den Toilettentisch, grüßte ehrfurchtsvoll die Königin, und verschwand dann durch eine Seitentür des Schlafgemaches.
Das Gemach blieb nun durch die Lampe und die Kerze beleuchtet, welche beide so gestellt waren, dass die Lichtstrahlen auf das Bett fielen, von dem aus Anna von Österreich dem Grafen von Moret Audienz erteilen sollte.
Bevor jedoch die Königin den jungen Mann herbeirief, dem sie eine Audienz bewilligt hatte, richtete sie unruhige und erwartende Blicke auf zwei andere Türen, die in ihr Gemach führten.
Nach einigen Minuten wurde ihrer Ungeduld ein Ziel gesetzt; die beiden Türen öffneten sich fast zu gleicher Zeit.
Durch die eine trat ein junger Mann ein, der ganz in weiße Seide gekleidet war und in der Hand einen Hut von weißem Filz hielt, der mit zwei roten Federn geschmückt war. Er mochte ungefähr zwanzig Jahre zählen, war mager und brünett, und hatte einen harten Blick, der, wenn er sanfter werden sollte, falsch wurde.
Dieser junge Mann war Gaston von Orleans, den man im Allgemeinen Monsieur nannte, und welcher, wie die Chronique scandaleuse des Hofes sagte, von seiner Mutter nur deshalb so geliebt wurde, weil er der Sohn des schönen Günstlings, Concino, Concini, Marschall d'Ancre, war. Wer übrigens, wie wir unlängst in dem Museum von Blois nebeneinander das Bild des Marschalls d'Ancre und das des zweiten Sohnes Marias von Medicis sah, wird begreifen,., dass die außerordentliche Ähnlichkeit zwischen beiden wohl den Glauben an die Wahrheit dieser schweren Anklage erwecken konnte.
Wir haben gesagt, dass der König ihn seit der Angelegenheit von Chalais verachtete. In der Tat besaß Louis XIII. eine Art von Gewissen, Er war nicht fühllos gegen das, was man damals die Ehre der Krone nannte und was man jetzt die Ehre Frankreichs nennt. Sein Egoismus und seine Eitelkeit hatten unter den Händen Richelieus beinahe eine andere Form angenommen, und es war dem Kardinal gelungen, aus diesen beiden Lastern für ihn eine Art von Tugend zu bilden; aber Gaston – ein tückischer und feiger Mensch – hatte sich in der ganzen Angelegenheit von Nantes schmutzig benommen.
Er hatte in den Ministerconseil eintreten wollen. Richelieu würde des Friedens wegen eingewilligt haben, aber Gaston wollte, dass mit ihm auch sein Gouverneur Ornano eintreten solle. Richelieu verweigerte dies. Da schrie, fluchte, wüthete der junge Prinz, und sagte, dass Ornano im Guten oder mit Gewalt eintreten müsse. Richelieu, der Gaston nicht verhaften durfte, ließ Ornano festnehmen. Gaston drang mit Gewalt in den Conseil ein und fragte mit stolzer Stimme, wer die Keckheit gehabt hätte, seinen Gouverneur arretieren zu lassen. »Ich!« antwortete Richelieu mit der größten Ruhe.
Alles würde dabei geblieben sein und Gaston hätte eine Schmach verschluckt, wenn nicht Frau von Chevreuse, durch Spanien angetrieben, ihrerseits Chalais angetrieben hätte. – Chalais erbot sich gegen Monsieur, ihn von dem Kardinal zu befreien und Gaston ersann Folgendes, oder man flüsterte es ihm vielmehr zu: Er sollte mit seinem ganzen Hofstaate bei Richelieu in dessen Schloss Fleury speisen, und dort, an der Tafel, die Gastfreundschaft verratend, sollten Bewaffnete bequem einen Verteidigungslosen ermorden – einen Priester.
Übrigens hat seit sechzig Jahren Spanien dessen neidische und abscheuliche Hand man bei alle dem erkennt, nichts Anderes gegen die großen Persönlichkeiten getan, die ihm im Wege waren. Es hat sie unterdrückt. In der Politik heißt unterdrücken nicht, tödten, So hat es Coligny unterdrückt, Wilhelm von Nassau, Heinrich III., Heinrich IV. und so dachte es auch Richelieu zu unterdrücken. Das Verfahren ist monoton, aber darauf kommt wenig an; sobald es gelingt, ist es gut.
Diesmal jedoch scheiterte es.
Bei dieser Gelegenheit begann Richelieu, wie Herkules bei Augias, die Reinigung des Hofes durch die Wegfegung der Prinzen. Die beiden Bastarde Heinrichs IV., die Vendôme, wurden verhaftet, der Graf von Soissons ergriff die Flucht; Frau von Chevreuse wurde verbannt; der Herzog von Longueville fiel in Ungnade. Monsieur unterzeichnete ein Bekenntniß, durch welches er seine Freunde denunzierte und preisgab. Er wurde verheiratet, bereichert und entehrt.
