Александр Дюма

Der Graf von Moret


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wird die Dritte an diesem Abende sein, trotzdem hört Ihr nicht auf, Euch zu beklagen, schöner Amadis.«

      »Ich beklage mich nicht mehr; auf Wiedersehen, Herzogin!«

      »Gebt auf die Falltüren Acht!«

      »Die sind mir jetzt gleichgültig; ich wage Alles!«

      Die Herzogin verschloss die Tür hinter dem Grafen, welcher sich nun in der vollkommensten Dunkelheit befand.

      Einen Augenblick zögerte er; er wusste durchaus nicht, wo er sich befand; einen Moment ging er wirklich mit dem Gedanken um, zurückzugehen, doch das Geräusch des Schlüssels, der die Tür hinter ihm abschloss, hielt ihn auf seinem Platze.

      Nach wenigen Sekunden hatte er sich entschlossen, das Abenteuer bis an sein Ende zu verfolgen.

      »Ventre-Saint-Gris!« rief er, »die schöne Herzogin behauptet, ich sei der echte Sohn Heinrichs IV.; strafen wir sie nicht Lügen!«

      Und er schlich, den Atem anhaltend und mit den Händen vor sich hin tastend, durch den Korridor.

      Kaum hatte er zwanzig Schritte mit jenem Zaudern gemacht, das selbst der Mutigste nicht überwinden kann, wenn er sich im Finstern befindet, als er das Rauschen eines Frauenkleides zu hören glaubte, das ihm immer näher kam.

      Er blieb stehen, das Rauschen hörte auf.

      Er überlegte noch, wie er die Person anreden sollte, von der das Geräusch ausging, als eine sanfte und zitternde Stimme fragte:

      »Seid Ihr es, Monseigneur?«

      Die Inhaberin der Stimme konnte kaum zwei Schritte vom Grafen entfernt sein.

      »Ich bin es!« antwortete der Graf.

      Und er trat einen Schritt vorwärts. Seine Hand berührte dabei eine andere, weiche Hand, welche ausgestreckt worden zu sein schien, um ihn zu suchen, die sich aber nach der erfolgten Berührung schüchtern zurückzog.

      Zugleich ließ sich ein leichter Schrei hören, der von Überraschung und Angst hervorgerufen sein mochte, aber so einschmeichelnd und melodisch klang, wie der Seufzer einer Sylphe oder das Vieriren einer Aeolsharfe.

      Der Graf erbebte; er empfand bei dem Anhören dieses Tones ein Gefühl, das er bisher noch nicht gekannt hatte.

      Tiefes Gefühl war köstlich.

      »Wo seid Ihr?« flüsterte er.

      »Hier!« wurde zögernd geantwortet.

      »Man hat mir gesagt, dass ich eine Hand finden würde, die mich führt, da ich den Weg nicht kenne; werdet Ihr mir diese Hand verweigern?«

      Eine Pause folgte, während welcher die Person, an welche die Frage gerichtet war, zu überlegen schien; dann erfolgte die Antwort:

      »Hier ist meine Hand.«

      Mit beiden Händen erfasste der Graf das Händchen, das ihm gereicht wurde, und machte eine Bewegung, um es an seine Lippen zu drücken, aber diese Bewegung wurde durch ein einziges Wort vereitelt, dessen bittende Betonung nur als ein Schmerzensruf verletzter Schamhaftigkeit gedeutet werden konnte.

      »Monseigneur!«

      »Verzeihung, mein Fräulein!« sagte der Graf, und der Ausdruck, mit dem er diese Worte sprach, war so achtungsvoll, als ob er sie an die Königin selbst gerichtet hätte.

      Ein Stillschweigen folgte; der Graf behielt die Hand der Dame in der seinigen, und diese versuchte es nicht mehr, sie zurückzuziehen, aber sie ruhte unbeweglich in der sie umschließenden Hand, und es war, als ob ein fester Wille alles Leben aus ihr entfernt hätte.

      Es war, wenn man sich dieses Ausdruckes bedienen darf, eine stumme Hand.

      Aber die Ausdruckslosigkeit dieser Hand hinderte den Grafen nicht, zu bemerken, dass sie klein, zart, aristokratisch gebaut und vor Allem von jungfräulicher Frische sei.

      Nicht an seine Lippen hatte er jetzt das Verlangen sie zu pressen, sondern gegen sein Herz.

