Эрих Мария Ремарк

Drei Kameraden / Три товарища. Книга для чтения на немецком языке


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auch”, erwiderte sie.

      Ich sah sie an. Sie erschien mir wie aus einer andern Welt.

      Ich konnte mir absolut nicht vorstellen, was sie war und wie sie lebte.

* * *

      Die Bar war sicherer Boden für mich. Fred, der Mixer[45], stand hinter der Theke und polierte gerade die großen Schwenkgläser für Kognak, als wir hereinkamen. Er begrüßte mich, als sähe er mich zum ersten Male und hätte mich nicht vor zwei Tagen noch nach Hause bringen müssen. Er hatte eine gute Schule und eine riesige Erfahrung hinter sich.

      Der Raum war leer bis auf einen Tisch. Dort saß, wie fast immer, Valentin Hauser. Ich kannte ihn vom Kriege her; wir waren in derselben Kompagnie gewesen. Er hatte mir einmal durchs Sperrfeuer[46] einen Brief nach vorne gebracht, weil er dachte, er wäre von meiner Mutter. Er wusste, dass ich darauf wartete, denn meine Mutter war operiert worden. Aber er hatte sich geirrt; – es war nur eine Reklame für Kopfschützer aus Brennnesselstoff gewesen. Auf dem Rückwege bekam er einen Schuss ins Bein.

      Valentin hatte einige Zeit nach dem Kriege eine Erbschaft gemacht. Die vertrank er seitdem. Er behauptete, das Glück feiern zu müssen, lebendig herausgekommen zu sein. Es war ihm gleich, dass das schon eine Anzahl Jahre her war. Er erklärte, man könne es gar nicht genug feiern. Er war einer der Menschen, die ein unheimliches Gedächtnis für den Krieg haben. Wir andern hatten vieles vergessen; er aber erinnerte sich an jeden Tag und jede Stunde.

      Ich sah, dass er schon viel getrunken hatte; er saß ganz versunken und abwesend in seiner Ecke. Ich hob die Hand. „Salü[47], Valentin!”

      Er blickte auf und nickte. ,,Salü, Robby!”

      Wir setzten uns in eine Ecke. Der Mixer kam. ,,Was möchten Sie trinken?” fragte ich das Mädchen.

      „Vielleicht einen Martini[48]”, erwiderte sie. „Einen trockenen Martini.”

      „Darin ist Fred Spezialist”, erklärte ich.

      Fred erlaubte sich ein Lächeln. „Mir wie immer”, sagte ich.

      Fred brachte die Gläser. Wir tranken. Der Rum war stark und frisch. Er schmeckte nach Sonne. Er war etwas, woran man sich halten konnte. Ich trank das Glas aus und gab es Fred gleich wieder mit.

      „Gefällt es Ihnen hier?” fragte ich.

      Das Mädchen nickte.

      „Besser als in der Konditorei drüben?”

      „Ich hasse Konditoreien”, sagte sie.

      „Weshalb haben wir uns dann gerade da getroffen?” fragte ich verblüfft.

      „Ich weiß nicht.” Sie nahm ihre Kappe ab. „Mir fiel nichts anderes ein.”

      „Um so besser, dass es Ihnen dann hier gefällt. Wir sind oft hier. Abends ist diese Bude für uns schon fast so eine Art Zuhause.”

      Sie lachte. „Ist das nicht eigentlich traurig?”

      „Nein”, sagte ich, „zeitgemäß.”

      Fred brachte mir das zweite Glas. Er legte eine grüne Havanna[49] dazu auf den Tisch. „Von Herrn Hauser.”

      Valentin winkte aus seiner Ecke herüber und hob sein Glas. „31. Juli 17, Robby”, sagte er mit schwerer Stimme.

      Ich nickte ihm zu und hob ebenfalls mein Glas.

      „Er ist mein Freund”, sagte ich zu dem Mädchen. „Ein Kamerad aus dem Kriege. Er ist der einzige Mensch, den ich kenne, der aus einem großen Unglück ein kleines Glück gemacht hat. Er weiß nicht mehr, was er mit seinem Leben anfangen soll, – deshalb freut er sich einfach, dass er noch lebt.”

      Sie sah mich nachdenklich an. Ein Streifen Licht fiel schräg über ihre Stirn und ihren Mund. „Das kann ich gut verstehen”, sagte sie.

      Ich blickte auf. „Das sollten Sie aber nicht. Dafür sind Sie viel zu jung.”

