Александр Дюма

Salvator


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es verstand. Diese drei Männer sind Cäsar, Karl der Große, Napoleon. Und bemerken Sie wohl, mein Vater, Jeder von diesen drei Männern weiß nicht, was er thut, und scheint gerade das Gegentheil von, dem zu träumen, was er vollbringt: Cäsar, ein Heide, bereitet das Christenthum vor; Karl der Große, ein Barbar, bereitet die Civilisation vor; Napoleon, ein Despot, bereitet die Freiheit vor.

      »Diese drei Männer kommen in einer Entfernung von achthundert Jahren von einander. Mein Vater, es sind drei verschiedene menschliche Anblicke, doch es ist dieselbe Seele, die sie belebt, – die Idee.

      »Cäsar, ein Heide, vereinigt durch die Eroberung die Völker in einen einzigen Bündel, damit auf dieser Menschengarbe Christus aufstehe, eine befruchtende Sonne der modernen Welt, und damit unter dem Nachfolger Cäsars sich Christus erhebe.

      »Karl der Große, ein Barbar, gründet die Feudalherrschaft, diese Mutter der Civilisation, und bricht an den Schranken seines ungeheuren Reiches die Wanderung der Völker, welche noch barbarischer als er.

      »Napoleon . . . Erlauben Sie, mein Vater, daß ich in Beziehung auf Napoleon meine Theorie weiter entwickle. Es sind nicht leere Worte, die ich Ihnen sage, und ich hoffe, sie führen mich im Gegentheile zu dem Ziele, nach dem ich strebe.

      »Als Napoleon, oder vielmehr Bonaparte, – denn der Riese hat zwei Namen, wie er zwei Gesichter hat, – als Bonaparte erschien, war Frankreich dergestalt durch die Revolution aus den andern Völkern hinausgeschleudert, daß es das Gleichgewicht der Nationen gestört hatte. Dieser Bucephalus brauchte einen Alexander, dieser Löwe einen Androklos. Bonaparte erschien mit seiner doppelten volksthümlichen und aristokratischen Natur im Angesichte dieser wahnsinnigen Freiheit, die man fesseln mußte, um sie zu heilen. Bonaparte war hinter der Idee in Frankreich, aber vor den Ideen anderer Völker.

      »Die Könige sahen nicht in ihm, was in ihm war: die Könige sind manchmal blind: die Tollen führten Krieg gegen ihn.

      »Da nahm Bonaparte, – der Mann der Idee, – was in Frankreich Reinstes, Verständigstes, Progressivstes unter seinen Kindern war: er bildete Bataillons daraus, heilige Bataillons, die er über Europa verbreitete. – Ueberall bringen diese Bataillons der Idee den Tod den Königen und das Leben den Völkern: überall, wo der Geist Frankreichs durchzieht, macht die Freiheit in seinem Gefolge einen Riesenschritt und wirst die Revolutionen in den Wind, wie ein Säemann das Korn auswirft.

      »Napoleon fällt 1815, und schon ist die Ernte, die er vorbereitet hat, auf gewissen Boden gut zu machen. So verlangen im Jahre 1818, – erinnern Sie sich der Data, mein Vater, – das Großherzogthum Baden und das Königreich Baiern eine Constitution und erhalten sie: 1819 verlangt Württemberg eine Constitution und erhält sie: 1820 Revolution und Constitution der Cortes in Spanien: 1821 Empörung der Griechen gegen die Türkei.

      »Der Mensch ist Gefangener: der Mensch ist an den Felsen von St. Helena gefesselt: der Mensch ist todt; der Mensch ist begraben; der Mensch ruht unter seinem namenlosen Steine; doch die Idee ist frei, doch die Idee überlebt ihn, doch die Idee ist unsterblich!

      »Eine einzige Nation, eine einzige, war durch ihre topographische Lage dem progressiven Einflusse Frankreichs entgangen, weil sie zu weit entfernt war, als daß wir je daran gedacht hätten, den Fuß auf ihr Gebiet zu setzen. Napoleon träumt die Vernichtung der Engländer in Indien durch seine Verbindung mit Rußland . . . Dadurch, daß er die Augen immer auf Moskau geheftet hält, gewöhnt er sich an die Entfernung; die Entfernung verschwindet allmählich durch einen zugleich erhabenen und wahnsinnigen optischen Effect. Einen Vorwand, und wir erobern Rußland, wie wir Italien, Aegypten, Deutschland, Oesterreich und Spanien erobert haben. Der Vorwand wird eben so wenig fehlen, als er zur Zeit der Kreuzzüge fehlte, wo wir die Civilisation vom Orient entlehnten. Gott will es: wir werden die Freiheit dem Norden bringen. Ein englisches Schiff läuft in den Hafen irgend einer Stadt am Baltischen Meere ein, und der Krieg ist von Napoleon dem Manne erklärt, der zwei Jahre vorher, sich vor ihm verbeugend, folgenden Vers vom Voltaire auf sich anwandte:

      L’amitié d’un grand homme est un bienfait des dieux! 12

      »Und vor Allem scheint es, aus den ersten Blick, die Vorhersehung Gottes scheitere an dem despotischen Instincte eines Menschen. Frankreich dringt in Rußland ein, Rußland weicht aber vor Frankreich zurück: die Freiheit und die Sklaverei werden nicht in Berührung kommen. Kein Samen wird in dieser eisigen Erde keimen: denn vor unseren Heeren werden nicht nur die feindlichen Heere, sondern auch die feindlichen Völkerschaften zurückweichen. Es ist ein wüstes Land, dessen wir uns bemächtigen, es ist eine in Brand gesteckte Hauptstadt, welche in unsere Hände fällt, und wenn wir in Moskau einziehen, ist Moskau leer, steht Moskau in Flammen!

