»Die mit dem Uhugesicht?« – »Ja.« – »So halte ich die Tochter für schlimmer als den Vater selbst.« – »Sie sind ein großer Physiognomiker! Aber kommen Sie! Wir werden sie überraschen, denn sie stehen mit dem Rücken jetzt gegen uns.«
Sie schritten auf die Gruppe zu, der Lord schnell, Sternau etwas langsamer.
»Ah, Mylord«, sagte Cortejo, als er den ersteren bemerkte, »welche Freude, Sie hier zu sehen! Haben Sie sich meinen Antrag überlegt?« – »Welchen?« – »Wegen der Hacienda del Erina?«
Lindsays Brauen zogen sich zusammen.
»Ich liebe es nicht, in Gesellschaften Geschäfte zu besprechen«, sagte er. »Übrigens muß ich zuvor wissen, ob die Hazienda wirklich Eigentum des Grafen Rodriganda ist.« – »Natürlich ist sie es!« – »Und Sie haben den Auftrag, sie zu verkaufen?« – »Ja.« – »Aber man sagt ja, der Besitzer sei Pedro Arbellez, dem die Hazienda nach dem Tod des Grafen Ferdinando zufallen mußte.« – »Das ist eine Unwahrheit, Mylord, ein leeres Gerede.« – »Nun, das wird sich finden, ich werde die Wahrheit ja bald erfahren.« – »Durch wen?« – »Durch einen Freund von mir, der sich nächstens nach der Hazienda begeben wird. Ich mache mir das Vergnügen, Sie ihm vorzustellen.«
Der Lord deutete mit der Hand nach rückwärts, wo Sternau stand, und sofort drehten sich Cortejo und seine Tochter nach demselben um. Der erstere trat schnell zwei Schritt zurück, ein starres Erstaunen breitete sich über seine Züge, und er rief:
»Der Herzog von Olsunna!«
Alle in der Nähe Stehenden blickten ihn höchst überrascht an. »Ach nein, das ist ja gar nicht möglich!« fügte er sich besinnend hinzu. »Aber welch eine ganz außerordentliche Ähnlichkeit!« – »Sie irren sich allerdings«, lächelte der Lord. »Dieser Señor ist mein Freund, Doktor Sternau.« – »Doktor Sternau?« fragte Cortejo, indem er sein Auge scharf und spitz über das Gesicht und die Gestalt des Deutschen gleiten ließ. Dann aber nahm seine Miene den Ausdruck der Gefälligkeit an, und er sagte: »Es ist eine Ehre für mich, Señor Sternau, Sie kennenzulernen. Sie sind, wie man mir bereits sagte, ein Deutscher?« – »Ja.« – »Ich liebe die Deutschen. Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen meine Tochter Josefa vorstelle.«
Sternau wechselte mit der Dame eine Verbeugung und wurde dann von ihr und ihrem Vater in die Mitte genommen und nach einer Bank geführt, die sich rund um das Zimmer zog. Dies geschah so auffällig, daß Sternau sogleich ahnte, daß ein Verhör beginnen werde. Er hatte sich nicht geirrt, denn kaum hatte er sich zwischen den beiden auf der Bank niedergelassen, so begann Cortejo:
»Ich höre, daß Sie nach der Hacienda del Erina wollen, Señor Sternau?« – »Vielleicht«, antwortete Sternau lakonisch, denn es war ihm außerordentlich unlieb, daß der Lord diese seine Absicht verraten hatte.
»Darf ich fragen, zu welchem Zweck?« – »Ich will Mexiko und seine Bewohner kennenlernen. Daher werde ich auch den Norden des Landes bereisen. Als dies der Lord erfuhr, bat er mich, mir die Besitzung del Erina einmal anzusehen, da es sein Wunsch war, sie anzukaufen.« – »Ach so!« meinte Cortejo befriedigt. »Ich habe in del Erina einen renitenten Pächter, der behauptet, die Hazienda sei ein Eigentum. Lächerlich! Wie es scheint, reisen Sie viel?« – »Allerdings.« – »Dann sind Sie zu beneiden!« sagte Josefa mit liebenswürdig sein sollender Miene. »Ein Mann, der vollständig Herr seiner Zeit ist, ist glücklich zu preisen. Welche Länder haben Sie bereits besucht, Señor Sternau?« – »Amerika, Afrika und einen Teil von Asien.« – »Und Europa?« – »Da bin ich geboren!« lächelte der Gefragte. – »Ja, richtig, das nennt so ein Weltläufer nicht eine Reise. Kennen Sie Frankreich?« – »Ja.« – »Vielleicht auch Spanien?« – »Ich war auch da.«
Josefa tauschte mit ihrem Vater einen schnellen Blick des Einverständnisses und sagte weiter:
»Spanien ist unser Mutterland, für das wir uns natürlich am meisten interessieren. Darf ich erfahren, welche Provinz oder Städte Sie kennen?«
Sternau nahm seine gleichgültigste Miene an und antwortete:
»Ich war nur kurze Zeit in diesem schönen Land. Ich bekam als Arzt einen Ruf zu einem Grafen Rodriganda, um ihn von einem Übel zu befreien.« – »Rodriganda? Ach, wissen Sie, daß dieser Graf auch hier Besitzungen hat?« – »Ja.« – »Und daß mein Vater Verwalter dieser Besitzungen ist?«
Sternau heuchelte ein sehr erstauntes Gesicht.
