Иван Гончаров

Oblomow


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Sie doch auf! Es ist Zeit sich anzukleiden.

      – Warten Sie ein wenig, es ist ja noch früh.

      – Es ist gar nicht mehr früh! Er hat gebeten, Sie möchten um zwölf Uhr kommen; wir werden etwas früher essen, damit wir um zwei Uhr schon fertig sind, und fahren dann zum Corso. Gehen wir also gleich! Soll ich Ihnen die Kleider geben lassen?

      – Wieso die Kleider? Ich habe mich noch nicht gewaschen.

      – Waschen Sie sich also.

      Alexejew begann im Zimmer auf und ab zu gehen, blieb dann vor einem Bild stehen, das er tausendmal früher gesehen hatte, blickte flüchtig zum Fenster hinaus, nahm irgendeinen Gegenstand von der Etagére herunter drehte ihn in den Händen herum, betrachtete ihn von allen Seiten, legte ihn dann hin und begann wieder pfeifend auf und ab zu gehen, um Oblomow beim Aufstehen und Waschen nicht zu stören. So vergiengen zehn Minuten.

      – Was ist denn mit Ihnen? – fragte plötzlich Alexejew Ilja Iljitsch.

      – Was denn?

      – Sie liegen ja noch immer?

      – Muß ich denn aufstehen?

      – Aber gewiß! Man erwartet uns Sie wollten ja mitkommen.

      – Wohin denn? Ich wollte nirgends mitkommen . . .

      – Wir haben ja eben davon gesprochen, daß wir zu Owtschinin zum Essen, und dann nach Jekaterinhof fahren . . .

      – Ich soll in dieser Nässe fahren! Und was gibt es dort Besonderes? Es schaut nach Regen aus, es wird trüb, – sagte Oblomow träge.

      – Es ist kein Wölkchen am Himmel, und Sie denken sich einen Regen aus! Es ist deshalb trübe, weil die Fenster bei Ihnen schon sehr lange nicht mehr gewaschen wurden. Wie viel Schmutz drauf ist! Man sieht rein nichts und außerdem ist die eine Jalousie fast ganz geschlossen.

      – Ja, erwähnen Sie das nur einmal in Sachars Anwesenheit, da wird er Ihnen gleich Abwaschfrauen vorschlagen und mich für den ganzen Tag aus dem Hause jagen! Oblomow sann nach, während Alexejew mit den Fingern auf dem Tisch trommelte, an dem er saß und die Augen zerstreut über die Wände und die Zimmerdecke irren ließ.

      – Also wie wird es sein? Was thun wir? Ziehen Sie sich an oder bleiben Sie so? – fragte er nach ein paar Minuten.

      – Wohin?

      – Nach Jekaterinhof!

      – Was finden Sie denn an diesem Jekaterinhof! – antwortete Oblomow ärgerlich. – Können Sie denn hier nicht sitzen bleiben? Ist es denn kalt im Zimmer oder ist hier schlechte Luft, daß Sie hinaus wollen?

      – Nein, ich fühle mich bei Ihnen immer wohl; ich bin hier zufrieden, – sagte Alexejew.

      – Also, wenn es hier schön ist, wozu dann anderswohin wollen? Bleiben Sie lieber für den ganzen Tag bei mir, essen Sie hier zu Mittag und gehen Sie dann abends, wenn es sein muß! . . . Ja, ich habe ganz vergessen: ich kann ja gar nicht mitfahren! Tarantjew kommt zum Essen; es ist ja heute Samstag.

      – Wenn es so ist . . gut . . . wie Sie wollen . . . – sagte Alexejew.

      – Habe ich Ihnen noch nichts von meinen Angelegenheiten erzählt? – fragte Oblomow lebhaft.

      – Von welchen Angelegenheiten? Ich weiß nichts, – antwortete Alexejew, ihn neugierig anblickend.

      Wissen Sie, warum ich so lange nicht aufstehe? Ich bin ja immer dagelegen und habe nachgedacht, wie ich mich von der Verlegenheit befreien soll.

      – Was ist es denn? fragte Alexejew und bestrebte sich ein erschrockenes Gesicht zu machen.

      – Ich habe ein doppeltes Unglück! Ich weiß nicht, was ich thun soll.

      – Was denn für eins?

      – Man jagt mich aus der Wohnung heraus, denken Sie sich – man soll übersiedeln: das Einpacken, die Schererei . . . es ist schrecklich daran zu denken! Ich wohne ja acht Jahre in dem Hause. Der Hausherr hat mir einen Streich gespielt und sagt: »Räumen Sie schnell die Wohnung .«

      – Und noch dazu schnell! Es muß also sein. Das Übersiedeln ist etwas sehr Unangenehmes; damit sind immer viele Scherereien verbunden, – sagte Alexejew. Vieles wird zerschlagen und geht verloren – das ist sehr langweilig! Und Sie haben eine so schöne Wohnung . . . Was zahlen Sie?

