Lilly Grunberg

Verführung der Unschuld 2


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war, war inzwischen ohne Bedeutung. Jetzt war sie seine Tochter, die er von ganzem Herzen liebte. Darüber hinaus war es auch das Jahr, in welchem Lorenzo seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert hatte. Der erste Geburtstag in seinem Leben, den er ohne seinen Bruder verbrachte.

      Nur selten dachte Giulia noch daran zurück, wie die beiden Männer sie mit ihrer erotischen Ausstrahlung zu einem fortwährenden Spiel aus Schmerz und Verlangen verführt hatten. Naiv hatte sie sich ihren Wünschen unterworfen und eine Form der Lust kennengelernt, die ihr bis dahin vollkommen unbekannt gewesen war.

      Dann war von einem Tag auf den anderen alles anders geworden, ganz anders. Lorenzo sorgte sich aufrichtig darum, ob es ihr auch wirklich gut ging. Seit Beginn ihrer Schwangerschaft hatten sie sehr zärtlichen Sex miteinander gehabt. Lorenzo zeigte seine ganze Einfühlsamkeit, eine Seite, die sie bis dahin von ihm nicht kennengelernt hatte. Aufregende und auch ein wenig anstrengende Lustspiele gehörten der Vergangenheit an. Nichts sollte das gesunde Heranwachsen des Kindes in ihrem Bauch beinträchtigen. Gleichwohl hatte Lorenzo in den letzten Wochen keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich darauf freue, ihr bald einmal bei einem erotischen Spanking den Hintern zu versohlen. Und was sie selbst betraf, lösten seine Worte in ihrem Schoß ein erwartungsvolles Prickeln aus.

      Nein, daran wollte sie jetzt nicht denken. Was dies betraf, wurde Giulia nämlich auch von zwiespältigen Gefühlen gequält. Einerseits hatten sie diese Spiele heiß gemacht und ihr Verlangen nach mehr geschürt. Sie fürchtete sich auch nicht vor Lorenzo, denn er würde sie gewiss nicht überfordern. Da vertraute sie ihm blindlings. Andererseits saß die Angst tief, die Federico ihr bei jedem Spiel eingejagt hatte, indem er geschickt verbarg, wo die ernsthafte Bestrafung für ihre durch Schusseligkeit begangenen Fehler aufhörte und wo das erotische Spiel begann. Sie war ein Opfer seiner geschickten Erpressungen und seiner unwiderstehlichen Dominanz gewesen.

      »Und, wie ist sie? Wen hat Federico geheiratet?«

      »Keine Ahnung.«

      »Aber dein Vater muss doch etwas gesagt haben! Ist sie intelligent, hübsch oder verrucht?«

      Lorenzo schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Du weißt doch, der Patrone spricht nie viel.«

      Es hatte einige Zeit gedauert, bis Giulia sich daran gewöhnt hatte, dass Lorenzo von seinem Vater als dem Patrone sprach. Die Morenos stammten von einem Adelsgeschlecht ab und das Oberhaupt der Familie war seit jeher respektvoll mit »Patrone« angesprochen worden. Auf Giulia wirkte dies sehr befremdlich, denn bei ihren Eltern war es nie so steif und förmlich zugegangen wie bei den Morenos. Auch wenn ihr Lorenzos Eltern ihm Rahmen ihrer Möglichkeiten mit einer gewissen Herzlichkeit begegneten und sie sich angenommen fühlte.

      »Er hat nur gesagt, dass die Frau meines Bruders Mariella heißt«, fuhr Lorenzo fort. »Und dass sie groß ist, blond und blauäugig.«

      Nun, das war doch immerhin eine Aussage. Die Aussage eines Mannes, der eine Frau genau anschaute. Natürlich gab es auch unter den eher dunkeläugigen und schwarzhaarigen Italienern Menschen, die mit nordischem Aussehen geboren wurden. Gleichwohl war dies ungewöhnlich. Dagegen entsprach sie mit ihren braunen gelockten Haaren und ihren katzengrünen Augen schon fast dem Durchschnitt.

      »Die beiden sind wohl nur kurz geblieben«, unterbrach Lorenzo ihre Überlegungen. »Federico hat angekündigt, dass er mit ihr in unsere Villa einziehe und sich ein eigenes Immobiliengeschäft aufbauen will, ohne mich.«

      Giulia runzelte die Stirn. Zwei Morenos, die sich Konkurrenz machen würden? Das war gar nicht gut fürs Geschäft. Du meine Güte, wie sich innerhalb von ein paar Monaten alles geändert hat. Als sie die Brüder kennenlernte, schienen sie ein Herz und eine Seele zu sein. Als könnte nichts und niemand sie auseinanderreißen. Ihre Schlafzimmer lagen Tür an Tür, sie frühstückten zusammen, sie arbeiteten zusammen, sie feierten zusammen, sie teilten dieselbe Leidenschaft für das Sammeln erotischer Accessoires … Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass die Gemelli jemals irgendetwas entzweien könnte. Und dann war ausgerechnet sie der Anlass dafür. Ein kleines Dienstmädchen.

