Various

Briefe an Ludwig Tieck 4


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hätten sonst wohl gar auch hören können, wie der erste Freiwillige von 1813 fünfunddreißig Jahre später mit splendiden Katzenmusiken bedacht worden wäre! Derselbe Steffens, der im Jahre 1809 als Professor in Halle die Idee der Universitäten jener napoleonischen Zwingherrschaft in den Bart geworfen.

      I

Tharand, d. 22. Jul. 1801.Theuerster Freund!

      Da das Wetter Ihnen kaum erlauben wird, sobald hier hinauszukommen, auch mir in Tharand gefangen hält, so muß ich nothwendig ein Mittel ersinnen, mir wenigstens, so gut es gehen will, von ihrem Treiben und von dem Befinden ihrer Familie kurze, jedoch gründliche Nachricht zu verschaffen. Ich kenne in der That nichts grausameres, als einen Mantel in solchem Wetter zu behalten, und schicke Ihnen daher den Ihrigen, mit dem verbindlichsten Dank (NB. Lebensart) zurück. – Auch drey Strausfedern folgen hiermit. Bitte mich gehorsamst ein paar Volksmärchen aus, welche richtig, nachdem ich sie consumirt habe, wieder zurückgeschickt werden sollen.

      Uebermorgen erhalten Sie einen cabbalistischen Aufsatz. Mein Genius hat mir wieder angesprochen und mir – wahrlich sonderbare Dinge von 1–2–3–5 aus 7 zu 3–7 aus 2 zu 5 – das vernünftige Decimal- und das mystische Duodecimalsystem entdeckt. Ich glaube, daß sie selbst sich ergözen werden über das Zählen der Natur – das bedeutender ist, als man glaubt. – Ich werde recht zum Schreiben getrieben und bin jetzt, natürlich, nur wenig gestört. Wie wünschte ich bey Ihnen zu seyn. – Vieles würde sich in Gesprächen leicht entwickelt, was mir jetzt entgeht. —

      Sie können – alle Tage – mit der Botenfrau, die diesen Brief bringt – ein paar Zeilen nach Tharand spediren. —

      Diesmahl bitte ich mir wirklich aus, daß Sie mir mit ein paar Zeilen schreiben: wie Sie und Ihre Familie sich befindet: ob Gustav noch krank ist.

      Grüßen Sie die Madem. Hanna, Dorothea, Elisabeth Reichard, und sagen Sie Ihr, daß mein Genius mich ihre Hand im Traume gezeigt hat, daß ich ihr ganzes zukünftiges Schicksal kenne und – daß Sie erstaunen wird – so wenig hilft es sich zu sträuben. – Ich freue mich darauf die Hände, die ich nicht sehen darf, wenigstens mit zugemachte Augen, küssen zu dürfen.

      Leben Sie wohl und grüßen Sie Ihre Frau recht sehr.

Steffens.

      II

Halle, d. 3. Junii 1802.Bester Freund!

      Ich muß Ihnen nothwendig von hier aus schreiben, und wähle dazu lieber einen jungen Menschen, der wenigstens nicht stören wird, wenn er einige Stunden in Ihrem Hause zubringt, und mancherley sagen kann, was zu schreiben zu weitläufig wäre. Die bewußte Sache, die ihm, wie ich glaube, unbekannt ist – (obgleich man hier in Halle feine Nasen zu haben scheint), erwähne ich nur, um Ihnen zu sagen – daß ich jetzt überaus glücklich bin. – In ein paar Tage reise ich weg, um Tag und Nacht nach Copenhagen zu eilen. Ich erwarte – wenigstens in Copenhagen ein paar Zeilen von Ihnen zu finden, um zu erfahren, wie Sie und Ihre Familie sich befindet. Sie werden mir verzeihen, wenn die neue Freude – die ich erst seit gestern kenne – mich verhindert weitläuftig zu seyn. Aus Hamburg schreibe ich einmahl einen Brief. Grüßen Sie Ihre Frau – Mamsel Alberti und Dorothea. Ich habe mir vorgesezt alles so in Ordnung zu bringen, daß ich in ein 5–6 Monathe wieder in Deutschland sein kann. Wie freue ich mich darauf, Sie und Ihre Familie dann wieder zu sehen. An den nordischen Sachen werde ich gleich Hand legen. Sie sollen mir in dem fremden Vaterlande in Ihre Gesellschaft bringen. Ihre Schwester und Bruder sind doch noch in Dresden – und kennen mich doch hinlänglich um einen Gruß von mir annehmen zu können?

      Verzeihen Sie mir die Verworrenheit des Briefes und leben Sie nochmahls wohl.

H. Steffens.

      Sie wissen wohl daß Fr. Schlegel die Aufführung des Alarcos noch abgewartet hat bey Goethe? – Der Teufel hole sonst die vornehme Art, mit welche man hier über Kunst urtheilt. – A. W. Schlegel ist wohl abgereist? Der Ueberbringer dieses Briefs heißt Rotte, ist aus Lübeck und ein Stiefsohn der Doctorin oder der Doctor Schlösser. —

      III

Hildesheim, d. 24. December 1806.Lieber Tieck!

