viel zu viel im Moment. Kannst.. kannst du wirklich warten?”

      – “Kein Problem, Schwesterchen. Ich kann so lange warten, wie lange es eben dauern wird. Vor allem, wenn es uns hilft, zumindest eine gewisse Kommunikation aufzubauen””.

      – “Willst du das wirklich?”

      – “Natürlich! Wir sind doch Schwestern! Warum leben wir wie zwei Fremde?!”

      – “Weiß nicht”.

      – “Und ich weiß es nicht!”

      – “Tut mir leid, dass ich mich einmische, aber Mutter hat mir erzählt, dass du und Maya große… Meinungsverschiedenheit habt”.

      – “Maya befindet sich mitten in der Pubertät”.

      – “So wie ich dich kenne, glaube ich nicht, dass es nur das ist. Ihr seid beide prinzipientreu. Ich mache mir Sorgen um sie. Und natürlich auch um dich”.

      – “Geht schon vorbei”.

      – “Und wenn nicht, Lin? In diesem Alter muss man auf sie aufpassen. Und, wenn Maya ihre Großmutter nicht angelogen hat, redet ihr nicht mal miteinander”.

      – “Die kleine Schlange”.

      – “Lin, Liebes, erinner dich mal an uns in ihrem Alter. Wie zickig wir waren. Ja, aber jetzt hat sich die Welt verändert. Du kannst nicht alles von selbst laufen lassen”.

      – “Und was schlägst du vor?”

      – “Sprecht euch aus. Versucht, einander zu verstehen. Du bist doch Mutter, Lin. Sei klüger, mach den ersten Schritt… Weißt du was! Ich habe eine Idee. Wenn du mit Maya wieder verstehst, brauchst du die Schulden bei mir nicht zu begleichen. Kauf ihr von diesem Geld modische Klamotten. Ein Geschenk von ihrer Tante. Aber versprich mir, dass ihr miteinander reden werdet und versucht, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Versprochen?”

      “… du wirst in nächster Zeit viel versprechen müssen!” – Linda erinnerte sich an die letzten Worte ihres neuen “Mentors” und sagte laut:

      – “Ja, Ira, ich verspreche es. Man könnte sagen, ich schwöre es feierlich”.

      – “Super, das freut mich. Und nach all dem, könnten wir uns doch irgendwo treffen und ein Eis essen gehen.”

      – “Machen wir”.

      – “Wunderbar! Nun, bis dann. Und grüß Maya!”

      Linda legte auf und setzte sich etwas bestürzt in einen weichen Sessel; Während des Gesprächs ging sie ängstlich im Büro umher.

      “Was war das denn jetzt? dachte sie verwirrt. “Wirklich…”

      Die Tür öffnete sich langsam und Onkel Gi erschien auf der Schwelle.

      Energisch ging er zum Tisch und warf dem Gast einen flüchtigen Blick zu.

      – “Und wie lief es?” fragte er, als er sich auf seinen Platz setzte. – “Hat es funktioniert?”

      Linda sah ihn verwirrt an. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, also nickte sie nur.

      – “Was habe ich gesagt”, sagte Herr Bayer zufrieden. -“Dann lassen Sie mich Ihnen die nächsten Punkte unseres Plans vorlesen…”

      Krieg und Frieden

      Linda kehrte in einer Art halbtauben Zustand nach Hause zurück. Mehr als einmal ertappte sie sich bei dem Gedanken, dass das alles gar nicht mit ihr passiert. Als würde sie sich von der Seite betrachten, wie eine Schauspielerin auf der Bühne. Allerdings ist die Schauspielerin nicht sehr talentiert, da sie den Text ständig vergisst.

      Ich muss mich zusammenreißen, dachte Linda. “Das ist längst überfällig. Aber – einfacher gesagt, als getan!”.

      Sie betrat ihre Wohnung mit der festen Absicht, ein Gespräch von Herz zu Herz mit Maya zu führen. Sie hatte keine Zweifel, dass sie den ersten Schritt tun und ihre Tochter zu einem schwierigen Gespräch bringen könnte. Immerhin ist sie die Mutter. Und eine echte Mutter. Weil sie sich ernsthaft Sorgen um das Schicksal ihres Kindes macht.

      Aber natürlich war Maya nicht zu Hause: Wo hat man gesehen, dass ein vierzehnjähriger Teenager abends in seinem Zimmer sitzt? Linda hat sie nicht angerufen – was würde ein Telefongespräch bringen? Sie fragte sie per SMS, wann sie kommt – Maya antwortete, dass sie gegen 10 zu Hause sei. Naja, immerhin. Immerhin hat sie geantwortet. Und Linda hatte es Ira versprochen. Und sie glaubte fest daran, dass das Versprechen gehalten werden muss. Natürlich nicht wegen der erlassenen Schulden. Überhaupt nicht wegen ihnen. Sondern um sich selbst zu beweisen, dass sie in ihrem Leben etwas wert ist. Auch in so einem zerlegtem Zustand.

      “Mama”, stöhnte sie. –