      »Er wird also wieder in eure Villa einziehen?«, wiederholte sie überflüssigerweise.

      Lorenzo nickte. Wie er sich dabei wohl fühlte? Vermisste er die Villa und alles, was dazu gehörte?

      Der Landsitz, malerisch in den Weinbergen oberhalb von Lucca gelegen, war in Giulias Augen riesig. Soweit man schauen konnte, war die vom Großvater der Zwillinge geerbte Villa von üppigem Grün umgeben. Sogar die schmale Auffahrtsallee, die sich von hohen Pinien gesäumt zu dem höher gelegenen Haus hinauf schlängelte, verschwand im dichten Bewuchs. Aus Angst sich zu verlaufen hatte sie sich nicht einmal an ihren wenigen freien Tagen getraut, das Gelände allzu weit zu erkunden.

      Lorenzo hatte Giulia erzählt, dass die Villa Mitte des 17. Jahrhunderts von einem ihrer mütterlichen Vorfahren, dem Grafen Cesare Borgo, erbaut worden war. Nach typischer Bauart bestand sie aus zwei Geschossen, über denen sich nur im Eingangsbereich noch ein drittes erhob. Es war eines von vielen Gebäuden jener Zeit, in denen die reichen Luccesischen Familien ihre verfeinerte Lebenskunst mit einem repräsentativen Landsitz krönten. Die sanfte Hügellandschaft, die Lucca umsäumte, war geprägt davon. Bevor sie eingezogen waren, hatten die Gemelli das Gebäude mit Sorgfalt und Liebe zum Detail restaurieren lassen, auch das noch erhaltene, exquisite Mobiliar, wovon ein Teil nun in ihrem Wohn- und Speisezimmer stand.

      »Für nächste Woche sind wir alle zu einem Familientreffen bei Federico eingeladen. Dann werden wir seine Frau kennenlernen.«

      Was für ein Typ Mensch mochte diejenige wohl sein, die sich getraut hatte, diesen abgebrühten, knallharten Kerl zu heiraten? Viel Zeit zum Kennenlernen hatten sie ja offensichtlich nicht gehabt. Hatte er sie auch wie Giulia mit irgendwelchen Tricks gefügig gemacht? War sie ihm an Bildung und gesellschaftlichem Stand unterlegen? Nein, das konnte nicht sein. Denn gerade dies hatte ja den alles verändernden Streit genährt. Sie musste also elegant, gebildet und aus gutem Hause sein. Federico hatte schließlich keinen Hehl daraus gemacht, dass ein Hausmädchen wie Giulia zwar ein nettes erotisches Spielzeug sei, als Ehefrau jedoch unter seinem gesellschaftlichen Niveau. Ein Bauchgrimmen zog auf. Niemals würde Federico sie als Schwägerin akzeptieren. Er würde sie in jedem Augenblick spüren lassen, dass sie in seinen Augen minderwertig war und schuld an der Entzweiung zwischen seinem Bruder, ihm und den Eltern. Giulia seufzte. Auf diese Begegnung würde sie liebend gerne verzichten.

      Fürsorglich legte Lorenzo seinen Arm um Giulias Schultern und zog sie zärtlich an sich. »Mach dir keine Sorgen, Liebes. Ob Federico nun geheiratet hat oder nicht – für uns beide wird sich deswegen nichts ändern. Und ich werde dafür sorgen, dass wir uns nicht öfter als nötig bei meinen Eltern über den Weg laufen.«

      »Vielleicht ist ja wenigstens seine Frau ganz nett«, flüsterte Giulia hoffnungsvoll.

      »Ganz bestimmt«, erwiderte Lorenzo, aber es klang wenig überzeugend.

      Wilde Weinberge

      Puh. Mariellas Herz klopfte wild, als Federico in rasanter Kurvenfahrt seinen Sportwagen in Richtung der Zufahrt zum Landgut lenkte. Ihr war keine Zeit geblieben, in Ruhe über den neuen Lebensabschnitt nachzudenken, der jetzt vor ihr lag und die Begegnung mit ihren Schwiegereltern, über die sie nichts, rein gar nichts wusste. Federico schien es nicht für nötig zu halten, ihr irgendwelche Informationen über sich, seine Familie, sein bisheriges Leben, zu geben. Sie wusste lediglich, er war durch den Kauf und Verkauf von Immobilien reich geworden. Das war alles.

      Während sie durch die Weinberge rasten und sie inständig hoffte, dass ihnen auf der schmalen Straße niemand entgegen kommen würde, dachte sie nach. Was würde sie erwarten? Schön und gut, sie war mit Federico verheiratet. Eine richtige, amtlich verbriefte Ehefrau. Das war aber auch schon alles. Sie wusste über ihn fast genauso wenig wie Frauen früherer Jahrhunderte, als der Ehemann noch von den Eltern ausgewählt worden war. Nur war es bei ihnen ein klein wenig anders. Er hatte sie sich selbst ausgesucht. Ausgewählt aus zwölf potentiellen Kandidatinnen, von denen jede auf ihre Weise besonders attraktiv gewesen war. Alle perfekt dazu ausgebildet, ihrem künftigen Lebenspartner zu jeder Zeit