      Auf eine erfreulichere Weise konnte ich, in so bedrängten Zeiten nicht Nachricht von Dir erhalten. Ich gestehe, daß es mir leid that zu erfahren, daß Du mir so nahe vorbeigereist warst, indessen wußte ich wohl, daß Du mich nicht vergessen hättest, und die Art, wie Du Dir meiner wieder erinnerst, ist mir die angenehmste. —

      Ich will Dir alles schreiben, und wirst sehen, daß es meine Absicht keinesweges ist, Deutschland zu einer Zeit zu verlassen, die vielleicht bedenklich ist, aber meine Thätigkeit und meinen Wirkungskreis doch nicht aufhebt. —

      Als in Halle die Universität gestöhrt war und ich nun ohne Unterhalt war, schrieb ich an meine Brüder und bath sie sich zu erkundigen, ob ich in dem Falle, wenn alles hier unglücklich gienge, eine Anstellung in Dännemark erwarten konnte. Meine Brüder, über meine Lage nach meinen Nachrichten, und noch mehr durch das Gerücht erschrocken, wandten sich unmittelbar an den Kronprinzen, der wiederholt sagte: ich möchte nur zu Hause kommen, auch Schimmelmann ließ mich bitten zurückzukehren. Der Kronprinz both mir Reisegeld an und Schimmelmann schickte mir eine Summe. Das königliche Reisegeld nahm ich nicht an, um nicht gebunden zu sein. – Nach dem aber, was geschehen war, sahe ich es für nothwendig an, mich in Dännemark zu stellen. Kehrte ich nach einer solchen Aufforderung nicht zurück, so würde ich alle meine Aussichten in meinem Vaterland auf immer vernichten. Nun bin ich aber wirklich Däne, kann nie aufhören es zu sein, und bin der Regierung große Verpflichtungen schuldig, auch habe ich eine sehr große Neigung Norwegen zu untersuchen und ein Plan wissenschaftlicher Beobachtungen, den ich längst entworfen habe, von der Regierung unterstützt, dort zu realisiren. Ferner habe, wie es sich nicht leugnen läßt, in Dännemark mächtige Feinde, aber auch mächtige Freunde (wie der Kronprinz und Schimmelm.), beides aber macht meine Lage dort sehr interessant und wenn ich die gegenwärtige Umstände, die mir in einer unmittelbaren Verbindung mit dem Kronprinzen bringt, benützen wollte, so leidet es keinen Zweifel, daß ich mir ein schönes Loos in Dännemark bereiten könnte.

      Dieses alles habe ich genau erwogen – auf der andern Seite aber fühle ich es wohl, daß ich zum deutschen Docenten gebohren bin, daß die Freiheit der Gesinnung, die tiefe Empfänglichkeit der Schüler in meinem Vaterlande nicht zu erwarten ist, daß ich wahrlich unglücklich sein würde, wenn ich nicht an dem, was jetzt geschehen soll, Theil nehmen könnte. Endlich finde ich es schlecht in so bedenklichen Zeiten seine Stelle zu verlassen – und dies hat bei mir entschieden. – Ich weise alle Anträge in Dännemark bestimmt ab, und habe dieses dem Massov schon geschrieben. Ich kann es thun, ohne den Kronprinzen zu beleidigen. Ich stelle ihm nur vor, daß sein Unterthan, daß ein Norweger, dessen Landsleute durch die Treue gegen ihren Fürsten berühmt sind, seinen Fürsten in der Noth nicht verlassen darf, und kenne unsern Kronprinzen genug, um zu wissen, daß er meinen Entschluß in Halle jetzt zu bleiben, sehr billigen wird. Schimmelmann, dessen große, wahrhaft deutsche Gesinnung, mich durchaus fassen wird, wird mich sicher unterstützen. – In Kopenhagen ist mir ein Oncle gestorben, der mir 800 Rthlr. hinterließ, diese hebe ich zwar erst nach dem Tode der Witwe, aber die Erbschaft ist gerichtlich gemacht, und werde wahrscheinlich Geld darauf heben können. Ich lasse dann Hanne und Clärchen mit hinlänglichem Gelde versorgt, bei Grosmutter in Hamburg, und gehe selbst wieder nach Halle, lebe da als Student und ernähre mich selbst. Das Aergste ist die Ungeduld meiner verarmten Creditoren, die mich entsetzlich peinigt.

      Für Dein schönes Anerbiethen, mir im südlichen Deutschland nützlich zu sein, danke ich Dich sehr – wenn alle Stränge reißen, gehe ich doch lieber nach dem südlichen Deutschland als nach Dännemark, wenigstens in den ersten vorliegenden Jahren. An Schelling schreibe ich noch heute.

      Daß Du jetzt wieder in Deutschland bist, ist mir unendlich lieb, und ich zweifle gar nicht daran, daß wir bald etwas schönes und großes von Dir erfahren werden, denn die poetischen Laffen haben einen in der letzten Zeit doch zu sehr mit der neuen Zeit zugesetzt. – Ich habe mich recht darnach gesehnt, Dich in Sandau zu besuchen, die süße Dorothee mit ihrer Mutter, und die kleine Agnes zu sehen, und halb war es schon beschlossen. Es ist mir recht