Viola Maybach

Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman


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von vorn los.«

      »Aber du hättest dich erholt. Du hättest Zeit gehabt, nachzudenken und vielleicht eine Entscheidung zu fällen.«

      Robert von Hoyningens Blick war so traurig wie sein Lächeln. »Die Entscheidungen über mein Leben fällt jetzt ein anderer«, erwiderte er leise. »Nochmals danke, Walter.«

      Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ mit hängenden Schultern das Sprechzimmer und gleich darauf die Praxis seines Freundes.

      Walter Hornung wäre ihm am liebsten gefolgt, aber das hätte zu nichts geführt. Es musste Robert wohl erst noch schlechter gehen, bis er bereit war, Hilfe anzunehmen.

      *

      »Es war sehr nett auf Sternberg«, berichtete Nora ihrem Sohn, als er ihr abends einen Besuch abstattete. »Und natürlich laden sie dich bei nächster Gelegenheit ein, das hat Sofia mir versprochen. Ich glaube, sie war richtig froh, mich zu sehen.«

      »Gut«, sagte Alexis zufrieden. Er war an einer offiziellen Einladung nicht interessiert, er wollte nur auf Sternberg auftauchen können, ohne Verwunderung hervorzurufen – aber das brauchte seine Mutter nicht zu wissen. »Ich werde wahrscheinlich schon vorher vorbeifahren und mich dort mal umsehen. Ich will ein Pferd kaufen, und die Sternberger sollen ja die besten sein.«

      »Du reitest doch gar nicht so oft«, wunderte sich Nora.

      »Es gehört dazu«, stellte Alexis fest. Nora hielt ihn noch immer für einen unschuldigen Jungen, und das sollte auch so bleiben. Dass er längst ein raffinierter Geschäftemacher geworden war, ahnte sie nicht einmal. Dabei hatte er bereits sehr weitreichende Pläne. Sein Erbe war erst der Anfang gewesen …

      Sie tätschelte ihm liebevoll die Wange. »Wozu denn?«, fragte sie.

      »Zum Leben von Leuten mit Geld«, antwortete er. »Und das sind wir ja schließlich, Mama.«

      Sie seufzte. »Ich habe manchmal ein schlechtes Gewissen wegen Franzi«, sagte sie. »Die sitzt jetzt da mit dem alten Haus und hat überhaupt keine Mittel. Ehrlich gesagt, ich war davon überzeugt, dass dein Vater sein Vermögen unter uns aufteilen würde. Ich begreife immer noch nicht, warum er ihr nur eine so bescheidene Summe hinterlassen hat.«

      »Weil das ungerecht gewesen wäre«, erklärte Alexis nicht zum ersten Mal. Es ging ihm auf die Nerven, dass seine Mutter immer wieder auf diesen Punkt zurückkam. »Das Haus ist vielleicht nicht mehr so viel wert, aber der Grund und Boden macht sie reich, wenn sie ihn verkauft.«

      »Aber sie wird ihn nicht verkaufen – sie hängt doch genauso an dem Haus, wie dein Vater daran gehangen hat!«, rief Nora. »Ich habe das nie verstanden, aber das Haus war ja beinahe ein Heiligtum für ihn, weil sein Urgroßvater es sei­nerzeit erbaut hat.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe heute übrigens mit Franzi telefoniert, sie hat wenigstens Hilfe bei der Renovierung bekommen. Ich muss sagen, dass mich das ein wenig beruhigt.«

      »Hilfe?«, fragte Alexis. Er musste sich sehr anstrengen, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn diese Neuigkeit elektrisierte.

      »Ja«, fuhr Nora unbefangen fort, »von den Grafen Rethmann. Graf Lucius ist ja in ihre Nähe gezogen, und er war offenbar mit seinem Onkel bei ihr und hat sie und ihre Haushälterin von einer Rotte Wildschweine befreit …«

      »Sein Onkel? Dieser Sonderling, der in so einer Waldhütte lebt?«, fragte Alexis.

      »Waldhütte ist gut – es ist ein solide gebautes, sehr schönes Haus. Natürlich nichts für unsere Ansprüche, aber es ist eindeutig mehr als eine Waldhütte. Das sagen die anderen aus der Familie nur immer, weil sie sich über Graf Ulrichs Lebensstil aufregen«, erklärte Nora. »Nun ja, der ist ja auch wirklich sonderbar. Aber jedenfalls ist er

      ein ausgezeichneter Handwerker, und wenn er Franzi wirklich hilft, kommt sie ja vielleicht über die Runden. Ich würde es ihr gönnen.«