      »Da ist die Sendung Napoleons erfüllt, und der Augenblick seines Sturzes ist gekommen: denn der Sturz von Napoleon wird der Freiheit so ersprießlich sein, als es die Erhebung von Napoleon gewesen ist. So klug vor dem siegenden Feinde, wird der Czaar vielleicht unklug vor dem besiegten Feinde sein: er war vor dem Eroberer zurückgewichen, – sehen Sie, mein Vater, sehen Sie, er schickt sich an, dem Flüchtling zu folgen . . .

      »Gott zieht seine Hand von Napoleon zurück . . . Ist nicht seit drei Jahren sein guter Genius, Josephine, von ihm entfernt, um Marie Louise, der Inkarnation des Despotismus, Platz zu machen? Gott zieht also seine Hand von Napoleon zurück: und damit das himmlische Dazwischentreten sehr sichtbar sei, sind es diesmal bei den menschlichen Dingen nicht mehr Menschen, welche gegen Menschen kämpfen: die Ordnung der Jahreszeiten ist verkehrt, der Schnee und die Kälte kommen in Eilmärschen: es sind die Elemente, welche eine Armee tödten.

      »Und so treffen die von der Weisheit des Herrn vorhergesehenen Dinge ein. Paris konnte seine Civilisation nicht nach Moskau tragen: Moskau kommt und verlangt sie in Paris.

      »Zwei Jahre nach dem Brande seiner Hauptstadt wird Alexander in der unsern einziehen: doch sein Aufenthalt hier wird von zu kurzer Dauer sein: seine Soldaten werden kaum den Boden Frankreichs berührt haben: unsere Sonne, die sie erleuchten sollte, hat sie nur geblendet.

      »Gott ruft seinen Auserwählten zurück: Napoleon erscheint wieder: der Gladiator betritt wieder die Arena, kämpft, fällt und streckt bei Waterloo den Hals hin.

      »Da öffnet Paris dem Czaar und seinem wilden Heere wieder die Thore. Diesmal wird die Occupation drei Jahre an den Usern der Seine diese Menschen von der Newa, von der Wolga und vom Don zurückhalten: ganz angefüllt von neuen und fremden Ideen, die unbekannten Namen Civilisation, Befreiung und Freiheit stammelnd, werden sie in ihr wildes Land zurückkehren, und acht Jahre nachher wird eine republikanische Verschwörung in Petersburg ausbrechen . . . Wenden Sie die Augen gegen Rußland, mein Vater, und Sie werden den Herd dieses Brandes noch rauchend aus dem Senats-Platze sehen.

      »Mein Vater, Sie haben Ihr Leben dem Menschen-Idee geweiht: der Mensch ist todt, die Idee lebt. Leben Sie auch für die Idee!«

      »Was sagst Du, mein Sohn?« rief Herr Sarranti, seinen Sohn mit Augen anschauend, in denen sich zugleich das Erstaunen und die Freude, die Ueberraschung und der Stolz malten.

      »Mein Vater, ich sage, nachdem Sie so muthig gekämpft, werden Sie nicht das Leben verlassen wollen, ehe Sie die Stunden der zukünftigen Unabhängigkeiten haben schlagen hören. Mein Vater, die Welt rührt sich; Frankreich ist in Arbeit wie ein vulcanischer Berg; noch ein paar Jahre, ein paar Monate vielleicht, und die Lava wird aus dem Krater hervorbrechen, auf ihrem Wege, wie verfluchte Städte, alle Knechtschaften, alle Erniedrigungen einer Gesellschaft verschlingend, welche verurtheilt ist, einer neuen Gesellschaft Platz zu machen.«

      »Wiederhole die Worte, Dominique!« rief der enthusiastische Corse, dessen Augen vor Freude funkelten, da er aus dem Munde seines Sohnes diese prophetischen und tröstlichen, für ihn wie ein Diamantenthau kostbaren Worte hervorkommen hörte; »wiederhole diese Worte . . . Du gehörst zu einer geheimen Gesellschaft, nicht wahr, und Du kennst das Auflösungswort der Zukunft?«

      »Ich gehöre zu keiner geheimen Gesellschaft, mein Vater, und kenne ich das Auflösungswort der Zukunft, so habe ich es in der Vergangenheit gelesen. Ich weiß nicht, ob sich ein Complott in der Dunkelheit anzettelt; doch ich weiß, daß eine allmächtige Verschwörung im Angesichte Aller im vollen Sonnenscheine aufgegangen ist: das ist die Verschwörung