Александр Дюма

Salvator


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Gefühl der Wuth und der Scham zurücklassen. Keine Stirne lächelte ihm zu, kein Mund beglückwünschte ihn, keine Hand streckte sich gegen seine Hand aus, und als das Plaidoyer beendigt war, bildete sich ein leerer Raum um ihn.

      Er wischte seine in Schweiß gebadete Stirne ab und erwartete mit Bangigkeit das Plaidoyer seines Gegners.

      Derjenige, welcher für Herrn Sarranti plaidirte, war ein der republikanischen Partei angehörender junger Advocat; er hatte kaum vor einem Jahre auf der Laufbahn des Advocatenstandes debutirt, und sein Debut war ein äußerst glänzendes gewesen.

      Er war der Sohn von einem unserer berühmtesten Gelehrten und hieß Emanuel Richard.

      Herr Sarranti hatte mit seinem Vater in Verbindung gestanden; der junge Mann hatte sich im Namen seines Vaters angeboten; Herr Sarranti hatte angenommen.

      Der junge Mann stand auf, legte seine Toque auf die Bank, warf seine langen schwarzen Haare zurück und begann bleich vor innerer Erregung.

      Ein tiefes Stillschweigen herrschte im Auditorium von dem Augenblicke, wo es bemerkte, er werde sogleich anfangen zu reden.

      »Meine Herren,« sprach er, den Geschworenen ins Gesicht schauend, »erstaunen Sie nicht, daß mein erstes Wort ein Schrei der Entrüstung und des Schmerzes ist. Seit dem Augenblicke, wo ich die monstruose Anklage habe hervortreten sehen, welche hoffentlich auf eine Fehlgeburt auslaufen wird, und aus die zu antworten mir Herr Sarranti in jedem Falle verbietet, bewältige ich mich nur mit großer Mühe, und mein verwundetes Herz blutet und seufzt tief in meinem Innern.

      »Ich wohne in der Thal einer erschrecklichen Sache bei.

      »Ein ehrenwerther und geehrter Mann, ein alter Soldat, dessen Blut aus allen unsern großen Schlachtfeldern für denjenigen geflossen ist, der zugleich sein Landsmann, sein Herr und sein Freund war: ein Mann, dessen Herz nie ein böser Gedanke beschmutzt, dessen Hand nie eine schmähliche Handlung befleckt hat: dieser Mann, der mit hoher Stirne hierher gekommen ist, um aus eine der Anklagen zu antworten, die zuweilen ein Ruhm für diejenigen sind, welche sie treffen: dieser Mann sagt Ihnen: »»Ich habe um meinen Kopf in dem großen Spiele der Verschwörungen gespielt, das die Throne niederwirft, die Dynastien verändert, die Reiche umstürzt: ich habe verloren: nehmen Sie ihn!«« Dieser Mann hört sich zurufen: »»Schweigen Sie! Sie sind kein Verschwörer: Sie sind ein Dieb, Sie sind ein Entführer, Sie sind ein Mörder!««

      »Ah! meine Herren, Sie werden zugeben, man muß sehr stark sein, um vor dieser dreifachen Anklage den Kopf hoch tragend zu bleiben. In der That, wir sind stark: denn aus diese dreifache Anklage antworten wir ganz einfach: »»Wären wir das, was Sie sagen, so hätte uns der Mann mit den Adleraugen und den Flammenblicken, der so gut in den Herzen zu lesen wußte, nicht die Hand gedrückt, er hätte uns nicht seine Freunde genannt, er hätte uns nicht gesagt: Geh!! . . . ««

      »Entschuldigen Sie, Maitre Emanuel Richard,« fragte der Präsident, »von welchem Manne sprechen Sie denn so?«

      »Ich spreche von Seiner Majestät Napoleon I., gesalbt 1804 in Paris zum Kaiser der Franzosen; gekrönt 1805 in Mailand zum König von Italien, und gestorben als Gefangener auf St. Helena, am 5.Mai 1821,« antwortete der junge Mann mit lauter, verständlicher Stimme.

      Es läßt sich nicht sagen, welch ein seltsamer Schauer die Versammlung durchlief.

      Damals nannte man Napoleon den Usurpator, den Tyrannen, den Wehrwolf von Corsica, und seit dreizehn Jahren, das heißt seit dem Tage seines Sturzes, hatte sicherlich Niemand vor seinem besten, vertrautesten Freunde ausgesprochen, was Emanuel Richard im Angesichte des Gerichtshofes, der Geschworenen und des Auditoriums ausgesprochen.

      Die Gendarmen, welche zur Rechten und zur Linken von Herrn Sarranti saßen, standen auf und befragten mit den Augen und mit den Geberden den Präsidenten, was zu thun sei, und ob sie nicht noch im Laufe der Sitzung den vermessenen Advocaten in Verhaft nehmen sollten.