      – Wo findet man eine zweite solche Wohnung, – sagte Oblomow, und noch dazu in der Eile? Die Wohnung ist trocken und warm; es ist ein ruhiges Haus: man hat mich nur einmal bestohlen! Die Zimmerdecke schaut ganz unzuverlässig aus, der Mörtel ist ganz lose daran, fällt aber doch nicht herab.

      – Wirklich? – sagte Alexejew, den Kopf hin und her wiegend.

      »Wie soll man es einrichten, daß ich nicht übersiedeln muß?« sagte Oblomow grübelnd vor sich hin.

      – Haben Sie Ihre Wohnung contractlich gemietet? – fragte Alexejew, das Zimmer von der Decke bis zum Fußboden musternd.

      – Ja, aber der Contract ist abgelaufen; ich habe die ganze Zeit monatlich gezahlt . . . ich weiß aber nicht wie lange.

      Beide sannen nach.

      – Was haben Sie also vor? – fragte Alexejew nach einem Schweigen, – übersiedeln Sie oder bleiben Sie?

      – Ich habe gar nichts vor, – sagte Oblomow, – ich will gar nicht daran denken. Sachar soll etwas erfinden.

      – Und manche Menschen lieben das Übersiedeln, – sagte Alexejew, – das Wohnungswechseln ist ihr einziges Vergnügen . . .

      – Nun, dann sollen diese »manche« auch übersiedeln! Aber ich kann alle diese Veränderungen nicht ausstehn! Die Wohnung ist noch das wenigste! – Schauen Sie einmal was mir der Dorfschulze schreibt. Ich werde Ihnen gleich den Brief zeigen . . . Wo ist er? Sachar, Sachar!

      »Ach du himmlische Jungfrau!« – krächzte Sachar in seinem Zimmer, indem er von der Ofenbank heruntersprang: »Wann wird mich Gott zu sich rufen?«

      Er kam herein und blickte den Herrn mit trüben Augen an.

      – Warum hast Du den Brief nicht gefunden?

      – Wo soll ich ihn finden? Weiß ich denn, was für einen Brief Sie brauchen? Ich kann nicht lesen.

      – Das ist ganz gleich, suche nur, – sagte Oblomow.

      – Sie haben ja gestern Abend irgendeinen Brief gelesen, – sprach Sachar, – und dann habʼ ich ihn nicht mehr gesehen.

      – Wo ist er denn, – entgegnete Oblomow ärgerlich. – Ich habʼ ihn nicht verschluckt. Ich erinnere mich sehr gut, daß Du ihn mir fortgenommen und irgendwohin gelegt hast. Schau einmal nach, wo er ist!

      Er schüttelte die Decke; der Brief fiel aus den Falten auf den Fußboden.

      – Sie schieben immer alles auf mich . . .

      »Nun, gehʼ nur, geh« nur! »– schrieen Oblomow und Sachar zu gleicher Zeit einander an. Sachar gieng und Oblomow begann den Brief zu lesen, dessen graues Papier mit Kwaß beschrieben zu sein schien und der mit braunem Siegellack versiegelt war.

      »Geehrter Herr,« begann Oblomow, »Euer Wohlgeboren, unser Vater und Ernährer, Ilja Iljitsch . . .!

      Er übersprang ein paar Begrüßungsworte und Wünsche für sein Wohlergehen und las aus der Mitte weiter:

      »Ich berichte Deinem herrschaftlichen Wohlgeboren, daß auf Deinem Gut, Du unser Ernährer, alles in Ordnung ist. Wir haben schon seit fünf Wochen keinen Regen. Der Herrgott zürnt uns wohl, da er uns keinen Regen sendet. Selbst die Alten können sich einer solchen Dürre nicht erinnern. Die Sommersaaten sind wie vom Feuer verbrannt. Die Wintersaaten sind an manchen Stellen von Würmern zernagt, und an manchen Stellen haben frühzeitige Fröste sie zugrunde gerichtet, wir haben sie zu Sommersaaten umgepflügt, wissen aber nicht, ob es gerathen wird? Vielleicht wird der barmherzige Gott Deinem herrschaftlichen Wohlgeboren helfen, um uns sorgen wir uns nicht, wir sollen nur crepieren. Und zu Johanni sind noch drei Bauern fort: