Sophie Love

Für Immer und Einen Tag


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irgendjemand etwas?“, fragte Daniel sanft. „Ein Taschentuch? Einen starken Drink?“

      Es war genau das, was der Moment brauchte, um all die Schwere aufzulösen. Emily gluckste ein Lachen. Sie fühlte Roys grollendes Lachen in seinem Bauch.

      „Ich könnte einen Drink gebrauchen“, sagte sie.

      „Könnte ich auch“, antwortete Roy. „Ist die Bar bestückt?“

      Daniel ging voraus. „Ist sie, also kommt schon. Es ist so fantastisch da drin. Ich werde uns Drinks machen.“

      Emily zögerte. „Papa, ist das eine gute Idee?“, fragte sie.

      „Warum sollte es das nicht sein?“, antwortete Roy verwirrt.

      Emily senkte die Stimme. „Wegen deines Alkoholproblems.“

      Roy sah erstaunt aus. „Was für ein Alkoholproblem?“ Dann wurde sein Gesicht bleich. „Hat Patricia dir gesagt, dass ich Alkoholiker bin?“

      „Du warst ein Alkoholiker“, erwiderte Emily. „Ich erinnere mich, dass du getrunken hast. Ständig.“

      „Ich habe viel getrunken“, gab Roy zu. „Wir beide, deine Mutter und ich. Das ist einer der Gründe, warum unsere Beziehung so unberechenbar war. Aber ich war kein Alkoholiker.“

      „Was ist mit den Eierlikören zum Frühstück an Weihnachten?“ fragte sie, sich daran erinnernd, wie gereizt ihr Vater gewesen war, als sie sein Getränk umgestoßen hatte.

      „Es war einfach nur Weihnachten!“, rief Roy aus.

      Ein weiteres Stück von Emilys Vergangenheit richtete sich neu aus. Sie war auf Patricias bittere, verzerrte Version der Ereignisse hereingefallen, hatte ihnen erlaubt, ihre eigenen Erinnerungen an ihren Vater zu ersetzen. Sie spürte eine Welle der Wut auf ihre Mutter in sich aufsteigen, weil sie Roy zum Bösewicht ihrer traumatischsten Erfahrung gemacht hatte.

      Sie gingen in die Flüsterkneipe und setzten sich an die Bar. Daniel fing an, die Cocktails zuzubereiten.

      „Wir haben abends einen Barkeeper, um das zu machen“, erklärte er Roy. „Alec. Er ist fantastisch. Besser als ich jedenfalls.“

      Er schenkte ihnen eine Margarita ein. Roy nahm einen Schluck.

      „Das schmeckt fantastisch“, sagte er. Dann, ein wenig schüchtern, fügte er hinzu: „Ich muss schon sagen, aus dir ist ein feiner junger Gentleman geworden.“

      Emily spürte, wie ihr Herz hüpfte. Sie lächelte, war stolz darauf und fühlte sich, als wäre alles so wie es sein sollte.

      „Dafür habe ich dir zu danken“, antwortete Daniel schüchtern und sah Roy nicht wirklich in die Augen. „Dafür, mich an die Sachen herangeführt zu haben, die mir wichtig waren. Angeln. Segeln.“

      „Segelst du noch?“, fragte Roy.

      „Ich habe ein Boot im Hafen. Dank Emily ist es restauriert. Wir nehmen es für Ausflüge mit der Familie. Chantelle liebt es auch. Sie ist großartig im Angeln.“

      „Ich segle auch noch viel“, sagte Roy. „Wenn ich nicht an einer Uhr arbeite, verbringe ich meine Zeit auf dem Boot. Oder im Garten.“

      „Erinnerst du dich an diesen Tag, an dem du mir beigebracht hast, wie man Gemüse anbaut?“, fragte Daniel.

      „Natürlich“, antwortete Roy. Er lächelte und schwelgte in Erinnerungen. „Ich habe noch nie gesehen, dass ein so schmuddeliger Punk von einem Kind so hart mit einer Schaufel arbeitet.“

      Daniel lachte. „Ich war wissbegierig“, sagte er. „Und wollte die Gelegenheit zu nutzen. Auch wenn es äußerlich so aussah, als hasste ich die Welt.“

      Emily fand es seltsam, sie Witzeln und Lachen zu sehen. Zwischen ihnen gab es wesentlich weniger Verletzungen. Es war mehr wie eine Kameradschaft. Daniel war diesem Mann, der ihm eine Chance gegeben hatte als er sie brauchte, für immer dankbar. Auch, wenn genau dieser Mann ebenfalls aus seinem Leben verschwunden war. Vielleicht war es nur die Überraschung für Emily, zu erkennen, wie nahe sie sich einmal gewesen waren. Denn sie wusste auch, dass der Sommer, den sie zusammen verbracht hatten, ein Sommer gewesen war, den sie und ihr Vater getrennt voneinander verbracht hatten.

