Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman


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Tochter hat mir soviel von Ihnen erzählt. Da ist es nicht schwer zu erraten, wer Sie sind.« Sie macht eine kleine anmutige Handbewegung nach der Tür zu Rietbergs Zimmer hin. »Sie wollen sicher den Chef sprechen. Bitte noch ein paar Minuten Geduld. Er hat eine Besprechung, die gleich zu Ende sein wird.«

      Hermann sieht sich der Frau allein gegenüber, denn Cornelia hat sich zwecks einer Information in eine andere Abteilung begeben.

      Hier also verbringt Cornelia die Stunden des Tages. Er beobachtet aufmerksam Magda Görner, und als sie den Kopf hebt, begegnen sich ihre Augen in einem unfaßbaren Staunen. Ihnen ist, als würden sie sich schon sehr lange kennen.

      »Sie arbeiten schon lange bei Stefan Rietberg?« unterbricht Hermann das Schweigen, nur um ihre dunkle Stimme noch einmal zu vernehmen. Schon ihr Anblick hat ihn entzückt, und er zögert das Alleinsein mit ihr sehr gern hinaus, um ihn noch länger zu genießen.

      »Schon über zehn Jahre bin ich hier tätig, und ich habe meine Arbeit liebgewonnen«, berichtet sie ihm.

      »Dann kennen Sie ja ziemlich viel vom Bau.«

      »Ja, in der Theorie. Leider habe ich noch keine Gelegenheit gehabt, die praktische Entstehung zu verfolgen.«

      »Oh«, sagt er erstaunt. »Das ist schade.« Und einem Impuls folgend, schlägt er ihr vor. »Darf ich Sie einmal mitnehmen? Zum Beispiel könnte ich Ihnen den Bau des Schwimmbades zeigen. Würde es Ihnen Freude machen?«

      »Sehr.« Ihre Augen strahlen. »Das habe ich mir immer gewünscht, mir aber niemals die Zeit dafür genommen. Allerdings könnte ich erst nach Beendigung der Arbeitszeit mitkommen.«

      »Das trifft sich ausgezeichnet«, versichert er eifrig. »Nach fünf Uhr stelle ich mich hier ein. Ich darf Sie doch abholen?«

      »Gern«, sagt sie ohne jede Ziererei.

      Er tritt näher an sie heran und reicht ihr die Hand. »Ich freue mich, daß ich Sie kennenlernen durfte, Frau Görner. Und es bleibt dabei?«

      Sie nickt und schmiegt ihre Finger in seine Hand.

      Ein Gefühl, wundersam beglüc­kennt, wie sie es seit Jahren nicht empfunden hat, durchströmt sie. Sie sieht hinter ihm her, wie er in Rietbergs Zimmer verschwindet und atmet tief auf. Sie spürt, wie ihre Wangen glühen, und als Cornelia Hermann zurückkehrt, macht sie sich ganz verlegen über ihre Arbeit.

      Nach einer Weile erst, als sie glaubt, ihre Stimme wieder in der Gewalt zu haben, sagt sie, daß ihr Vater da und beim Chef sei.

      Rietberg und Rudolf Hermann führen eine sehr freundliche Unterhaltung, die sich zwar nur um geschäftliche Dinge dreht, doch es schwingt so viel Verständnis zwischen ihnen. Hermann fühlt, wieviel Achtung Rietberg ihm entgegenbringt, und das tut ihm wohl.

      »Wie macht sich meine Tochter?« erkundigt er sich.

      »Gut«, antwortet Rietberg. »Jedenfalls ist Frau Görner sehr zufrieden mit ihr. Ich glaube, die beiden Frauen vertragen sich sehr gut.«

      »Dann bin ich zufrieden.« Auch Hermann lächelt irgendwie erlöst. »Das ist ja alles Neuland für meine Tochter, und sie muß viel Einfühlungsvermögen aufbringen, um sich hier zurecht zu finden. Um so mehr freut es mich, daß Sie zufrieden mit ihr sind.«

      Zufrieden? Rietberg sinnt hinter diesem Wort her. Wie Schuppen fällt es ihm von den Augen.

      Er liebt dieses zarte, bezaubernde Geschöpf.

      Als Hermann ihn schon verlassen hat, beschäftigt er sich immer noch mit Cornelia. Er braucht nur aufzustehen, in das Nebenzimmer zu gehen, und dann kann er sie sehen, mit ihr sprechen.

      Aber er wagt es nicht. Er hat Hemmungen, glaubt sich nicht genug in der Gewalt zu haben und ahnt nicht, daß Cornelia immer wieder nach dem Nebenzimmer lauscht. Dort weiß sie Rietberg, mit dem sie sich, ob sie will oder nicht, in Gedanken beschäftigen muß.

