Иван Гончаров

Oblomow


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Wiborgskajastraße . . .

      – Das ist aber etwas ganz Neues, auf die Wiborgskajastraße! Man sagt, daß dort im Winter die Wölfe herumlaufen.

      – Es kommt vor, daß sie von den Inseln herüberlaufen, was geht denn das Dich an?

      – Es ist dort langweilig und öde und niemand kommt hin.

      – Das ist nicht wahr! Dort wohnt meine Gevatterin; sie hat ihr eigenes Haus mit großen Gemüsegärten. Sie ist eine vornehme Frau, eine Witwe mit zwei Kindern; mit ihr zusammen lebt ihr lediger Bruder; der hat einen ganz anderen Verstand, als dieser da in der Ecke, – sagte er, auf Alexejew hinweisend, – da sind wir beide nichts dagegen!

      – Was geht das alles mich an? – sagte Oblomow ungeduldig. – Ich werde dorthin nicht übersiedeln.

      – Wir werden einmal sehen, ob Du dorthin nicht übersiedeln wirst. Nein, wenn Du um Rath bittest, mußt Du auch darauf hören, was man Dir sagt.

      – Ich werde nicht übersiedeln, – sagte Oblomow entschlossen.

      – Nun, dann gehʼ zum Teufel! – antwortete Tarantjew sich seinen Hut aufstülpend und schritt zur Thür hin.

      – Was Du für ein seltsamer Kauz bist! – sagte er wieder umkehrend, – was gefällt Dir denn hier so gut?

      – Was ist das für eine Frage? Hier habe ich alles in der Nähe, die Läden, das Theater, die Bekannten . . . das Centrum der Stadt, alles . . .

      – Wa— as? – unterbrach ihn Tarantjew. – Wie lang istʼs her, daß Du ausgegangen bist? Sagʼ einmal. Wie lang istʼs her, daß Du im Theater warst? Zu welchen Bekannten gehst Du hin? Wozu brauchst Du also das Centrum? Gestatte mir einmal die Frage.

      – Wozu? Es kommt ja Verschiedenes vor!

      – Siehst Du, Du weißt es selbst nicht. Und dort, stelle Dir nur vor, wirst Du bei meiner Gevatterin, bei einer vornehmen Frau, still und ruhig leben; niemand wird Dich belästigen; dort ist kein Lärm und kein Trubel und alles ist rein und in Ordnung. Schau mal her, Du lebst ja wie in einem Gasthof und willst noch ein Gutsbesitzer und ein Edelmann sein! Und dort ist es rein und ruhig; Du hast auch jemand, mit dem Du ein Wort wechseln kannst, wenn Du Dich langweilst. Außer mir wird niemand zu Dir kommen. Es sind zwei Kinderchen da – Du kannst mit ihnen spielen, so viel Du willst. Was willst Du noch? Und was Du Dir dabei ersparst! Was zahlst Du hier?

      – Ein ein halb Tausend.

      – Und dort brauchst Du für das ganze Haus nur tausend Rubel zu zahlen! Und was das für helle, hübsche Zimmer sind! Sie wollte schon lange einen stillen, pünktlichen Mieter haben – ich schlage ihr Dich vor. . . .

      Oblomow schüttelte zerstreut den Kopf.

      – Du lügst. Du wirst übersiedeln! – sagte Tarantjew. – Du mußt in Betracht ziehen, daß Dich das um die Hälfte billiger kommen wird. Du ersparst Dir an der Miete allein fünfhundert Rubel. Du wirst eine viel bessere und reinere Kost haben, weder die Köchin, noch Sachar werden Dich bestehlen. . .

      Aus dem Vorzimmer drang ein Brummen herein.

      – Und alles wird in Ordnung sein, – sprach Tarantjew weiter, – man kann sich zu Dir jetzt gar nicht an den Tisch setzen: man möchte Pfeffer haben, es ist keiner da, man hat keinen Essig gekauft, die Messer sind nicht geputzt; Du sagst, die Wäsche geht verloren, überall ist Staub, es ist überhaupt ein Greuel! Und dort wird eine Frau die Wirtschaft führen; weder Du, noch der Schafskopf Sachar. .

      Das Brummen im Vorzimmer wurde lauter.

      – Dieser alte Hund, – fuhr Tarantjew fort, – wird an nichts zu denken brauchen: Du wirst mit allem versorgt sein. Was gibtʼs denn dabei zu überlegen? Ziehe aus, und die Sache ist in Ordnung. . .

      – Wie soll ich denn plötzlich, ohne jeden Grund auf die Wiborgskajastraße übersiedeln. . .

