aus dem ganzen Reiche lud er zu sich ein; er bestimmte den Tag und gab ihnen drei Monate Zeit. So kamen sie zusammen. Sie brachten eine Menge Hunde und Leibjäger mit, wie ein ganzes Heer sah es aus! Zuerst zechten sie, wie es sich gehört, und zogen dann vor die Stadt. Eine Unmenge von Leuten versammelte sich da . . .! Und was glauben Sie . . .? Eine Hündin Ihres Großvaters besiegte alle anderen.«
»War es nicht die Milowidka?« fragte ich.
»Ja, die Milowidka, die Milowidka . . . Der Graf fing an, ihn zu bitten: ›Verkauf mir deinen Hund, ich zahle dir, was du willst.‹ – ›Nein, Graf‹, sagte jener, ›ich bin kein Händler: Ich werde auch den unnützesten Lappen nicht verkaufen; um meinen Respekt zu bezeugen, bin ich bereit, meine Frau abzutreten, nur nicht die Milowidka . . . Eher würde ich mich selbst in Knechtschaft begeben.‹ Alexej Grigorjewitsch lobte ihn dafür und sagte: ›Das gefällt mir!‹ Ihr Großvater brachte dann die Hündin in seiner Equipage nach Hause; und als die Milowidka einging, ließ er sie im Garten mit Musik begraben und setzte der Hündin einen Stein mit einer Inschrift.«
»Alexej Grigorjewitsch tat also doch niemand was zuleide«, bemerkte ich.
»Es ist ja immer so: Nur wer selbst im seichten Wasser schwimmt, der greift die anderen an.«
»Und was für ein Mensch war dieser Bausch?« fragte ich nach einigem Schweigen.
»Wie kommt es, daß Sie von der Milowidka gehört haben und von Bausch nichts . . .? Es war der Jägermeister und Oberaufseher der Hunde Ihres Großvaters. Er war ein ganz toller Kerl, und was ihm Ihr Großvater auch befahl, führte er sofort aus, und wenn es auch aufs Messer gehen sollte . . . Wenn er die Hunde hetzte, so widerhallte es im ganzen Wald. Manchmal wurde er trotzig, stieg vom Pferd und legte sich auf die Erde . . . Sobald die Hunde seine Stimme nicht mehr hörten, so war es aus! Sie verließen die frischeste Spur und waren um nichts in der Welt weiterzubringen. Da geriet Ihr Großvater in Zorn: »Ich will nicht leben bleiben, wenn ich diesen Taugenichts nicht aufhänge! Ich will diesem Antichrist das Fell über die Ohren ziehen! Ich will diesem Mörder die Fersen durch die Gurgel ziehen!‹ Und die Sache endete damit, daß er zu ihm schickte und fragen ließ, warum er die Hunde nicht mehr antreibe? Bausch verlangte in solchen Fällen gewöhnlich Branntwein; er trank, stand auf und schrie wieder durch den Wald.«
»Sie lieben wohl sehr die Jagd, Luka Petrowitsch?«
»Ich liebte sie wohl . . . aber jetzt nicht mehr. Jetzt ist meine Zeit vorbei – aber in meinen jungen Jahren . . . Wissen Sie, es geht auch nicht gut meines Standes wegen. Mit den Edelleuten darf sich unsereins nicht messen. Es kommt zwar vor, daß ein Trinker und Taugenichts aus unserem Stand sich den Herren anbiedert . . . aber was hat er davon? Er tut sich nur Schande an. Man gibt ihm ein schlechtes Pferd, das jeden Augenblick stolpert; jeden Augenblick wirft man ihm die Mütze vom Kopf; man haut mit der Peitsche, als wollte man das Pferd treffen, und trifft ihn; er muß aber immer lachen und auch die anderen lachen machen. Nein, das muß ich sagen: Je niedriger der Stand, um so strenger muß man sich halten, sonst beschmutzt man nur seine Ehre.
