sondern für die revolutionäre Propaganda arbeite; man führte eine Predigt von ihm an, die ihm würde ernstliche Ermahnungen von Seiten seiner Obern zugezogen haben, hätte er nicht einem spanischen, in Frankreich noch nicht wiederhergestellten Orden angehört. Man trug endlich darauf an, ihn nach dem Auslande zurückzuschicken, da seine Anwesenheit in Paris, nach der Aussage der Kongregation, gefährlich war.
Kurz, nach der Note, die der arme König vor Augen hatte, waren die Herren Sarranti, Vater und Sohn, Blutsäufer und hielten in der Hand: der Eine das Schwert, das den Thron umstürzen sollte; der Andere die Fackel, welche die Kirche niederbrennen sollte.
Es genügte also, hatte man sich einmal mit all diesem Jesuitengifte angeschwängert, die Blicke wieder auf das Blatt Papier zu werfen, um zum politischen Hasse, der sich einen Augenblick beugen konnte, zurückzukehren und gleichsam mit einem Schlage aufs Neue alle die Gespenster der Revolution hervortreten zu sehen.
Der König schauerte und warf dem Abbé Dominique einen schlimmen Blick zu.
Dieser täuschte sich nicht im Blicke von Karl X. und fühlte sich wie von einem glühenden Eisen getroffen. Er hob indessen das Haupt stolz empor, verbeugte sich, machte zwei Schritte rückwärts und schickte sich an, wegzugehen.
Eine erhabene Geringschätzung für diesen König, der die Instincte seines Herzens zurückstieß, um an ihre Stelle den Haß Anderer zu setzen, die niederschmetternde Verachtung des Starken gegen den Schwachen schweiften wider den Willen des Abbé Dominique in seinen Augen und auf seinen Lippen.
Karl X. sah dieses Gefühl wie eine Flamme glänzen, und, im Ganzen Bourbon, das heißt schnell für die Gnade, hatte er einen von den Gewissensbissen, welche zu gewissen Stunden, Agrippa d’Aubigne anschauend, sein Ahnherr Heinrich IV. haben mußte.
Die Wahrheit oder wenigstens der Zweifel erschien ihm in der Halbtinte; er wagte es nicht, zu verweigern, was dieser redliche Mann von ihm verlangte, und rief den Abbé Dominique in dem Augenblicke zurück, wo er sich entfernen wollte.
»Herr Abbé,« sagte er zu ihm, »ich habe bis jetzt weder bejahend, noch verneinend auf Ihre Bitte geantwortet; wenn ich es aber nicht gethan habe, so ist dies so, weil ich vor meinen Augen, oder vielmehr in meinem Geiste die Schatten der ungerecht geopferten Gerechten vorüberziehen sah.«
»Sire,« rief der Abbé, indem er zwei Schritte rückwärts machte, »es ist noch Zeit, und der König braucht nur ein Wort zu sprechen.«
»Ich bewillige Ihnen zwei Monate, Herr Abbé,« sagte der König, indem er seinen gewöhnlichen Stolz wieder annahm, als bereute er es und als erröthete er darüber, daß er die geringste Gemüthsbewegung hatte durchscheinen lassen; »doch hören Sie wohl? Ihr Vater gebe sein Cassationsgesuch ein! Ich verzeihe zuweilen die Rebellion gegen das Königthum; ich würde nie die Rebellion gegen die Justiz verzeihen.«
»Sire, werden Sie die Gnade haben, mir das Mittel zu geben, bei meiner Ankunft zu jeder Stunde des Tages und der Nacht zu Ihnen zu gelangen?«
»Gern,« antwortete der König.
Und er klingelte.
»Sie sehen diesen Herrn,« sagte Karl X. zum eintretenden Huissier. »Schauen Sie ihn genau an, und man führe ihn bei mir ein, zu welcher Stunde des Tags oder der Nacht er auch hier erscheinen mag. Unterrichten Sie hiervon die Leute vom Dienste.«
Der Abbé verbeugte sich und ging ab, das Herz voll Freude, wenn nicht voll Dankbarkeit.
V
Der Vater und der Sohn
Alle die Blüthen der Hoffnung, welche langsam im Schooße des Menschen keimen und’ ihre Früchte nur zu gewissen Stunden geben, erschlossen sich im Herzen des Abbé Dominique, so wie er den Fuß auf eine Stufe setzte, die ihn von der königlichen Majestät entfernte und seinen Mitbürgern näherte.