      Sie lächelte. Es war ein leichtes, schwebendes Lächeln, das nur in den Augen war. „Zu jung”, sagte sie, „das ist so ein Wort. Ich finde, zu jung ist man nie. Nur immer zu alt.”

      Ich schwieg einen Augenblick. „Dagegen ließe sich eine Menge sagen”, erwiderte ich dann und machte Fred ein Zeichen, mir noch etwas zu trinken zu bringen. Das Mädchen war so sicher und selbstverständlich; ich fühlte mich wie ein Holzblock dagegen. Ich hätte gern ein leichtes, spielerisches Gespräch geführt, so ein richtiges Gespräch, wie es einem gewöhnlich hinterher einfällt, wenn man wieder allein ist.

      Zum Glück war Fred vernünftig. Er brachte mir statt der kleinen Fingerhüte jetzt gleich ein anständiges Weinglas voll heran. So brauchte er nicht immer hin und herzulaufen, und es fiel auch nicht so auf, wieviel ich trank. Ich musste trinken; anders konnte ich diese stockige Schwere nicht loswerden.

      „Wollen Sie nicht noch einen Martini nehmen?” fragte ich das Mädchen.

      „Was trinken Sie denn da?”

      „Das hier ist Rum.”

      Sie betrachtete mein Glas. „Das haben Sie neulich auch schon getrunken.”

      „Ja”, sagte ich, „das trinke ich meistens.”

      Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das schmeckt.”

      „Ob es schmeckt, weiß ich schon gar nicht mehr”, sagte ich.

      Sie sah mich an. „Weshalb trinken Sie es denn?”

      „Rum”, sagte ich, froh, etwas gefunden zu haben, über das ich reden konnte, „Rum hat mit Schmecken nicht viel zu tun. Er ist nicht so einfach ein Getränk, – er ist schon mehr ein Freund. Ein Freund, der alles leichter macht. „Aber soll ich Ihnen nicht noch einen Martini bestellen?”

      „Lieber Rum”, sagte sie. „Ich möchte ihn auch mal versuchen.”

* * *

      Langsam bekam alles Griff und Glanz. Die Unsicherheit schwand, die Worte kamen von selber und ich achtete nicht mehr so darauf, was ich sagte. Ich trank weiter und spürte, wie die große, weiche Welle herankam und mich erfasste, wie sich die leere Stunde der Dämmerung mit Bildern füllte und geisterhaft über den gleichgültigen, grauen Bezirken des Daseins der lautlose Zug der Träume wieder auftauchte. Die Wände der Bar weiteten sich und plötzlich war es nicht mehr die Bar, – es war eine Ecke der Welt, ein Winkel der Zuflucht, ein halbdunkler Unterstand, um den ringsumher die ewige Schlacht des Chaos brauste und in dem wir geborgen hockten, rätselhaft zueinandergeweht durch das Zwielicht der Zeit. Das Mädchen saß zusammengekauert in seinem Stuhl, fremd und geheimnisvoll, als wäre es hierher verschlagen von der anderen Seite des Lebens.

      Es war schon dunkel, als ich Patrice Hollmann nach Hause brachte. Langsam ging ich zurück. Ich fühlte mich plötzlich allein und leer.

      IV

      Das Wetter wurde warm und feucht und es regnete einige Tage lang. Dann klärte es sich auf, die Sonne fing an zu brüten, und als ich am Freitag morgens in die Werkstatt kam, sah ich Mathilde Stoß auf dem Hof stehen, den Besen unter den Arm geklemmt, mit einem Gesicht wie ein gerührtes Nilpferd.

      „Nu sehen Sie doch mal, Herr Lohkamp, die Pracht! Is doch immer wieder ‘n Wunder.”

      Ich blieb überrascht stehen. Der alte Pflaumenbaum neben der Benzinpumpe war über Nacht aufgeblüht.

      Ich schenkte ihr ein Glas Rum ein und ging dann zur Benzinpumpe. Jupp saß schon da. Er hatte in einer verrosteten Konservenbüchse vor sich eine Anzahl abgeschnittener Blütenzweige stehen. „Was soll denn das heißen?” fragte ich erstaunt.

      „Für die Damen”, erklärte Jupp. „Wenn sie tanken, gibts so einen Zweig gratis. Habe daraufhin schon neunzig Liter mehr verkauft. Der Baum ist Gold wert, Herr Lohkamp. Wenn wir den nicht hätten, müssten wir ihn künstlich nachmachen.”

      „Du