      So viel Gutes hört sie von ihm, und alles rundet sich in ihr zu einem Gesamtbild, das sie achtet und verehrt.

      »Heute werde ich einmal pünktlich Schluß machen, Fräulein Hermann«, reißt Magda Görner sie aus ihrer Versunkenheit, daß sie leicht zusammenfährt.

      »Das können Sie doch, ich bleibe gern noch hier, falls das Gespräch aus Düsseldorf nicht rechtzeitig eintrifft.«

      »Würden Sie das tun?« Magda zögert. Soll sie Cornelia Hermann erzählen, daß sie mit ihrem Vater zu dem Neubau fährt? Sie entschließt sich, darüber zu schweigen. Vielleicht würde sie sich verraten, wie sehr sie sich darauf freut.

      *

      »Schön, daß Sie da sind«, begrüßt Rudolf Hermann die schmale dunkelhaarige Frau und drückt ihr herzhaft die Hand.

      Sie geht an seiner Seite wie im Traum, beschwingt und beglückt und weiß eigentlich nicht warum.

      »Natürlich besitze ich keinen Wagen. Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir den Autobus benutzen – oder wollen wir ein Taxi nehmen?«

      Magda Görner kennt seinen Daseinskampf und entscheidet sich ohne Besinnen für den Bus.

      Am Bestimmungsort hilft er ihr die hohen Stufen herab und geleitet sie aus dem Strom der Aussteigenden in die einzuschlagende Richtung.

      Er befindet sich in Hochstimmung, wie er sie selten in seinem Leben empfunden hat.

      Zum ersten Male spürt er, daß auch im Schweigen eine gewisse Beglückung, ein stilles Einverständnis liegen kann.

      Sie gehen langsam die Allee entlang. Die Sonne steht schon tief am Himmel und vergoldet mit ihren letzten Strahlen ihren Weg. Sie liegt auf den Wiesen, auf den abgeernteten Feldern, über die leicht der Abendwind streicht.

      Die Luft ist rein und erfrischend. Magda Görner, die sich kaum erinnern kann, in den letzten Jahren einen solchen Spaziergang gemacht zu haben, findet alles wunderschön.

      »Sie sind so schweigsam«, reißt Hermann sie aus ihren vielseitigen Überlegungen und Erwägungen heraus.

      »Verzeihen Sie«, sagt sie und wendet ihm ihr klares Gesicht voll zu. »Sie glauben nicht, wie ich diesen Gang durch die Natur genieße. Mein Leben spielt sich im Büro und in den Wänden meiner kleinen Wohnung ab. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mich mitgenommen haben.«

      Er lächelt ihr zu und freut sich über ihre Worte. Einmal stolpert sie über einen Stein, da greift er schnell zu und faßt sie am Arm. Eine heiße Welle strömt ihr und auch ihm zu Herzen.

      Wie selbstverständlich überläßt sie ihm ihren Arm, und so gehen sie Arm in Arm dahin.

      »Wie wunderschön kann doch das Leben sein«, beginnt er nach einer Weile. »Sie werden es albern finden, aber ich finde es auch großartig, daß wir beide hier gemeinsam gehen.«

      Warum ist nicht von Anfang an eine solche Frau neben mir her gegangen, denkt er. Und plötzlich erinnert er sich an Cornelias Worte.

      »Niemals darf es zu spät sein!«

      Sollte es auch bei ihm nicht zu spät sein? Welch törichte Gedanken. Er kennt diese Frau erst wenige Stunden. Aber er kann es nicht ändern, etwas schlingt sich um sie, ein unsichtbares Band, als gehörten sie zusammen für immer, für Zeit und Ewigkeit.

      Wie alt ist er geworden? Vierundfünfzig Jahre! Und er kann noch einmal so tief für eine Frau empfinden, nachdem die eine, die erste große Liebe ihn so maßlos enttäuscht hat?

      Auf dem Neubau führt er sie über­all herum, und sie betrachtet die fortgeschrittenen Arbeiten mit den Augen eines beschenkten Kindes. Bisher hat sie nur Pläne, Zeichnungen lesen können, jetzt sieht sie, wie sich hier ein Werk von seltener Schönheit vollendet.

      Er reicht ihr die Hand und führt sie sorgsam über Schutt und Steine. Er geleitet sie behutsam über eine soeben fertiggestellte Treppe, und er erklärt ihr, wie die Inneneinrichtung sich gestalten soll.

      Ordentlich stolz ist sie, daß er daran beteiligt ist, mit seinem ganzen Können, ja, sie spürt es, sogar mit seinem