      Seit er diese Hand berührt hatte, war er unbeweglich geblieben, als ob er den Zweck seines Hierseins völlig vergessen hätte.

      »Kommt Ihr, Monseigneur?« fragte die sanfte Stimme.

      »Wohin wollet Ihr, dass ich gehe?« sagte der Graf, ohne sonderlich zu wissen, was er sprach.

      »Dorthin, wo die Königin Euch erwartet; zu Ihrer Majestät!«

      »Es ist wahr,« erwiderte er seufzend, »ich hatte es vergessen; gehen wir!«

      Und ein moderner Theseus tappte er durch ein weniger kompliziertes. aber viel finstereres Labyrinth als das von Creta, und nicht durch den Faden Ariadne's, sondern von Ariadne selbst geführt.

      Nachdem einige Schritte gemacht worden waren, wandte sich Ariadne nach rechts.

      »Wir sind gleich zur Stelle!« sagte sie.

      »Leider!« flüsterte der Graf.

      Man langte in der Tat vor einer Glastür an, welche in das Vorzimmer der Königin führte; aber da die Majestät in Folge ihrer Unpässlichkeit sich bereits zur Ruhe begeben hatte, waren in diesen! Vorzimmer alle Lichter bis auf eine Ampel ausgelöscht, welche von der Decke herabhing und durch ihre matt geschliffene Schale nur ein sehr schwaches Dämmerlicht verbreitete.

      Bei diesem geringen Scheine versuchte es der Graf, seine Führerin zu betrachten, aber er konnte nichts als die Umrisse ihrer Gestalt gewahren.

      Das junge Mädchen blieb stehen.

      »Monseigneur,« sagte sie, »da Ihr hier genug seht, um allein geben zu können, so folgt mir.«

      Und trotz einer leichten Anstrengung, die der Graf machte, um ihre Hand festzuhalten, befreite sie dieselbe, schritt voran, öffnete die Tür und trat in das Vorzimmer der Königin.

      Der Graf von Moret folgte ihr.

      Schweigend und auf den Fußspitzen durchschritten Beide das Vorzimmer, um die dem Korridor gegenüberliegende Tür zu erreichen, welche in die Gemächer Anna's von Österreich führte.

      Plötzlich blieben sie stehen, denn sie vernahmen ein Geräusch, welches mit jeder Sekunde näher kam.

      Dieses Geräusch rührte von mehreren Personen her, welche die große Treppe hinan stiegen.

      »Mein Gott,« flüsterte das Mädchen bestürzt, »sollte es der König sein, der, vom Ballet kommend, sich nach dem Befinden Ihrer Majestät erkundigen, oder vielmehr sich überzeugen will, ob sie wirklich krank ist?«

      »Man kommt in der Tat von dieser Seite!« sagte der Graf.

      »Wartet,« sagte die junge Dame, »ich will nachsehen.«

      Sie ging aus die Tür zu, welche auf die Haupttreppe führte, öffnete sie ein wenig und kehrte schnell zum Grafen zurück.

      »Er ist es wirklich,« sagte sie; »schnell, schnell in dieses Kabinett!«

      Und eine Tapetentür öffnend, stieß sie den Grafen durch dieselbe, und trat nach ihm in das Kabinett.

      Es war hohe Zeit gewesen. Kaum hatte sich die Tür des Kabinetts geschlossen, als sich die andere schon öffnete, und unter Vorantritt zweier Pagen, welche Fackeln trugen, und in Begleitung seiner Lieblinge, Baradas und St. Simon, denen der erste Kammerdiener, Beringhen, folgte, trat der König Ludwig XIII. in das Vorzimmer, und verfügte sich, nachdem er seinem Gefolge ein Zeichen gegeben hatte, zu warten, in die Gemächer der Königin.

      IX.

      Ludwig XIII

      Wir glauben, dass die Zeit gekommen ist, unsern Lesern den König Ludwig XIII. vorzustellen, und sie werden uns verzeihen, wenn wir dieser eigentümlichen Persönlichkeit ein ganzes Capitel widmen.

      Ludwig XIII., geboren am 27. September 1601, also zu der Zeit, von der wir erzählen, in einem Alter von 27 Jahren und drei Monaten, war eine lange, trübselige Figur von braunem Teint, mit einem großen schwarzen Schnurrbart. Kein Zug, weder seiner Physiognomie noch seines Charakters, erinnerte an Heinrich IV.,