      Gerade das Uebermaß seiner Kühnheit rettete ihn; das Tribunal blieb niedergeschmettert.

      Herr Sarranti ergriff die Hand des jungen Mannes und sprach zu ihm:

      »Genug! genug! im Namen Ihres Vaters, gefährden Sie sich nicht!«

      »Im Namen Ihres Vaters und des meinigen, fahren Sie fort!« rief Dominique.

      »Meine Herren,« fuhr Emanuel fort, »Sie haben Processe gesehen, bei welchen die Angeklagten die Zeugen Lügen straften, die augenscheinlichsten Beweise leugneten, dem Staatsanwalte ihr Leben streitig machten, Sie haben Alles dies zuweilen, oft, fast immer gesehen . . . Nun wohl, meine Herren, wir, wir behalten Ihnen ein viel interessanteres Schauspiel vor.

      »Wir sagen Ihnen:

      »»Ja, wir sind schuldig, und hier sind die Beweise: ja, wir haben gegen die innere Sicherheit des Staats konspiriert, und hier sind die Beweise: ja, wir wollten die Form der Regierung ändern, und hier sind die Beweise: ja, wir haben ein Complott gegen den König und seine Familie angezettelt, und hier sind die Beweise: ja, wir sind Majestätsverbrecher, und hier sind die Beweise: ja, ja, wir haben die Strafe der Vatermörder verdient, und hier ist der Beweis: ja, wir verlangen barfuß und den schwarzen Schleier auf dem Kopfe nach dem Schaffot zu gehen, wie es unser Recht ist, wie es unser Wunsch ist, wie es unser Wille ist . . . «

      Ein Schreckensschrei drang aus Aller Munde hervor.

      »Schweigen Sie! schweigen Sie!« rief man von allen Seiten dem jungen Fanatiker zu, »Sie stürzen ihn ins Verderben.«

      »Reden Sie, reden Sie!« rief Sarranti, »so will ich vertheidigt sein.«

      Beifallklatschen erscholl aus allen Punkten des Auditoriums.

      »Gendarmen, räumen Sie den Saal!« rief der Präsident.

      Dann wandte er sich gegen den Advocaten und sagte zu ihm:

      »Maitre Emanuel Richard, ich entziehe Ihnen das Wort.«

      »Wenig liegt mir zu dieser Stunde hieran,« antwortete der Advocat, »ich habe das Mandat, mit dem ich betraut worden bin, erfüllt, ich habe Alles gesagt, was ich zu sagen hatte.«

      Sodann sich gegen Herrn Sarranti umdrehend:

      »Sind Sie zufrieden, mein Herr, und sind es wirklich Ihre Worte, die ich wiederholt habe?«

      Statt jeder Antwort warf sich Herr Sarranti in die Arme seines Vertheidigers.

      Die Gendarmen hielten sich bereit, den Befehl des Präsidenten zu vollziehen: doch es durchlief sogleich ein solches Gebrüll die Menge, daß der Präsident einsah, er unternehme ein nicht nur schwieriges, sondern sogar gefährliches Werk. Ein Aufruhr konnte zum Ausbruche kommen, und während des Aufruhrs konnte Herr Sarranti entführt werden.

      Einer von den Richtern neigte sich gegen den Präsidenten und sprach ihm leise ein paar Worte ins Ohr.

      »Gendarmen,« sagte dieser, »nehmen Sie Ihre Plätze wieder ein. Der Gerichtshof appelliert an die Würde des Auditoriums.«

      »Stille!« rief eine Stimme mitten aus der Menge.

      Und die Menge, als wäre sie gewohnt, dieser Stimme zu gehorchen, schwieg.

      Von da an war die Frage scharf herausgestellt’: einerseits die Verschwörung, die sich, in ihren kaiserlichen Glauben, in die Religion ihres Eides verschanzt, nicht einen Schild, sondern eine Palme aus ihrem Verbrechen machte: andererseits die öffentliche Behörde10 entschlossen, in Herrn Sarranti nicht den Verbrecher des Hochverrates, den Schuldigen der Majestätsbeleidigung, sondern den Dieb von hunderttausend Thalern, den Entführer der Kinder, den Mörder von Orsola zu verfolgen.

      Sieh wegen dieser Anklagen vertheidigen hieß sie zugeben: sie Schritt für Schritt, eine um die andere, zurückweisen hieß ihre Existenz zugeben.

      Aus Befehl von Herrn Sarranti hatte sich also Emanuel Richard nicht einen Augenblick der dreifachen Anklage, die der Staatsanwalt verfolgte, entgegengestellt: er ließ das Publikum Richter dieser seltsamen Lage eines Angeklagten sein, der ein Verbrechen gestand, welches man ihn nicht wollte gestehen machen, und das nicht eine Erleichterung, sondern eine Erschwerung der Strafe für das, dessen er angeklagt war, nach sich zog.

      Das