Александр Дюма

Das Brautkleid


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sich zu verteidigen.

      In diesem Augenblick schwang sich durch ein rundes Fenster, welches zu einem abgelegenen kleinen Zimmer gehörte, ein Mann in der Uniform der Kanoniere von Croix-Rouge herum und fiel zwischen den Frauen nieder. Diese stießen einen Schrei des Entsetzens aus und die Nationalgarden schickten sich an, ihm den Kopf mit ihren Stühlen zu zerschmettern, als plötzlich die Baroness einen Schrei ausstieß und ihre beiden Hände nach diesem Manne ausstreckte; es war der Baron.

      In einem Augenblicke erkannten ihn die Frauen, und die beiden Nationalgardisten wußten, daß sie es mit einem Freunde zu tun hatten.

      Mit wenigen Worten setzte sie der Baron von dem Vorgefallenen in Kenntnis; von seinem Posten vertrieben, von Zimmer zu Zimmer verfolgt, fand er an der Türe des anstoßenden Kabinetts den Leichnam eines Artilleristen von Croix-Rouge; er schleppte denselben in das Kabinett, zog seine Kleider an und durch das kleine Fenster, welches, wie er wußte, in Verbindung mit der Bibliothek stand, hatte er sich mit seiner Frau wieder vereinigt.

      Kaum hatte er diese Erklärung gegeben, als die Marseiller, welche die Flüchtlinge aus dem Gesicht verloren hatten, aber den Blutspuren gefolgt waren, die Treppe heraufstürzten.

      Der Baron ergriff einen schnellen, raschen und angemessenen Entschluss, und eilte ihnen entgegen.

      »Hierher Kameraden!« rief er. »Hierher!«

      »Kanonier von Croix-Rouge?«riefen die Marseiller.

      »Ja, Kameraden, wir waren gefangen gehalten. Diese beiden braven Nationalgardisten und ich sollten erdrosselt werden, da verbargen uns diese Frauen in diesem Kabinette hier. Das Leben für sie; denn sie haben uns das Leben gerettet!«

      »Wohl an, wenn sie rufen: »es lebe die Nation!«

      Die armen Frauen riefen Alles, was sie wollten.

      Dann zerstreuten sich die Marseiller in die Zimmer, indem sie die beiden Nationalgardisten mit sich führten.

      »Und diese armen Frauen, die uns gerettet haben,« rief der Baron, »wollt Ihr Andern überlassen, die sie vielleicht erwürgen werden, indem sie nicht wissen, welche Dienste sie uns geleistet haben?«

      »Nein,« antworteten die Marseiller, indem sie umkehrten; »aber was willst Du, daß wir mit ihnen machen sollen?«

      »Ich verlange, daß man sie nach Hause bringe, und daß ihre Aufopferung belohnt werde.«

      »Dann sollen sie unsern Arm nehmen und uns sagen, wo sie wohnen.«

      »Wo wohnst Du, Bürgerin?.«fragte der Baron seine Frau.

      »Straße Verneuil No. 6,« erwiderte Frau von Marsilly.«

      »Kamerad!« sagte der Baron zu jenem der Marseiller, der ihm das gutmütigste Gesicht zu haben schien.

      »Ich empfehle Dir diese da. Sie hat am meisten für mich Sorge getragen, und sie wohnt da in der Nähe, Du hast nur über die Seine zu gehen.«

      »Sei ruhig,« sagte der Marseiller,« sie wird sicher nach Hause gelangen; ich stehe Dir gut dafür!«

      »Aber Du, Bürger,« schrie die arme Frau, indem sie sich an den Arm ihres Mannes anklammerte, »was willst Du beginnen?«

      »Ich?«sagte der Baron, indem er die Sprache und die Haltung annahm, die mit seiner jetzigen Kleidung übereinstimmte, »ich will ein wenig sehen, was aus dem König geworden ist.«

      Die Baroness stieß einen Seufzer aus, ließ den Arm ihres Mannes los und entfernte sich am Arme ihres Beschützers.

      Der Baron stieg durch das kleine Fenster in das benachbarte Kabinett, zog seine Uniform wieder an, die er nur auf einen Augenblick und in der Hoffnung abgelegt hatte, daß er mittelst dieser Verkleidung seine Frau retten könne.

      Die Baroness erwartete vergebens ihren Mann den ganzen Tag hindurch am 10. und 11.

      Am 11. Abends erkannte ein Portier, als man die Leichnam vom Hofe der Schweizer wegnahm und er half, sie auf den Karren werfen, den Baron, ließ den Leichnam in seine Loge tragen, und setzte die Frau von Marsilly, welche wohlbehalten nach Hause gekommen war, davon in Kenntnis, daß ihr Mann unter den Toten wieder erkannt worden sei.

