Lundie, die sich niemals in ihrem Leben mit Gefühlen befaßt hatte, schien bei dieser Gelegenheit eigensinnig entschlossen etwas zu fühlen. Sie war beleidigt und zeigte es deutlich.
»Sir Patrick,« sagte sie, »wenn mich nicht Alles täuscht, so werden Sie sich ehestens in der Nothwendigkeit befinden, zuzugeben, daß Miß Silvester’s Benehmen über allen Scherz hinausgeht.«
Mit diesen Worten verließ sie den Garten-Pavillon und beförderte auf diese Weise Arnold’s Interesse, indem sie endlich Blanche’s Vormund allein ließ.
Das war eine vortreffliche Gelegenheit. Die Gäste hatten sich sämtlich nach dem Hause zurückgezogen; es war keine Unterbrechung zu befürchten. Arnold trat ein.
Sir Patrick setzte sich, von Lady Lundie’s Abschiedsworten völlig unberührt, ruhig im Garten-Pavillon nieder, ohne seinen jungen Freund zu bemerken und dachte bei sich: »Hat es jemals zwei Frauen gegeben, die nicht versucht hätten, einen Mann in ihren Streit hineinzugehen? Aber laß sie es nur versuchen, mich hineinzuziehen! Es soll ihnen nicht gelingen.«
Arnold trat einen Schritt vor und machte sich bescheiden bemerklich: »Ich hoffe, ich störe nicht?«
»Durchaus nicht! – Du lieber Gott, wie ernsthaft der Junge aussieht! Wollen Sie mich auch als Haupt der Familie sprechen?«
In der That war das Arnold’s sehr entschiedene Absicht, aber er begriff, daß wenn er das in diesem Augenblicke zugestanden hätte, Sir Patrick aus einem ihm nicht verständlichen Grund es abgelehnt haben würde, ihn anzuhören.
»Er antwortete vorsichtig: »Ich habe Sie um eine vertrauliche Unterredung vor meiner Abreise gebeten und Sie waren so gut mir dieselbe zuzusagen.«
»O, ganz gewiß, ich erinnere mich, wir waren damals Beide höchst ernsthaft mit Croquetspielen beschäftigt und es war schwer zu sagen, wer von uns Beiden sich am Ungeschicktesten dabei benahm. Nun hier bin ich und stehe Ihnen mit meiner ganzen Erfahrung zu Diensten. Ich habe Sie nur vor einer Sache zu Warnen, reden Sie nicht zu mir als dem Haupte der Familie; ich habe diese Würde in Lady Lundie’s Hände niedergelegt.«
Er sprach halb im Scherz, halb im Ernst. Der Scherz gab sich in dem humoristischen Zug um seine Lippen kund.
Arnold wußte nicht recht, wie er das Gespräch auf Blanche bringen sollte, ohne Sir Patrick an seine Verantwortlichkeit als Haupt der Familie zu erinnern und ohne sich zur Zielscheibe von Sir Patrick’s Witz zu machen. In diesem Dilemma beging er gleich zu Anfang einen Fehler: er zauderte!
»Lassen Sie sich Zeit,« sagte Sir Patrick, »sammeln Sie Ihre Gedanken; ich kann warten, ich kann warten.«
Arnold sammelte seine Gedanken und beging einen zweiten Fehler. Er beschloß sehr vorsichtig zu Werke zu gehen. Unter den obwaltenden Umständen und einem Manne wie Sir Patrick gegenüber, war das vielleicht der unüberlegteste Entschluß, den er hatte fassen können; es war die Geschichte von der Maus, die es versucht, die Katze zu überlisten.
»Sie haben die große Güte gehabt, mir Ihre Erfahrungen zu Gebote zu stellen,« fing er an, »ich bitte um Ihren Rath —«
»Den ich Ihnen auch geben kann, wenn Sie sitzen; nehmen Sie Platz.«
Seine scharfen Augen folgten Arnold mit einem Ausdruck malitiösen Entzückens.
»Meinen Rath, sagt der Patron da,« dachte Sir Patrick, »und meint – meine Nichte.«
Arnold setzte sich, von Sir Patrick beobachtet, mit der wohlbegründeten Besorgniß nieder, daß er von hier nicht wieder aufstehen werde, ohne von Sir Patrick’s scharfer Zunge empfindlich gelitten zu haben.
