Эрих Мария Ремарк

Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке


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brachte ihr Blumen. Den anderen liebte sie und gab ihm Geld.

      Neben ihr Rittmeister Graf Orlow, russischer Emigrant, Eintänzer, Kellner, Filmkomparse[32], Gigolo[33] mit grauen Schläfen. Wunderbarer Gitarrespieler. Weinte leicht, wenn er betrunken wurde. Nächste Tür. Frau Bender, Krankenschwester in einem Säuglingsheim. Fünfzig Jahre alt. Mann im Kriege gefallen. Zwei Kinder 1918 an Unterernährung gestorben. Hatte eine bunte Katze. Das einzige.

      Daneben – Müller, pensionierter Rechnungsrat. Schriftführer eines Philatelistenvereins. Lebendige Briefmarkensammlung, sonst nichts. Glücklicher Mensch.

      An der letzten Tür klopfte ich. „Na, Georg”, sagte ich, „immer noch nichts?”

      Georg Block schüttelte den Kopf. Er war Student im vierten Semester. Um die vier Semester machen zu können, hatte er zwei Jahre im Bergwerk gearbeitet. Das ersparte Geld war jetzt fast verbraucht; er hatte nur noch für zwei Monate zu leben. Dabei war es egal, ob er die Restsemester noch machte oder nicht – auf eine Stelle konnte er auch nach dem Examen in frühestens zehn Jahren rechnen.

      Ich schob ihm ein Paket Zigaretten hin. „Lass den Kram sausen, Georgie. Ich hab’s auch getan. Kannst später immer wieder anfangen.”

      Er schüttelte den Kopf.

      Die Korridortür mit den vielen Visitenkarten neben dem Klingelknopf. Meine auch. „Robert Lohkamp, stud. phil., zweimal lang klingeln.” Sie war gelb und schmutzig. Stud. phil. Hatte sich was![34] War lange her. Ich ging die Treppe hinunter zum Cafe International.

      Das International war ein großer, dunkler, verräucherter Schlauch mit mehreren Hinterzimmern. Vorn, neben der Theke, stand das Klavier. Es war verstimmt, ein paar Saiten waren gesprungen und von den Elfenbeintasten fehlten auch einige; aber ich liebte den braven, ausgedienten Musikschimmel[35]. Er hatte das Jahr meines Lebens mit mir geteilt, wo ich als Stimmungsklavierspieler[36] hier engagiert gewesen war.

      In den hintern Zimmern des Cafes hielten die Viehhändler ihre Versammlungen ab; manchmal auch die Rummelplatzleute. Vorn saßen die Huren.

      Das Lokal war leer. Nur der plattfüßige Kellner Alois stand hinter der Theke. „Wie immer?” fragte er.

      Ich nickte.

      Alois spülte Gläser. Die Katze des Wirtes saß auf dem Klavier und schnurrte. Ich rauchte langsam eine Zigarette. Die Luft machte schläfrig. Eine sonderbare Stimme hatte das Mädchen gestern gehabt. Dunkel, etwas rauh, fast heiser, aber doch weich.

      Da knarrte die Tür. Rosa kam. Rosa, die Friedhofshure, genannt das Eiserne Pferd. Sie wollte eine Tasse Schokolade trinken. Die leistete sie sich jeden Sonntagmorgen hier; dann fuhr sie nach Burgdorf, um ihr Kind zu besuchen.

      „Servus[37], Robert.”

      „Servus, Rosa. Was macht die Kleine?”

      „Will mal sehen. Hier – das bringe ich ihr mit.”

      Sie packte aus einem Paket eine Puppe mit roten Backen und drückte ihr auf den Bauch. „Ma – ma” quäkte die Puppe. Rosa strahlte.

      „Fabelhaft!” sagte ich.

      Sie war befriedigt und packte die Puppe wieder weg. „Du verstehst was von solchen Sachen, Robert. Wirst mal ein guter Ehemann.”

      „Na, na”, sagte ich zweifelnd.

      Rosa erhob sich. „Du kommst doch Freitag?”

      Ich nickte.

      Sie sah mich an. „Du weißt doch, was los ist?”

      „Natürlich.”

      Ich hatte keine Ahnung, was los war; aber ich hatte auch keine Lust danach zu fragen. Das hatte ich mir hier so angewöhnt in dem Jahr als Klavierspieler.

      „Servus, Robert.”

      „Servus, Rosa.”

      Ich trank noch einen Rum, streichelte die Katze und ging dann.