Ja«, fuhr Owsjanikow mit einem Seufzer fort, »viel Wasser ist ins Meer geflossen, seitdem ich auf der Welt lebe. Es sind andere Zeiten angebrochen. Besonders bei dem Adel sehe ich große Veränderungen. Die Kleinbegüterten sind fast alle im Staatsdienst gewesen oder sitzen nicht auf einem Ort; die Großbegüterten kann man überhaupt nicht wiedererkennen. Bei Schlichtung von Grenzstreitigkeiten habe ich genug von diesen Großbegüterten gesehen. Und ich muß Ihnen sagen, das Herz freut sich einem im Leibe, wenn man sie ansieht: Sie sind leutselig und höflich. Aber eines erscheint mir erstaunlich: Alle Wissenschaften haben sie studiert, sie sprechen so vernünftig, daß man Andacht empfindet, aber von wirklichen Geschäften verstehen sie nichts, sogar für ihre eigenen Vorteile haben sie kein Verständnis; ihr eigener leibeigener Verwalter biegt sie, wohin er will. Sie kennen vielleicht den Alexander Wladimirowitsch Koroljow: Ist doch ein richtiger Edelmann? Ist ein hübscher Kerl, reich, hat auf der Universität studiert, ist, glaube ich, auch im Ausland gewesen, spricht schön, fließend, bescheiden, drückt jedem die Hand. Kennen Sie ihn? Also hören Sie einmal. In der vorigen Woche kamen wir auf Einladung des Vermittlungsrichters Nikifor Iljitsch in Berjosowka zusammen. Und der Vermittlungsrichter Nikifor Iljitsch sagt zu uns: ›Meine Herren, man muß doch endlich die Grenzen ziehen, es ist eine Schande, unser Bezirk ist hinter den anderen zurückgeblieben; machen wir uns ans Werk.‹ Und so machten wir uns ans Werk. Es begannen Gespräche, Streitigkeiten, wie es immer so geht; unser Bevollmächtigter fing an, Schwierigkeiten zu machen. Aber den ersten Krach machte Porfirij Owtschwinnikow . . . Warum macht bloß der Mann einen solchen Krach . . .? Er selbst besitzt keinen Zoll Erde; er handelt nur im Auftrag seines Bruders. Er schreit: ›Nein! Mich werdet ihr nicht anführen! Ihr seid an den Unrechten geraten! Die Pläne her! Gebt mir den Feldmesser, diesen Christusverkäufer her!‹ – ›Aber was fordern Sie eigentlich?‹ – ›Ihr glaubt wohl, einen Narren gefunden zu haben? Ihr glaubt wohl, ich werde euch gleich meine Forderung herzeigen . . .? Nein, gebt erst die Pläne her, das fordere ich!‹ Und dabei schlägt er mit der Hand auf die Pläne. Die Marfa Dmitrijewna hat er bis aufs Blut beleidigt. Jene schreit: ›Wie unterstehen Sie sich, meinen Ruf anzutasten?‹ – ›Ihren Ruf‹, sagt er ihr, ›wünsche ich meiner braunen Stute nicht.‹ Mit Mühe brachte man ihn durch Madeira zur Vernunft. Kaum hatte man ihn beruhigt, so fingen die anderen an, Krach zu machen. Alexander Wladimirowitsch Koroljow sitzt im Winkel, kaut an dem Knopf seines Stockes und schüttelt nur den Kopf. Ich schämte mich so, daß ich am liebsten davongelaufen wäre. Was wird sich wohl dieser Mensch von uns denken? Da sehe ich: Mein Alexander Wladimirowitsch richtet sich auf und tut so, als ob er sprechen wollte. Der Vermittlungsrichter ist ganz aufgeregt und sagt: ›Meine Herren, meine Herren, Alexander Wladimirowitsch will sprechen!‹ Das muß man den Edelleuten lassen: Alle wurden sofort still. So fing Alexander Wladimirowitsch zu sprechen an und sagte: ›Wir haben wohl vergessen, wozu wir uns versammelt haben. Die Feldvermessung ist zwar für die Gutsbesitzer vorteilhaft, aber wozu hat man sie eigentlich eingeführt? Doch nur, damit es der Bauer leichter habe, damit er bequemer arbeiten und seinen Pflichten besser nachkommen könne; jetzt kennt er aber selbst seinen Besitz nicht und fährt oft fünf Werst weit, um zu pflügen – und das kann man ihm gar nicht zum Vorwurf machen.‹ Dann sagte Alexander Wladimirowitsch, es wäre eine Sünde, wenn der Gutsbesitzer sich nicht um den Wohlstand seiner Bauern kümmere, und daß, wenn man es ordentlich betrachte, ihre Vorteile auch die unsrigen seien: Wenn sie es gut hätten, so hätten wir es auch gut, und wenn sie es schlimm hätten, so hätten wir es auch schlimm . . . daher sei es sündhaft und unvernünftig, sich wegen Bagatellen zu streiten . . . Und er redete und redete . . . aber so, daß es einen zu Tränen rührte. Die Edelleute ließen alle die Nasen hängen; mir selbst kamen beinahe die Tränen. Mein Ehrenwort, selbst in alten Büchern findet man solche Reden nicht . . . Und womit das endete? Er selbst wollte vier Desjatinen moosiges Moorland weder abtreten noch verkaufen. Er sagte: ›Ich will den Sumpf mit meinen eigenen Leuten trockenlegen und eine Tuchfabrik mit allerlei Verbesserungen darauf gründen. Ich habe‹, sagte er, ›schon den Platz gewählt, ich habe meine eigenen Erwägungen.‹ . . . Wenn das wenigstens wahr gewesen wäre, aber die Sache war einfach die, daß der Nachbar Alexander Wladimirowitschs, Anton Karassikow, zu geizig war, dem Koroljowschen Verwalter hundert Rubel in Assignaten zu schenken. So gingen wir auseinander, ohne die Sache erledigt zu haben. Aber Alexander Wladimirowitsch glaubt auch heute noch, im Recht zu sein, und redet immer von seiner Tuchfabrik; doch mit der Trockenlegung des Sumpfes fängt er gar nicht an.«
»Wie verwaltet er denn sein Gut?«
»Er führt lauter Neuerungen ein. Die Bauern sind mit ihm nicht zufrieden, aber auf sie soll man nicht hören. Alexander Wladimirowitsch tut recht.«
»Wie ist es nun, Luka Petrowitsch? Ich glaubte, Sie seien mehr für die alte Zeit?«
»Ich bin doch etwas ganz anderes. Ich bin weder Edelmann noch Gutsbesitzer. Was bedeutet meine ganze Wirtschaft . . .? Ich verstehe es auch nicht anders. Ich bemühe mich nur, nach Recht und Gesetz zu handeln, und danke dafür Gott! Die jüngeren Herren lieben die alte Ordnung nicht: Ich lobe sie . . . Es ist Zeit, zur Vernunft zu kommen. Aber leider klügeln die jungen Herren zuviel. Sie behandeln den Bauern wie eine Puppe: Sie wenden ihn hin und her, zerbrechen ihn und werfen ihn dann fort. Aber der leibeigene