Оскар Уайльд

Weihnachtsgeschichten, Märchen & Sagen (Über 100 Titel in einem Buch - Illustrierte Ausgabe)


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gebrochen über die zerstörte Jugend und die unerfüllten Verheißungen seines Kindes, daß es ihm sogar Kummer einflößte, nicht mehr in Mrs. Chickenstalkers Schuldbuch zu stehen.

      »Was für eine Nacht ist’s draußen, Anne«, fragte der frühere Portier des Sir Joseph Bowley, indem er seine Beine vor dem Feuer ausstreckte und dieselben so weit rieb, als er mit seinen kurzen Armen erreichen konnte, mit einer Miene, die gleichsam hinzufügte: »Hier bin ich, wenn’s draußen schlecht ist, und ich brauche nicht hinauszugehen, wenn es gutes Wetter gibt.«

      »Es weht ein starker Wind und es graupelt«, entgegnete seine Frau, »und der Himmel droht mit Schnee. Dunkel und sehr kalt.«

      »Ich freue mich, daß wir geröstetes Brot gehabt haben«, sagte der frühere Portier in dem Ton eines Mannes, der sein Gewissen in Ruhestand versetzt hat. »Das ist eine Nacht, die gleichsam zu geröstetem Brot geschaffen ist, auch zu süßem Kuchen und zu Pfannkuchen.« Der Portier nannte jedes Essen, als wenn er seine guten Handlungen aufzählte. Darauf rieb er sich seine fetten Beine wie zuvor und, sie in den Knien drehend, um das Feuer an die noch ungewärmten Teile kommen zu lassen, lachte er, als ob ihn jemand gekitzelt hätte.

      »Du bist ja in sehr guter Laune, mein lieber Tugby«, bemerkte seine Frau.

      Die Firma lautete: »Tugby vormals Chickenstalker«.

      »Nein«, sagte Tugby, »nein, nicht besonders. Ich bin ein wenig zufrieden. Der Buttertoast war so schön.« Dabei lachte er, bis er blauschwarz im Gesicht wurde, und hatte so heftig zu arbeiten, um eine andere Farbe zu bekommen, daß seine fetten Beine die seltsamsten Verdrehungen in der Luft machten. Auch war er nicht eher wieder gleichsam in Ordnung zu bringen, als bis Mrs. Tugby ihn heftig auf den Rücken geklopft und geschüttelt hatte, als ob er eine große Flasche wäre.

      »Ei du lieber Himmel, meine große Güte, über den Mann!« sagte Mrs. Tugby in großem Schrecken. »Was macht er nur?«

      Mr. Tugby wischte sich die Augen und wiederholte mit schwacher Stimme, daß er sich ein wenig zufrieden gefühlt habe.

      »Dann fühle dich nicht wieder so, gute liebe Seele«, sagte Mrs. Tugby, »wenn du mich nicht mit deinen Verdrehungen und krampfhaften Bewegungen zu Tode erschrecken willst.«

      Mr. Tugby sagte, er wolle es nicht wieder tun. Doch sein ganzes Leben war ein Kampf, bei welchem er, wenn man aus der beständig zunehmenden Kürze seines Atems und der immer tiefern Röte seines Gesichts schließen durfte, stets den kürzeren ziehen mußte.

      »Der Wind stürmt da draußen, und es graupelt, und der Himmel droht mit Schnee, und es ist dunkel und sehr kalt. Nicht wahr, meine Liebe?« sagte Mr. Tugby, indem er nach dem Feuer sah und wieder an die eigentliche Veranlassung seiner gegenwärtigen Zufriedenheit dachte. ,

      »Ja, böses Wetter!« entgegnete seine Frau, den Kopf schüttelnd.

      »Ja, ja«, sagte Mr. Tugby, »die Jahre sind wie die Christen in dieser Hinsicht: Manche sterben schwer, andere sterben leicht. Dies hat nicht mehr viele Tage zu laufen und kämpft hart darum. Es gefällt mir deswegen um so besser. Es ist eine Kundin da, meine Liebe.«

      Als Mrs. Tugby die Tür knarren hörte, war sie bereit« aufgestanden.

      »Was wünschen Sie?« sagte die Frau, in den kleinen Laden tretend. »O, ich bitte um Verzeihung, Sir, ich wußte nicht, daß Sie es waren.«

      Sie entschuldigte sich auf diese Weise einem Herrn gegenüber, der; in schwarzer Kleidung, mit dem nachlässig auf eine Seite geschobenen Hut und die Hände in beiden Taschen, sich quer über das Bierfaß setzte und zur Erwiderung nickte.

      »Es steht schlecht oben, Mrs. Tugby«, sagte der Gentleman. »Der Mann kann nicht leben bleiben.«

      »Wie, der Dachstübler?« sagte Tugby, indem er heraus in den Laden kam, um an der Konferenz teilzunehmen.

      »Mit dem Dachstübler, Mr. Tugby«, entgegnete der Gentleman, »geht’s schnell bergab, und er wird sehr bald unter der Erde sein.«

      Abwechselnd Tugby und seine Frau ansehend, untersuchte er mit den Knöcheln, wie hoch das Faß noch gefüllt war, und als er dies ausfindig gemacht hatte, trommelte er einen Marsch auf dem leeren Teil.