      Ihr Handy summte und sie sah einen Text von Amy über ihre geplante Ankunft am Nachmittag. Amy und Jayne hatten dringende Geschäftssachen zu erledigen und machten deshalb einen Zwischenstopp, wodurch sie später als geplant ankommen würden. Emily realisierte schuldbewusst, dass sie völlig vergessen hatte, dass sie unterwegs waren. Sie war so mit ihrem Vater beschäftigt gewesen, dass ihr alles andere entfallen war.

      Sie schrieb schnell zurück und wandte sich dann wieder ihrem Vater und Daniel zu. Sie lachten wieder fröhlich.

      „Ich bin so froh, dass das Boot gehalten hat“, rief Daniel aus. „Wer hätte gedacht, dass sich das Wetter so verändern würde? Ein Sturm mitten im Sommer.“

      „Es war ein unglücklicher Zeitpunkt“, antwortete Roy. „Wenn man bedenkt, dass es deine erste Bootsfahrt war.“

      „Nun, ich hatte den besten Lehrer, also hatte ich keine schlimme Angst.“ Er lächelte, seine Augen weit in Erinnerung. „Danke, dass du mich mit Booten, Wasser und Segeln bekannt gemacht hast. Ich kann mir mein Leben ohne das alles nicht mehr vorstellen.“

      Emily beobachtete, wie Roy Daniel anlächelte. Jetzt, da ihr Zorn verflogen war, fühlte sie ein überwältigendes Gefühl von Frieden, von Aufrichtigkeit. So hätte es immer gewesen sein sollen. Ihr Vater hängt mit ihrem Verlobten zusammen, jeder genießt die Gesellschaft des anderen und freut sich darauf, bald Teil derselben Familie zu werden.

      Es mag ein bisschen spät gekommen sein, aber sie würde alles tun, was sie könnte, um es zu genießen.

      *

      Im Laufe des Abends machte Daniel noch eine Ladung Cocktails. Er stellte ein Glas vor Emily ab, gerade als ihr Telefon bei einem eingehenden Anruf summte.

      „Es ist Amy“, erklärte sie. „Ich geh besser ran.“

      „Amy? Die von der High-School?“, fragte Roy und hob eine Augenbraue.

      Emily nickte. „Wir sind immer noch Freunde“, informierte sie ihn. „Sie ist eine meiner Brautjungfer. Sie hilft eine Menge bei den vielen Hochzeitsvorbereitungen.“

      Emily eilte aus der Flüsterkneipe und nahm den Anruf entgegen.

      „Em, es tut uns so leid“, begann Amy. „Der Anruf hat ewig gedauert und jetzt sind wir beide zu erschöpft, um Auto zu fahren. Wir müssen über Nacht hierbleiben. Bitte hass uns nicht.“

      „Das werde ich nicht“, versicherte Emily ihr, insgeheim erleichtert, dass ihre Freundinnen die Wiedervereinigung mit ihrem Vater nicht unterbrechen würden.

      „Wir werden Morgen ganz früh losfahren“, fügte Amy hinzu.

      „Ehrlich, Amy, es ist in Ordnung“, sagte Emily. „Hier ist sowieso gerade ziemlich viel los.“

      „Was ist los? Etwas wegen der Hochzeit? Daniel? Sheila?“ Sie klang besorgt.

      „Das ist es nicht“, erklärte Emily. Dann atmete sie tief durch. „Amy, mein Vater ist hier.“

      Es folgte eine lange Stille. „Was? Wie? Bist du okay?“

      Emily wusste nicht, wie sie das beantworten sollte, und sie wollte jetzt wirklich nicht allzu sehr darauf eingehen. Sie hatte es noch nicht ganz verarbeitet. Sie brauchte Zeit, um ihre Gefühle zu entwirren und alles zu verstehen.

      „Mir geht's gut. Lasst uns darüber reden, wenn ihr hier seid.“