      Alexis hatte sich abgewandt, damit seine Mutter nicht sehen konnte, wie es in ihm arbeitete. Dass seine Halbschwester plötzlich Hilfe bekam und es auf diese Weise vielleicht länger in dem alten Gutshaus aushielt als vorgesehen, passte ihm gar nicht. Seinen Berechnungen nach hätte sie spätestens im nächs­ten Winter aufgeben müssen, sodass er dann als vermeintlicher Retter in der Not hätte einspringen können. Und jetzt kam dieser Graf Rethmann und durchkreuzte seine Pläne …

      Aber seine Aufregung dauerte nicht lange. Er musste ja nur dafür sorgen, dass der Graf sich um andere Dinge zu kümmern hatte, sodass ihm keine Zeit mehr für das Gutshaus blieb. Als er in Gedanken so weit gekommen war, beruhigte er sich schlagartig. Hindernisse waren dazu da, um überwunden zu werden. Er hatte jedenfalls nicht die Absicht, sich von einem Sonderling aufhalten zu lassen.

      »Ich muss gehen, Mama«, sagte er und küsste Nora auf beide Wangen. »Danke, dass du bei den Sternbergern vorgefühlt hast, das war mir wirklich sehr wichtig.«

      Nora sah ihm lächelnd nach. Er war ein guter Junge!

      *

      »Sie gefällt dir«, stellte Ulrich fest, als Lucius und er abends auf seiner Terrasse saßen, von der aus man in den Wald blickte. Diese Terrasse lief ums ganze Haus, Ulrich war sehr stolz darauf.

      Lucius machte keinerlei Anstalten, seinem Onkel zu widersprechen. »Und dir gefällt Frau Lüders«, erwiderte er.

      »Ja«, bestätigte Ulrich bedächtig. »Sehr sogar. Die hat das Herz auf dem rechten Fleck, und sie steht mit beiden Beinen fest auf der Erde. Die junge Frau kann froh sein, dass sie nicht allein in dem alten Gemäuer sitzt. Aber Mut haben sie beide, das muss ich schon sagen. Der letzte Winter kann kein Zuckerschlecken gewesen sein, und sie sind immer noch da.«

      »Du hattest jedenfalls Recht mit deiner Annahme, dass Franziska sympathisch ist.«

      Ulrich nickte. »Ja, das hatte ich. Sie weiß, was sie will, und sie gibt nicht schnell auf. Außerdem gefällt es mir, dass sie Frau Lüders als ihre Freundin vorgestellt hat. Sie verdienen es jedenfalls beide, dass sie Hilfe bekommen. Ich habe da noch einige Leute an der Hand, die mir bei dem Dach helfen werden. Das muss ja zum Glück nur zum Teil neu gedeckt werden, der Dachstuhl ist vollkommen in Ordnung.«

      »Du willst ihr wirklich helfen – sodass sie eventuell in dem Gutshaus bleiben kann«, stellte Lucius fest. »Willst du auch herausfinden, warum ihr Vater ihr kein Geld hinterlassen hat?«

      »Wenig Geld«, verbesserte Ulrich. »Ja, das will ich. Ich finde das immer seltsamer, je länger ich darüber nachdenke. Ich könnte wetten, dass da etwas nicht stimmt, Lucius.«

      »Aber was sollte das denn sein? Er wird ja sicher ein Testament gemacht haben – und das ist bei einem Notar hinterlegt in der Regel.«

      »Ja, ich weiß, das ist der Knackpunkt, an dem ich bisher auch immer gescheitert bin. Wenn da jemand gemauschelt hat, dann weiß ich nicht, wie er es angestellt hat.«

      »Verdächtigst du die zweite Frau zu Randershausen?«

      »Wenn jemand manipuliert hat, war es der Sohn oder die Frau, denn die beiden haben alles geerbt«, stellte Ulrich fest. »Das scheint mir festzustehen, aber es hilft bei meinen Überlegungen nicht weiter.«

      »Sei vorsichtig mit solchen Äußerungen«, warnte Lucius. »Wenn die den falschen Leuten zu Ohren kommen, dann könntest du wegen Verleumdung verklagt werden.«

      »Ich rede nur mit dir darüber«, erklärte Ulrich.

      »Gut so«, stellte Lucius fest. Nach einer Weile setzte er hinzu: »Ich werde dir selbstverständlich helfen bei deinem guten Werk, Onkel Uli – jedenfalls an den Wochenenden.«

      Ulrich lachte schallend. »Aber nicht wegen des guten Werks, sondern wegen der schönen Franziska, das ist mir schon klar.«

      »Und du? Hat deine Hilfsbereitschaft nicht auch etwas mit Frau Lüders zu tun?«

      »Ich hätte meine Hilfe in jedem Fall angeboten, das hatte ich mir ja vorher schon vorgenommen«, erklärte Ulrich und fuhr mit vergnügtem Schmunzeln fort: »Aber ich gestehe gern, dass die Begegnung mit dieser wunderbaren