»Ich bin noch ein junger Mensch« fuhr er, sich unruhig auf seinen Stuhl hin und her bewegend, fort, »und ich fange ein neues Leben an.«
»Ist an Ihrem Stuhl etwas nicht in Ordnung? Fangen Sie doch Ihr neues Leben behaglich an, – nehmen Sie sich einen anderen Stuhl.«
»Der Stuhl ist ganz in Ordnung, Sir Patrick; würden Sie —«
»Ob ich Ihnen rathen würde, in diesem Fall Ihren Stuhl zu behalten? Gewiß!«
»Nein, ich meine, ob Sie mir rathen würden —«
»Lieber Freund, ich warte ja nur darauf Ihnen zu rathen. Aber ganz gewiß ist an Ihrem Stuhl etwas nicht in Ordnung; nehmen Sie sich doch einen andern.«
»Bitte, Sir Patrick, lassen Sie den Stuhl. Sie bringen mich aus der Fassung! – Was ich von Ihnen zu wissen wünsche – es ist vielleicht eine sonderbare Frage —«
»Das kann ich nicht sagen, bevor ich sie gehört habe,« entgegnete Sir Patrick; »aber nehmen wir an es sei eine sonderbare Frage, oder noch stärker, wenn Ihnen das vielleicht die Sache erleichtert, nehmen wir an, es sei die sonderbarste Frage, die je, so lange die Welt steht, ein Mensch an den andern gerichtet hat!«
»Die Frage ist die!« platzte Arnold heraus, »ich möchte mich verheirathen!«
»Das ist keine Frage,« antwortete Sir Patrick, »das ist eine Erklärung! Sie sagen, Sie möchten sich verheirathen, ich antworte: Nun gut, und damit ist die Sache zu Ende.«
Arnold fing es an zu schwindeln »Würden Sie mir rathen, mich zu verheirathen?« bat er in kläglichem Tone; »das wollte ich sagen!«
»So, das ist der Zweck Ihrer Unterredung mit mir, ob ich Ihnen rathen würde zu heirathen? Wie? —«
Die Katze, die dieses Mal die Maus gepackt hatte, ließ das unglückliche kleine Geschöpf einen Augenblick wieder los, um ihr Zeit zu gönnen, Athem zu schöpfen. – Sir Patrick’s Benehmen verlor plötzlich jede Spur von Ungeduld, die er bisher vielleicht leise geäußert hatte und wurde so vollkommen behaglich und zutraulich, wie nur möglich. Er drückte aus die Feder seiner Krücke und nahm mit außerordentlichem Eifer und Genuß eine Prise. – »Also, ob ich Ihnen rathen würde zu heirathen,« wiederholte Sir Patrick. »Bei der Beantwortung dieser Frage können wir zwei Wege einschlagen, Mr. Brinckworth. Wir können die Sache kurz oder wir können sie sehr weitläufig behandeln. Ich würde für die kürzere Behandlung stimmen. Was sagen Sie dazu?«
»Ich stimme Ihnen völlig bei, Sir Patrick!«
»Seht gut! Darf ich mit einer Frage in Betreff Ihres früheren Lebens beginnen?«
»Gewiß!«
»Sehr gut! Haben Sie während Ihres Dienstes auf der Handelsmarine einige Erfahrungen über Ankäufe am Lande gesammelt?«
Arnold sah ihn betroffen an. Der Zusammenhang dieser Frage mit dem Gegenstand, um den es sich für ihn handelte war für ihn völlig unerfindlich. Er antwortete mit unverhohlenem Erstaunen: »Allerdings, sehr viele Erfahrungen.«
»Ich komme zur Sache,« fuhr Sir Patrick fort,«wundern Sie sich nicht, ich komme schon zur Sache! Wofür hielten Sie den Puderzucker, den Sie bei den Gewürzkrämern am Lande kauften?«
»Wofür ich ihn hielt?« wiederholte Arnold »Nun ich hielt ihn eben für Puderzucker!«
»Dann heirathen Sie in Gottes Namen,« erwiderte Sir Patrick, »Sie sind einer der wenigen Männer, die dieses Experiment mit einiger Aussicht auf Erfolg versuchen können.«
Die Plötzlichkeit dieser Antwort versetzte Arnold völlig den Athem. Die Kürze seines ehrwürdigen Freundes hatte etwas Elektrisirendes; er starrte ihn noch verwunderter an, als vorhin.
»Verstehen Sie mich nicht?« fragte Sir Patrick.
»Ich verstehe nicht, was der Puderzucker mit meiner Heirath zu thun hat?«
»Das sehen Sie nicht?«
»Durchaus nicht!«
»Dann will ich es Ihnen sagen,« fuhr Sir Patrick fort, indem er die Beine übereinander schlug und sich auf seinem Sitz behaglich zurecht rückte.
»Sie gehen also in einen Gewürzkrämer-Laden und kaufen Puderzucker. Sie nehmen denselben, weil Sie ihn für Puderzucker halten, in der That aber ist es gar kein Zucker; es ist ein gefälschtes Gemisch, das aussieht wie Zucker. Sie verschließen Ihre Augen gegen diese unangenehme Wahrheit und schlucken Ihr verfälschtes Gemisch mit verschiedenen Speisen