Viola Maybach

Der kleine Fürst Staffel 8 – Adelsroman


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geht bei mir nicht so schnell, mein Junge. Aber ich könnte mir vorstellen, dass es passiert. Lassen wir das in Ruhe auf uns zukommen.«

      »Ich habe mich schon immer gefragt, warum du bis jetzt allein geblieben bist. Du bist schließlich ein attraktiver Mann, und niemand ist auf Dauer gern allein.«

      »Ich war nicht allein«, erwiderte Ulrich offen. »Aber keine Frau war die Richtige für mich – und ich war für keine der Richtige. Also haben wir uns jedes Mal in Freundschaft wieder getrennt, und glaub mir: Das war für beide Seiten das Bes­te.«

      Lucius lehnte sich zurück und schloss die Augen. Mit einem Mal freute er sich unbändig auf den vor ihm liegenden Sommer, in dem er Franziska zu Randershausen, so hoffte er, näher kennenlernen würde. Er sah sie deutlich vor sich mit ihren schönen Augen, den braunen Locken und dem zarten, eigensinnigen Gesicht. Ein paar Mal waren sich heute ihre Blicke begegnet, jedes Mal war es wie ein kurzer, elektrischer Schlag gewesen, den er im ganzen Körper gespürt hatte.

      Er ahnte nicht, dass sein Onkel ihn verstohlen lächelnd beobachtete. Ulrich hätte die Gedanken seines Neffen aufschreiben können, so genau wusste er, was in Lucius vorging – und er war glücklich darüber. Nach allem, was er heute gesehen und gehört hatte, war nicht nur Elsbeth Lüders eine großartige Person, sondern Franziska zu Randershausen war es auch. Sie und Lucius passten zusammen – auch wenn ihnen das noch nicht bewusst war. Allerhöchstens ahnten sie es.

      Aber wenn alles so lief, wie er es sich vorstellte, dann hatten sie in den kommenden Monaten ja ständig auf dem Gutshof zu tun, und diese Zeit sollte eigentlich reichen, damit sich eine junge Frau und ein junger Mann, die einander auf Anhieb sympathisch gewesen waren, näherkommen konnten.

      Und vielleicht auch, setzte er in Gedanken versonnen hinzu, eine Frau und ein Mann in den besten Jahren, wie es so schön hieß.

      *

      »Kein Problem«, sagte der Mann in der schwarzen Lederjacke. Er trug, genau wie Alexis, eine dunkle Sonnenbrille, die seine Augen verbarg. »Sie sagen uns, wann es losgehen kann, und wir sind da.« Zufrieden blickte er auf das Bündel Geldscheine in seiner Hand. Als er grinste, kam ein ausgesprochen schadhaftes Gebiss zum Vorschein, die meisten Vorderzähne fehlten ihm. »Für so viel Kohle können Sie ordentliche Arbeit erwarten.«

      »Sie sollen nicht mehr machen, als ich Ihnen gesagt habe«, erinnerte Alexis ihn. »Die Bude soll nicht zerstört werden, verstanden? Ich will, dass ihm die Reparaturen viel Arbeit machen, sodass er keine Zeit mehr für andere Dinge hat – das ist das Ziel. Keine sinnlosen Aktionen bitte.«

      »Wofür halten Sie mich, Chef?« Der Mann versuchte, einen gekränkten Gesichtsausdruck herzustellen, was ihm nicht gelang. »Wir sind Profis, durch und durch.«

      Alexis sehnte sich danach, ihm den Rücken zukehren zu können. Es waren keine Namen gefallen bei ihrer Verabredung, alles war anonym abgelaufen, und so sollte es sein. Allein die Vorstellung, er könnte diesem Menschen in seinem normalen Leben begegnen, und der würde ihn ansprechen, verursachte ihm Übelkeit.

      »In Ordnung. Ich rufe Sie an, sobald das Haus leer ist.«

      »Sie werden mit uns zufrieden sein.« Mit diesen Worten schwang sich der Mann auf sein schweres Motorrad, ließ es an, fuhr eine elegante Kurve und schoss davon.

      Alexis atmete auf, dann schlug er die entgegengesetzte Richtung ein. Er hatte den letzten Kilometer zu Fuß zurückgelegt, von einem Taxistand aus. So dumm war er nicht, dass er im Wagen vorfuhr und so riskierte, dass diese Kriminellen seinen Namen herausfanden.

      Er fühlte sich erst wieder frei, als er das öde Industriegebiet, in dem sie einander getroffen hatten, hinter sich ließ und sich die Straßen allmählich wieder belebten. Hoffentlich musste er in Zukunft nie wieder mit solchen Menschen in Kontakt treten!

      *

      »Er gefällt mir!«, sagte Elsbeth mit Nachdruck.