* * *

      Tagsüber trieb ich mich umher. Ich wusste nicht recht, was ich machen sollte, und hielt es nirgendwo lange aus. Am späten Nachmittag ging ich in unsere Werkstatt. Köster war da. Er arbeitete an dem Cadillac. Wir hatten ihn vor einiger Zeit für einen Spottpreis alt gekauft. Jetzt war er von uns gründlich überholt worden,[38] und Köster gab ihm gerade den letzten Schmiss.[39] Es war eine Spekulation. Wir hofften gut damit zu verdienen. Ich zweifelte, ob es ein Geschäft sein würde. Bei den schlechten Zeiten wollten alle Leute kleine Wagen kaufen, aber nicht so einen Omnibus. „Wir bleiben darauf sitzen, Otto”, sagte ich.

      Aber Köster war zuversichtlich. „Auf mittleren Wagen bleibt man sitzen, Robby”, erklärte er. „Billige werden gekauft und ganz teure auch. Es gibt immer noch Leute, die Geld haben. Oder so aussehen wollen.”

      „Wo ist Gottfried?” fragte ich.

      „In irgendeiner politischen Versammlung —

      „Verrückt! Was will er denn da?”

      Köster lachte. „Das weiß er selbst nicht. Wahrscheinlich sitzt ihm das Frühjahr in den Knochen. Da muss er ja immer irgend etwas Neues haben.”

      „Kann sein”, sagte ich. „Komm, ich helf dir etwas.”

      Wir murksten herum, bis es dunkel wurde. „Schluss jetzt’’, sagte Köster. Wir wuschen uns.

      „Ich gehe mal nach Hause”, sagte ich. „Briefe schreiben und sowas. Muss auch mal sein – ”

      „Bist du krank?” fragte er besorgt.

      „Ach wo, keine Spur. Habe vielleicht auch den Frühling etwas in den Knochen.”

      Ich schlenderte nach Hause. Aber als ich in meinem Zimmer saß, wusste ich auch nicht, was ich anfangen sollte. Unschlüssig wanderte ich umher. Ich verstand jetzt nicht mehr, weshalb ich eigentlich hierhergewollt hatte.

      Draußen brannten schon die Laternen: aber es war noch nicht dunkel genug, – sie sahen aus, als frören sie. Ich kramte unter meinen Büchern nach dem Zettel mit der Telefonnummer. Schließlich, – anrufen konnte ich ja mal. Hatte es doch sogar halb und halb versprochen. Wahrscheinlich war das Mädchen auch gar nicht zu Hause.

      Ich ging zum Vorplatz, wo das Telefon stand, hob den Hörer ab und sagte die Nummer. Während ich auf Antwort wartete, fühlte ich, wie eine weiche Welle, eine leichte Erwartung aus der schwarzen Muschel sich hoben. Das Mädchen war da. Als ihre dunkle, etwas rauhe Stimme geisterhaft plötzlich in Frau Zalewskis Vorzimmer zwischen Wildschweinsköpfen, Fettgeruch und Küchengeklirr leise und etwas langsam, als dächte sie vor jedem Worte nach, sprach, verschwand auf einmal meine Unzufriedenheit. Ich hängte wieder an, nachdem ich, anstatt mich nur zu erkundigen, eine Verabredung für übermorgen abgemacht hatte. Plötzlich erschien mir alles nicht mehr so stumpf. „Verrückt”, dachte ich und schüttelte den Kopf.

      III

      Am Dienstag vormittag saßen wir vor unserer Werkstatt im Hof und frühstückten. Der Cadillac war fertig. Lenz hielt ein Blatt Papier in der Hand und schaute uns triumphierend an. Er war unser Reklamechef und hatte Köster und mir gerade ein Inserat vorgelesen, das er für den Verkauf des Wagens verfasst hatte. Es begann mit den Worten: „Urlaub an südlichen Gestaden im Luxusgefährt” und war ein Mittelding zwischen einem Gedicht und einer Hymne.

      Köster und ich schwiegen eine Weile. Lenz hielt uns für überwältigt. „Das Ding hat Poesie und Schmiss, was?” fragte er stolz. „Im Zeitalter der Sachlichkeit muss man romantisch sein, das ist der Trick. Gegensätze ziehen einander an.”

      „Nicht, wenn es sich um Geld handelt”, erwiderte ich.

      „Automobile kauft man nicht, um Geld anzulegen, Knabe”, erklärte Gottfried abweisend. „Man