      V.

      Die Marquise de la Roche-Bertaud

      Der Schmerz der Baroness war ungeheuer; aber da sie eine zugleich einfache und starke Seele war, so gewährte es ihr einen großen Trost, daß ihr Mann starb, indem er seine Pflicht erfüllte.

      Es blieb ihr genug übrig, um mit ihrer Mutter und ihrem Kinde leben zu können.

      Mit der Marquise in Paris bleiben, hieß sich tausend Gefahren aussetzen. Die Marquise war einer jener Charaktere, die keiner Verstellung fähig sind, weder durch die Kraft ihrer Seele, noch in Folge politischer Überzeugung, sondern bloß darum, weil es ihr, in einem gewissen Kreise geboren und nach einer gewissen Art erzogen, unmöglich war, auch nur einen Augenblick lang ihre Geburt, ihre Meinung, ihren Hass, oder ihre Sympathien zu verbergen. Überdies wurden die Zeiten in jedem Augenblicke stürmischer; der König und die Königin waren im Tempel; die einzelnen Niedermetzlungen währten in den Straßen fort und erwarteten das große Blutbad, welches sich schon heimlich vorbereitete. Herr Guillotin kam endlich, um der legislativen Versammlung das philanthropische Werkzeug vorzulegen, welches er die Güte hatte zu erfinden; wie man sieht, war es Zeit, Frankreich zu verlassen.

      Aber Frankreich zu verlassen war keine so leichte Sache. Die strengsten Strafen erwarteten die, welche auszuwandern suchten, und es täuschte nicht, indem man eine Gefahr floh, fiel man in eine andere, weit größere.

      Die Marquise wollte Alles leiten; sie sprach von der Berline, von Postpferden, von Pässen, welche sie durch die Protektion fremder Gesandten erlangen wollte, die, wie sie sagte, im Namen ihres Souveräns alle diese Halunken da zwingen würden, sie, ihre Tochter und ihre Enkelin hinauszulassen. Die Baroness bat sie, ihr diese Angelegenheit zu überlassen, und nach vielen Bitten erlangte sie endlich von ihrer Mutter, daß sie sich in diese Sache nicht mehr mischen wolle.

      Sie war es also, die Alles leitete.

      Der Baron besaß ein Landgut, welches zwischen Abbeville und Montreuil lag.

      Dieses Landgut hatte ein Pächter inne, dessen Voreltern seit zweihundert Jahren die Pächter der Ahnen des Herrn von Marsilly gewesen waren. Die Baroness glaubte mit vollem Rechte, auf diesen braven Mann rechnen zu können. Sie schickte ihm einen alten Bedienten, der den Baron aufgezogen hatte und seit vierzig Jahren in der Familie diente; dieser alte Diener bekam aus Furcht vor Durchsuchungen keine schriftliche Instruktion, wohl aber eine mündliche von Seite der Baroness, und er wußte Alles, was er zu sagen hatte.

      Die Familie des Pächters bestand gerade aus einer Mutter und einer Frau. Es wurde die Übereinkunft getroffen, daß er nach Paris kommen solle und daß die Marquise und die Baroness mittelst der Kleider und der Pässe dieser beiden Bäuerinnen die Hauptstadt verlassen sollten. Während dieser Zeit traf die Baroness Marsilly alle Anstalten zur Abreise.

      Es gab zu jener Zeit, wo Alles baare Geld in Assignaten verwandelt worden war, sehr wenig gemünztes Geld, indessen gelang es der Baroness, zwanzigtausend Franken zusammenzubringen, welche mit achtzig oder hunderttausend Franken, der Marquise gehörend, den Emigranten zur Bestreitung der notwendigsten Bedürfnisse hinreichten. Überdies glaubte jedermann, daß dieser Stand der Dinge nicht lange dauern könne und selbst nach der Ansicht der das Schlimmste Voraussehenden, mußte die Sache vor drei oder vier Jahren beendigt sein.

      Die beiden armen Damen beschäftigten sich also mit den Vorbereitungen zur Abreise.

      Diese waren von Seite der Baroness nicht von langer Dauer, und mit jener verständigen Einfachheit ausgeführt, welche die Grundlage ihres Charakters bildete; dasselbe war aber nicht von Seiten der Marquise der Fall. Als ihre Tochter ihr Zimmer betrat, fand sie sie unter einer Menge von Kisten, Koffern und andern Packen, welche hingereicht haben würden, drei Wagen voll zu füllen. Sie wollte keines ihrer Kleider zurücklassen, und sogar ihr Tischzeug mit fortnehmen.

      »Meine Mutter,« sagte die Baroness, indem sie traurig den Kopf schüttelte,« Sie machen sich viel unnötige Mühe. Um keinen Verdacht zu erregen, können wir