      Franziska fuhr auf. »Wer?«, fragte sie verwirrt. Sie hatte gerade über Graf Lucius nachgedacht – und war unversehens ins Träumen geraten. Ihr war nicht aufgefallen, wie lange sie schon kein Wort mehr gesagt hatte.

      Elsbeth warf ihr einen liebevoll-spöttischen Blick zu.

      »Sie gefallen mir beide«, erklärte sie, »aber eben meinte ich vor allem Graf Ulrich. Ein sehr beeindruckender Mann.«

      »Elsbeth!«, rief Franziska verwundert. »Es ist das erste Mal, dass ich dich so reden höre.«

      »Irgendwann ist immer das erste Mal. Er steht mit beiden Beinen fest auf der Erde, er lebt sein Leben so, wie es ihm gefällt, und er kann zupacken. Außerdem ist er nicht hochmütig, er sieht nicht auf Leute herab, die keinen Adelstitel haben. Im Gegenteil – der scheint ihm sogar ein bisschen peinlich zu sein.«

      »Sie sind beide nicht hoch­mütig«, murmelte Franziska, »aber irgendwie sind sie zu schön, um wahr zu sein, Elsbeth. Das gibt es doch gar nicht, dass da zwei gestandene Männer auftauchen und uns ihre Hilfe anbieten. Könnte es nicht sein, dass sie etwas im Schilde führen? Vielleicht sind sie scharf auf das Haus und das Grundstück und versuchen deshalb, sich unser Vertrauen zu erschleichen. Ich meine, das soll es ja schon gegeben haben.«

      Elsbeth dachte gar nicht daran, diesen Gedanken empört von sich zu weisen – im Gegenteil, sie überdachte Franziskas Überlegung gründlich. »Möglich wäre es«, gab sie schließlich zu. »Und nichts hindert uns daran, auf der Hut zu bleiben. Das wäre sowieso vernünftig, finde ich. Aber ich glaube nicht daran. Mein Bauch sagt mir, dass die beiden in Ordnung sind.«

      Nichts hörte Franziska lieber, entsprach doch diese Einschätzung ihrem eigenen Gefühl. »Gut«, erwiderte sie, »dann behalten wir sie weiterhin aufmerksam im Auge – aber zugleich hoffen wir, dass wir ihnen vertrauen können.«

      Elsbeth lachte. »Schön gesagt«, fand sie. »Wildschwein können wir noch nicht essen, das ist ja noch zu frisch, wie wir heute gelernt haben. Wie wäre es mit Rührei und Pilzen?«

      »Ist mir recht«, erwiderte Franziska. »Soll ich dir was helfen, Elsbeth?«

      »Bloß nicht!«, wehrte die Ältere mit gespieltem Schrecken ab. »Wir beide wissen, dass du in der Küche zwei linke Hände hast, also bleib schön, wo du bist, es dauert nicht lange. Wir können hier draußen essen, selbst im Schatten ist es wärmer als im Haus.«

      Franziska nickte träge und gab sich, sobald Elsbeth in der Küche verschwunden war, wieder ihren angenehmen Tagträumen hin.

      *

      »Er gefällt mir nicht«, stellte Anna von Kant fest.

      »Mir auch nicht«, stimmte Chris­tian ihr zu. Sie waren mit seinem Boxer Togo im Schlosspark unterwegs, wie immer im Anschluss an die Schule. Auf diesen Moment wartete Togo jeden Tag sehnsüchtig – und dann konnte er gar nicht genug bekommen vom Stöckchenwerfen und Herumjagen.

      Anna und Christian sprachen über Alexis zu Randershausen, der überraschend auf Sternberg aufgetaucht war und bekundet hatte, ein Pferd kaufen zu wollen. Diese Information hatten sie nach ihrer Rückkehr aus der Schule von der Baronin erhalten, woraufhin sie sich sofort auf den Weg zu den Ställen gemacht hatten, weil sie neugierig auf Alexis waren. Doch der junge Mann hatte gerade mit Baron Friedrich über eine Stute verhandelt, deshalb hatte Friedrich sie mit dem Hinweis weggeschickt, sie könnten sich später noch mit Alexis unterhalten.

      »Er hat kalte Augen«, fuhr Anna fort.

      Diese Beobachtung hatte auch Christian gemacht, doch bevor er seiner Cousine beipflichten konnte, rief sie: »Da kommt noch ein Besucher, sieh mal!«

      Tatsächlich fuhr in gemächlichem Tempo ein Auto den Waldweg hinauf, der schließlich in der langen Auffahrt zum Schloss mündete. Es war ein großer alter Wagen, den Christian als Erster erkannte: »Das ist Lucius!«, sagte er verwundert. »War er angekündigt?«

      »Ich wusste jedenfalls nichts davon«, erklärte Anna. Sie liefen dem Wagen entgegen, der gleich darauf anhielt. Lucius stellte den Motor ab und stieg aus. »Hallo, ihr beiden«, sagte er und wurde im nächsten Augenblick