Indem er sich der Schwächen des unglücklichen Monarchen erinnerte, dünkte es ihm unmöglich, daß dieser, unter den Jahren gebeugte, Mann, mit dem guten Herzen, aber dem trägen Geiste, ein ernstes Hinderniß beim Werke der großen Göttin sein sollte, welche vorwärts schreitet, seitdem der menschliche Genius seine Fackel angezündet hat, der Göttin, die man die Freiheit nennt.
Dann kehrte, – seltsamer Weise, und was bewies, daß ohne Zweifel sein Plan für die Zukunft sehr entschieden festgesetzt war, – dann kehrte seine ganze Vergangenheit plötzlich in sein Gedächtniß zurück. Er erinnerte sich der geringsten Einzelheiten seines Priesterlebens, seiner unsäglichen Unschlüssigkeiten in dem Augenblicke, wo er sein Gelübde ablegen sollte, seiner inneren Kämpfe in dem Augenblicke, wo er die Weihe empfangen sollte; Alles war aber besiegt worden durch jene Hoffnung, welche, der Feuersäule von Moses ähnlich, ihm seinen Weg durch die Gesellschaft bezeichnete und ihm sagte, die Laufbahn, auf der er seinem Vaterlande am Nützlichsten sein könne, sei die geistliche Laufbahn.
Wie der Stern der Weisen strahlte sein Gewissen und zeigte ihm die wahre Straße. Einen einzigen Augenblick hatte der Sturm seinen Himmel verdunkelt, und er hatte aufgehört, seinen Weg zu erkennen; doch er sing wieder an darauf zu sehen und er setzte sich wieder in Marsch, wenn nicht mit einem vollen Vertrauen, doch wenigstens mit dem festesten Entschlusse.
Er stieg die letzte Stufe des Palastes mit einem Lächeln auf den Lippen hinab.
Welchem geheimen Gedanken entsprach, in einer solchen Lage, sein Lächeln?
Doch kaum hatte er den Fuß in den Hof der Tuilerien gesetzt, als er das sympathetische Gesicht von Salvator erblickte, der, unruhig über das Resultat des Schrittes des Abbé Dominique, seinen Abgang in einer fieberhaften Angst erwartete.
Salvator begriff, als er nur das Gesicht des armen Mönches sah, den Erfolg des Besuches.
»Gut!« sagte er, »der König hat Ihnen den Aufschub bewilligt, um den Sie ihn gebeten.«
»Ja,« erwiderte der Abbé: »es ist im Grunde ein vortrefflicher Mensch.«
»Nun wohl,« sprach Salvator, »das söhnt mich wieder ein wenig mit ihm aus: das bringt Seine Majestät König Karl X. wieder ein wenig in Gnade bei mir. Ich vergebe ihm seine Schwächen in Erinnerung an seine angeborenen Tugenden. Man muß nachsichtig gegen diejenigen sein, welche nie die Wahrheit hören.«
Dann plötzlich den Ton verändernd, sagte er zum Abbé:
»Nicht wahr, wir kehren in die Conciergerie zurück?«
»Ja,« antwortete einfach Dominique, indem er seinem Freunde die Hand drückte.
Sie nahmen einen Wagen, der leer über den Quai fuhr, und kamen rasch an den Ort ihrer Bestimmung.
Vor der Thüre des düsteren Gefängnißes reichte Salvator Dominique die Hand und fragte ihn, was er, aus demselben weggehend, zu thun gedenke.
»Ich werde auf der Stelle Paris verlassen.«
»Kann ich Ihnen in dem Lande, in das Sie sich begeben, nützlich sein?«
»Können Sie die Förmlichkeiten abkürzen, welche die Ausfertigungen eines Passes begleiten?«
»Ich kann Ihnen einen solchen ohne Förmlichkeit verschaffen.«
»Dann erwarten Sie mich in Ihrer Wohnung: ich werde Sie dort abholen.«
»Ich werde Sie in einer Stunde hier erwarten: Sie werden mich an der Ecke des Quai finden. Sie können im Innern des Gefängnißes nun bis um vier Uhr bleiben, und es ist drei Uhr.«
»In einer Stunde also,« sagte der Abbé Dominique, dem jungen Manne aufs Neue die Hand drückend.
Und er verschwand unter dem düsteren Eingange.
Der Gefangene war in die Zelle gebracht worden, welche Louvel in sich geschlossen hatte und Fieschi in sich schließen sollte. Dominique wurde ohne Schwierigkeit bei ihm eingeführt.
Herr Sarranti, der aus einem Schemel saß, stand aus und ging seinem Sohne entgegen: dieser verbeugte sich vor ihm mit der Ehrfurcht, mit der man die Märtyrer empfängt.
»Ich erwartete Dich, mein Sohn,« sprach Herr Sarranti.
Und es lag in seiner Stimme etwas wie ein Ausdruck