      »Der Dachstübler, Mr. Tugby«, sagte der Gentleman, nachdem Tugby einige Zeit in stummer Bestürzung dagestanden hatte, »geht den Weg alles Fleisches.«

      »Ich glaube nicht, daß Sie ihn fortschaffen können«, sagte der Gentleman kopfschüttelnd. »Ich selbst könnte die Verantwortlichkeit nicht übernehmen und sagen, daß es geschehen dürfte. Sie lassen ihn besser, wo er ist. Er kann’s nicht mehr lange machen.«

      »Dies ist der einzige Gegenstand«, sagte Tugby und warf die Butterwage krachend auf den Ladentisch, weil er seine Faust darin wiegen wollte, »über den wir uns jemals gezankt haben, sie und ich; und was kommt nun dabei heraus? Er wird hier sterben, sterben auf unserm Grund und Boden, sterben in unserm Hause!«

      »Und wo hätte er sonst sterben sollen, Tugby?« sagte seine Frau.

      »Im Armenhause«, entgegnete er. »Zu welchem Zwecke sind die Armenhäuser da?«

      »Dazu nicht«, versetzte Mrs. Tugby mit großer Energie. »Dazu nicht. Deshalb hab’ ich dich auch nicht geheiratet. Das denke ja nicht. Eher würd’ ich mich scheiden lassen und niemals dein Gesicht wiedersehen. Als noch mein Witwenname über dieser Tür stand, wie das viele, viele Jahre der Fall gewesen ist, war das Haus der Mrs. Chickenstalker weit und breit bekannt, und immer stand es in gutem Rufe und großem Ansehen; als noch mein Witwenname über dieser Tür stand, Tugby, kannt’ ich ihn als einen hübschen, kräftigen, ansehnlichen, unabhängigen Burschen; ich kannte sie als das lieblichste, liebenswürdigste Mädchen, das je ein Auge erblickt hat; ich kannte ihren Vater (der arme Mann, er fiel vom Turme herunter, auf den er einmal im Schlafe gestiegen war, und fiel sich zu Tode) als den schlichtesten, arbeitsamsten und sanftherzigsten Menschen, der jemals geatmet hat; und wenn ich sie aus dem Hause stoße, mögen mich die Engel aus dem Himmel verstoßen! Und sie würden es mit Fug und Recht tun!«

      Ihr altes Gesicht, das so rund war und Grübchen in den Wangen hatte, bevor sie sich so verändert hatte, schien wieder hervorzuscheinen, als sie diese Worte sagte; und als sie ihre Augen trocknete und gegen Tugby den Kopf und zugleich ihr Taschentuch schüttelte mit einem Ausdrucke von Energie, dem offenbar nicht so leicht etwas entgegenzusetzen war, da sagte Trotty: »Gott segne sie! Gott segne sie!«

      Dann horchte er mit klopfendem Herzen auf das, was folgen würde, denn er wußte noch weiter nichts, als daß sie von Meg sprachen.

      Wenn Tugby in dem Zimmer ein wenig lustig und zufrieden gewesen war, so glich sich die Rechnung überreichlich aus, indem er im Laden ganz niedergeschlagen wurde und nun seine Frau anblickte, ohne ein Wort zu erwidern; heimlicherweise aber steckte er zugleich – entweder in einem Anfall von Zerstreuung oder aus Vorsorge für die Zukunft – alles Geld aus der Ladenkasse in seine Taschen.

      Der Gentleman auf der Biertonne, der ein bestellter Armenarztassistent zu sein schien, war offenbar viel zu sehr gewöhnt an Meinungsverschiedenheiten zwischen Mann und Frau, als daß er eine Bemerkung darüber gemacht hätte. Er saß leise vor sich hin flötend auf dem Faß und ließ kleine Biertropfen aus dem Zapfen auf die Erde laufen, bis vollkommene Stille eingetreten war: dann erhob er den Kopf und sagte zu Mrs. Tugby, verwitweten Chickenstalker: »Die Frau hat selbst jetzt noch etwas Anziehendes. Wie kam sie nur dazu, ihn zu heiraten?«

      »Das«, entgegnete Mrs. Tugby, sich in seiner Nähe niederlassend, »ist nicht der am wenigsten grausame Teil ihrer Geschichte. Sehen Sie, sie und Richard hatten vor vielen Jahren ein Verhältnis miteinander. Als sie noch ein junges schönes Paar waren, war alles beschlossen, und sie sollten sich an einem Neujahrstag heiraten. Da kam es Richard in den Kopf, weil vornehme Herren es ihm eingeredet hatten, daß er es klüger einrichten könnte und daß er es bald bereuen würde und daß sie nicht gut genug für ihn wäre und daß ein junger, intelligenter Mensch nicht verheiratet zu sein brauchte. Und die vornehmen Herren schüchterten sie ein, machten sie melancholisch und bange, daß er sie im Stich lassen und daß ihre Kinder an den Galgen kommen würden, und daß es gottlos