Иоганн Вольфганг фон Гёте

Gesammelte Gedichte: Elegien, Epigramme, Sonette, Kantaten, Xenien und viel mehr


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freundlich empfingst du den zerrütteten Gast.

      Doch was fördert es mich, daß auch sogar der Chinese

      Malet, mit ängstlicher Hand, Werthern und Lotten auf Glas?

      Niemals frug ein Kaiser nach mir, es hat sich kein König

      Um mich bekümmert, und Er war mir August und Mäzen.

35

      Eines Menschen Leben, was ists? Doch Tausende können

      Reden über den Mann, was er und wie ers getan.

      Weniger ist ein Gedicht; doch können es Tausend genießen,

      Tausende tadeln. Mein Freund, lebe nur, dichte nur fort!

36

      Müde war ich geworden, nur immer Gemälde zu sehen,

      Herrliche Schätze der Kunst, wie sie Venedig bewahrt.

      Denn auch dieser Genuß verlangt Erholung und Muße;

      Nach lebendigem Reiz suchte mein schmachtender Blick.

      Gauklerin! da ersah ich in dir zu den Bübchen das Urbild,

      Wie sie Johannes Bellin reizend mit Flügeln gemalt,

      Wie sie Paul Veronese mit Bechern dem Bräutigam sendet,

      Dessen Gäste, getäuscht, Wasser genießen für Wein.

37

      Wie, von der künstlichsten Hand geschnitzt, das liebe Figürchen,

      Weich und ohne Gebein, wie die Molluska nur schwimmt!

      Alles ist Glied, und alles Gelenk, und alles gefällig,

      Alles nach Maßen gebaut, alles nach Willkür bewegt.

      Menschen hab ich gekannt und Tiere, so Vögel als Fische,

      Manches besondre Gewürm, Wunder der großen Natur;

      Und doch staun ich dich an, Bettine, liebliches Wunder

      Die du alles zugleich bist, und ein Engel dazu.

38

      Kehre nicht, liebliches Kind, die Beinchen hinauf zu dem Himmel;

      Jupiter sieht dich, der Schalk, und Ganymed ist besorgt.

39

      Wende die Füßchen zum Himmel nur ohne Sorge! Wir strecken

      Arme betend empor; aber nicht schuldlos wie du.

40

      Seitwärts neigt sich dein Hälschen. Ist das ein Wunder? Es träget

      Oft dich ganze; du bist leicht, nur dem Hälschen zu schwer.

      Mir ist sie gar nicht zuwider, die schiefe Stellung des Köpfchens:

      Unter schönerer Last beugte kein Nacken sich je.

41

      So verwirret mit dumpf willkürlich verwebten Gestalten,

      Höllisch und trübe gesinnt, Breughel den schwankenden Blick;

      So zerrüttet auch Dürer mit apokalyptischen Bildern,

      Menschen und Grillen zugleich, unser gesundes Gehirn;

      So erreget ein Dichter, von Sphinxen, Sirenen, Zentauren

      Singend, die Neugier mit Macht in dem verwunderten Ohr;

      So beweget ein Traum den Sorglichen, wenn er zu greifen,

      Vorwärts glaubet zu gehn, alles veränderlich schwebt:

      So verwirrt uns Bettine, die holden Glieder verwechselnd;

      Doch erfreut sie uns gleich, wenn sie die Sohlen betritt.

42

      Gern überschreit ich die Grenze, mit breiter Kreide gezogen.

      Macht sie Bottegha, das Kind, drängt sie mich artig zurück.

43

      »Ach! mit diesen Seelen, was macht er? Jesus Maria!

      Bündelchen Wäsche sind das, wie man zum Brunnen sie trägt.

      Wahrlich, sie fällt! Ich halt es nicht aus! Komm, gehn wir! Wie zierlich!

      Sieh nur, wie steht sie, wie leicht! Alles mit Lächeln und Lust!«

      Altes Weib, du bewunderst mit Recht Bettinen! du scheinst mir

      Jünger zu werden und schön, da dich mein Liebling erfreut.

44

      Alles seh ich so gerne von dir; doch seh ich am liebsten,

      Wenn der Vater behend über dich selber dich wirft,

      Du dich im Schwung überschlägst und, nach dem tödlichen Sprunge,

      Wieder stehest und läufst, eben ob nichts wär geschehn.

45

      Schon entrunzelt sich jedes Gesicht; die Furchen der Mühe,

      Sorgen und Armut fliehn, Glückliche glaubt man zu sehn.

      Dir erweicht sich der Schiffer und klopft dir die Wange; der Säckel

      Tut sich dir kärglich zwar, aber er tut sich doch auf,

      Und der Bewohner Venedigs entfaltet den Mantel und reicht dir,

      Eben als flehtest du laut bei den Mirakeln Antons,

      Bei des Herrn fünf Wunden, dem Herzen der seligsten Jungfrau,

      Bei der feurigen Qual, welche die Seelen durchfegt.

      Jeder kleine Knabe, der Schiffer, der Höke, der Bettler

      Drängt sich, und freut sich bei dir, daß er ein Kind ist wie du.

46

      Dichten ist ein lustiges Handwerk; nur find ich es teuer:

      Wie dies Büchlein mir wächst, gehn die Zechinen mir fort.

47

      »Welch ein Wahnsinn ergriff dich Müßigen? Hältst du nicht inne?

      Wird dies Mädchen ein Buch? Stimme was Klügeres an!«

      Wartet, ich singe die Könige bald, die Großen der Erde,

      Wenn ich ihr Handwerk einst besser begreife wie jetzt.

      Doch Bettinen sing ich indes; denn Gaukler und Dichter

      Sind gar nahe verwandt, suchen und finden sich gern.

48

      Böcke, zur Linken mit euch! so ordnet künftig der Richter:

      Und ihr Schäfchen, ihr sollt ruhig zur Rechten mir stehn!

      Wohl! Doch eines ist noch von ihm zu hoffen; dann sagt er:

      Seid, Vernünftige, mir grad gegenüber gestellt!

49

      Wißt ihr, wie ich gewiß euch Epigramme zu Scharen

      Fertige? Führet mich nur weit von der Liebsten hinweg!

50

      Alle Freiheitsapostel, sie waren mir immer zuwider;

      Willkür suchte doch nur jeder am Ende für sich.

      Willst du viele befrein, so wag es, vielen zu dienen.

      Wie gefährlich das sei, willst du es wissen? Versuchs!

51

      Könige wollen das Gute, die Demagogen desgleichen,

      Sagt man; doch irren sie sich: Menschen, ach, sind sie wie wir.

      Nie gelingt es der Menge, für sich zu wollen, wir wissens;

      Doch