      – Was soll man mit Dir anfangen! – sagte Tarantjew, sich den Schweiß vom Gesicht wischend; – es ist jetzt Sommer, und dort ist es ja wie auf dem Lande. Du verfaulst ja ganz auf dieser Gorochowajastraße! . . . Dort ist der Besborodkinpark. Ochta ist ganz in der Nähe, die Newa ist zwei Schritte von Dir entfernt, Du hast Deinen eigenen Gemüsegarten – dort ist weder Staub, noch Hitze! Da gibtʼs gar keine Bedenken; ich laufe gleich nach dem Mittagessen zu ihr hinüber – Du gibst mir Geld für eine Droschke – und Du übersiedelst gleich morgen. . .

      – Was das für ein Mensch ist! – sagte Oblomow, – er denkt sich plötzlich Gott weiß was aus: auf die Wiborgskajastraße! Es ist eine Kunst, sich so etwas auszudenken. Bringe es lieber fertig, Dir etwas auszudenken, damit ich hier bleiben kann. Ich wohne hier seit acht Jahren und will nicht ausziehn. . .

      – Es ist alles erledigt: Du ziehst aus. Ich fahre jetzt gleich zur Gevatterin hin, ich werde mich über die Anstellung ein anderesmal erkundigen. . .

      Er wollte gehen.

      – Wartʼ, wartʼ, wohin? – hielt Oblomow ihn auf, – ich habe eine noch wichtigere Angelegenheit. Schau mal, was für einen Brief ich vom Dorfschulzen bekommen habe, und sage, was ich thun soll.

      – Was Du für ein Mensch bist! – antwortete Tarantjew, – Du kannst nichts selbst machen. Immer muß ich es sein! Nun, wozu taugst Du denn? Du bist ja kein Mensch, sondern ein Strohsack.

      – Wo ist der Brief? Sachar, Sachar! Er hat ihn schon wieder irgendwohin gesteckt! – sagte Oblomow.

      – Hier ist der Brief des Dorfschulzen, – sagte Alexejew, den zerdrückten Brief reichend.

      – Ja, da ist er, – wiederholte Oblomow und begann laut vorzulesen.

      – Was sagst Du dazu? Was soll ich thun! – fragte Ilja Iljitsch, als er fertig war. – Dürre, Zahlungsrückstände. . .

      – Du bist ein ganz verlorener Mann, – sagte Tarantjew.

      – Warum denn?

      – Bist Du es denn nicht?

      – Wenn ich ein Verlorener bin, dann sage, was ich thun soll?

      – Und was bekomme ich dafür?

      – Ich habe ja gesagt, daß es Champagner geben wird; was willst Du denn noch?

      – Der Champagner ist für das Wohnungssuchen; ich habe Dich mit Wohlthaten überhäuft, und Du fühlst das nicht und streitest noch; Du bist undankbar! Suche Dir einmal selbst eine Wohnung! Und was das für eine Wohnung ist! Vor allem, wie ruhig Du da leben wirst, wie bei einer leiblichen Schwester. Dann sind zwei Kinder und der ledige Bruder da, ich werde jeden Tag kommen. . .

      – Gut, gut, – unterbrach Oblomow, – sagʼ mir jetzt, was ich mit dem Dorfschulzen thun soll?

      – Nein, laß außerdem noch Porter holen, dann sagʼ ichʼs Dir.

      – Jetzt willst Du auch noch Porter haben; ist Dir denn das alles noch zu wenig. . .

      – Nun, dann adieu, – sagte Tarantjew, wieder seinen Hut aufsetzend.

      – Ach, Du mein Gott! Der Dorfschulze schreibt hier, daß die Einnahmen um zwei Tausend geringer sind, und er will noch Porter haben! Nun gut, kaufe Porter.

      – Gib noch Geld! – sagte Tarantjew.

      – Dir bleibt ja noch der Rest vom Zehnrubelschein!

      – Und die Droschke in die Wiborgskajastraße?

      Oblomow nahm noch einen Rubel heraus und steckte ihm denselben ärgerlich zu.

      – Dein Dorfschulze ist ein Schwindler, das muß ich Dir vor allem sagen, – begann Tarantjew, den Rubel in die Tasche steckend, – und Du glaubst ihm, Du Schlafhaube. Siehst Du, was er für ein Lied singt! Von Dürre, Mißernte, Rückständen und von den fortgelaufenen Bauern. Er lügt, das ist alles gelogen! Ich habe gehört, daß man in unserer Gegend, in Schumilowskoje mit der vorjährigen Ernte alle Schulden bezahlt hat, und bei Dir ist plötzlich Dürre und Mißernte. Und Schumilowskoje ist nur fünfzig Werst von Deinem Gut entfernt; warum ist denn das Getreide dort nicht ausgebrannt? Was er sich noch ausdenkt. Rückstände! Warum