Chalais allein ging ohne Schande aus dieser Verschwörung hervor, denn er verlor durch dieselbe seinen Kopf.
Obgleich so tief in Schmach versunken, war Monsieur erst zwanzig Jahre alt.
In der anderen Tür erschien zur selben Zeit eine Frau von fünfundfünfzig bis sechsundfünfzig Jahren, welche die Zeichen ihrer Königswürde, eine kleine goldene Krone und einen langen, mit Hermelin besetzten Purpurmantel, mit denen sie bei der Ballettvorstellung erschienen war, noch nicht abgelegt hatte; unter dem Mantel trug sie ein goldgesticktes Kleid von brochirter Seide. Sie konnte niemals schön gewesen sein, und eine allzu große Beleibtheit gab ihrer Figur sogar den Charakter des Gemeinen. Diese Frau war Maria von Medicis, eine würdige Nachfolgerin Katharinas, deren Genie sie jedoch nicht hatte, wahrend sie sie an Ausschweifung übertraf. Wenn man dem glaubt, was gesagt wird, so war das einzige Kind, welches wirklich Heinrich IV. angehörte, Madame Henriette. Von allen ihren Kindern liebte sie bloß Gaston; ihre fixe Idee war es, ihn auf den Thron Frankreichs erhoben zu sehen. Die schwerste Anklage, die auf ihr ruht und bewirkt, dass der König, ihr Sohn, sie nicht nur hasst, sondern auch verabscheut, ist, dass sie Ravaillac, dem Mörder ihres Gatten, Heinrich IV., in Folge spanischer Einflüsterungen, so zu sagen die Mordwaffe in die Hand gedrückt haben solle. Ein Protokoll, welches aufgenommen wurde, sagt, dass Ravaillac sie und d'Epernon auf dem Rade nannte. Es wurde Feuer in dem Justizpalast angelegt, um selbst die Spur dieser beiden Namen verschwinden zu lassen.
Seit dem vorhergehenden Tage waren Mutter und Sohn durch Anna von Österreich berufen worden, die man benachrichtigt hatte, dass der Graf von Moret, seit acht Tagen in Paris angelangt, der Überbringer von Briefen des Herzogs von Savoyen an sie sei. Sie waren, wie wir sahen, aus ihren naheliegenden Gemächern kommend, durch zwei verschiedene Türen bei der Königin eingetreten. Wurden sie bei dieser überrascht, so hatten sie zu ihrer Entschuldigung das Unwohlsein Ihrer Majestät, welches sie in dem Ballett erfuhren, und welches sie so beunruhigte, dass sie sich nicht einmal Zeit ließen, ihre Kleider zu wechseln. Was den Grafen von Moret betrifft, so musste man diesen im Falle einer Überraschung irgendwo verstecken, eine leichte Sache bei einem jungen Manne von zweiundzwanzig Jahren. Übrigens war die Königin in dergleichen Escamotagen nicht unerfahren.
Während diese Personen bei der Königin eintraten, wartete der Graf von Moret im Salon, und zwar ganz, glücklich darüber, dass er warten konnte. Was hätte er auch tun sollen, wenn ihn die Königin in dem Augenblicke gerufen hätte, als ihn seine unbekannte Führerin verließ? Er war in diesem Augenblicke fast von Sinnen und gar nicht geeignet, seine Mission umsichtig zu erfüllen. Auf den ersten Sinnenrausch folgte jedoch eine tiefe, schwermütige Träumerei, aus welcher ihn erst die Stimme der Königin erweckte, welche rief:
»Graf, seid Ihr zugegen?«
»Ja,« antwortete der Graf, »ich erwarte die Befehle Eurer Majestät.«
»So tretet ein, denn Wir sind begierig Euch zu empfangen.«
Der Graf von Moret schüttelte seinen hübschen feingeschnittenen Kopf, wie um aus demselben die Gedanken zu verscheuchen, denen er sich in den letzten Minuten hingegeben hatte, und die Tür öffnend, befand er sich auf der Schwelle des Schlafgemaches der Königin.
Wir müssen es gestehen, dass trotz der in dem Gemache versammelten hohen Persönlichkeiten der erste Mick des jungen Mannes keineswegs diesen galt, sondern in die dunkelsten Winkel des weitläufigen Gemaches tauchte, um daselbst die reizende Führerin zu entdecken, die ihn verlassen hatte, ohne ihm auch nur den Anblick des Gesichts zu gestatten. Doch hatte dieser suchende Blick nicht das gewünschte Resultat, und war genöthigt, sich wieder der Gruppe zuzuwenden, die von dem doppelten Lichte der Kerze und der Lampe genügend beleuchtet war.
Diese Gruppe bestand aus der Königin-Mutter, der regierenden Königin und dem Herzog von Orleans. Die Königin-Mutter stand aufrecht zu Häuptern des Bettes, am Fußende desselben saß Gaston von Orleans, im Bette selbst lag Anna von Österreich.
Der Graf von Moret