»Ach, ist das möglich, Señor Cortejo?« rief er. Und dann setzte er, wie sich besinnend hinzu: »Es gibt auch in Rodriganda einen Señor Cortejo. Sie sind vielleicht verwandt mit ihm?« – »Er ist mein Bruder.« – »Das freut mich sehr, Señor, denn ich bin mit Señor Gasparino sehr oft zusammengetroffen.« – »Er ist nicht sehr umgänglich.« – »Das habe ich nicht gemerkt. Wir haben uns im Gegenteil sehr gut kennengelernt.«
Josefa biß sich erzürnt auf die Lippe, denn sie verstand den Doppelsinn dieser Worte nur zu gut, dennoch sagte sie in ihrem freundlichsten Ton:
»Wollte Gott, Sie hätten unseren guten Grafen Emanuel retten können, Señor.« – »Ja, ich gäbe vieles, sehr vieles darum, Señorita.« – »Woran starb er? Ich glaube an einem unglücklichen Fall?« – »Ja, dieser Fall war allerdings ein sehr unglückseliger.«
Auch in diesen Worten lag ein Doppelsinn, den Cortejo und seine Tochter gar wohl verstanden.
»So haben Sie doch auch Gräfin Rosa kennengelernt?« forschte Josefa eifrig weiter. – »Gewiß. Sie ist jetzt meine Frau.«
Sternau war überzeugt, daß beiden dies bereits bekannt sei, trotzdem sie sich den Anschein der allerhöchsten Überraschung gaben.
»Was Sie sagen, Señor!« rief nämlich Cortejo, und Josefa fragte: »Ist das denn möglich?« – »Oh, der Liebe ist alles möglich, Señorita«, lächelte Sternau. »Man mag in Spanien allerdings etwas strenger auf die Abgeschlossenheit des Standes halten als in meinem Vaterland. Wir aber sind in letzterem vermählt worden.« – »So hat Condesa Rosa ihr Vaterland verlassen?« – »Ja.« – »Und Graf Alfonzo gab dies zu?« – »Er hat es nicht gehindert«, antwortete Sternau gleichgültig. »Sie kennen Graf Alfonzo auch?« – »Natürlich! Er war ja seit seiner frühesten Jugend bei uns in Mexiko.« – »Ja, wirklich, ich dachte nicht daran.« – »Es wurde uns geschrieben, daß Condesa Rosa gefährlich erkrankt sei.« – »Sie ist vollständig geheilt, Señorita. Aber entschuldigen Sie! Dort winkt mir Lord Lindsay. Er wird gewiß die Absicht haben, mich jemand vorzustellen.«
Sternau erhob sich, um sich zu entfernen, und die beiden standen gleichfalls auf.
»Das ist ein wunderbarer und sehr lieber Zufall, einen Señor hier zu treffen, der Rodriganda kennt«, sagte Cortejo dabei. »Würden Sie uns gestatten, Sie einmal bei uns zu sehen?« – »Ich stehe mit Vergnügen zu Gebote.« – »Oder Sie einmal bei Lord Lindsay zu besuchen?« fügte Josefa bei. »Ich bin glücklicherweise mit Miß Amy sehr eng befreundet.« – »Es soll mir ein Vergnügen sein, Sie bei mir zu sehen!«
Sternau verbeugte sich und entfernte sich. Vater und Tochter aber warteten, bis er ihren Augen entschwunden war, und dann sagte Josefa:
»Caramba, er war es!« – »Ja, er war es!« murmelte auch Cortejo. – »Hast du ihn genau betrachtet?« – »Sehr genau.« – »Nun?« – »Er ist ein Gegner, den man nicht unterschätzen darf.«
Josefa blickte ihren Vater fast verächtlich von der Seite an und antwortete:
»Den man nicht unterschätzen darf? Du sprichst eigentümlich. Ich sage dir, das ist ein Gegner, der allerdings vielleicht hundert Männern gewachsen ist, ob aber einem Weib, das soll und wird sich zeigen. Diese Gestalt, diese Stirn, dieses Auge! Jetzt begreife ich Rosa, daß sie ihn liebt! Wie ruhig er sprach! Und doch kennt er uns, doch weiß er alles, doch ist er in irgendeiner feindseligen Absicht nach Mexiko gekommen. Nun, er muß untergehen, es geht nicht anders, wenngleich er mir auch leid tut und ein Feind ist, für den man schwärmen könnte.« – »Du schwärmst ja bereits! Wie konntest du sagen, daß wir ihn besuchen wollen.« – »Glaubst du wirklich, daß er zu uns kommt? Wenn wir ihn ausforschen wollen, so müssen wir zu ihm.« – »Er wird zu uns kommen. Er sieht ganz