Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman


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Überhaupt unsere Kollektion.« Sie hebt verzweifelt die Hände empor.

      »Nun sagt doch mal selbst, Kinder«, spricht Hedda über die kleine Arbeitsgemeinschaft hin, »sind das nicht Entwürfe, für die es lohnte zu arbeiten? Mein Gott, was könnten wir für Stoffe und Farben dafür verwenden, reinste Sinfonien.«

      »Bleiben Sie auf der Erde«, läßt Christiane sich trocken vernehmen. »Das sind nur so hingeworfene Zeichnungen. Da steckt doch nichts dahinter.«

      Hedda schüttelt beinahe verzweifelt den Kopf. »Ich verstehe Sie nicht, Fräulein Hermann. Sie haben einen so ausgezeichneten Geschmack. Jawohl, mehr als wir alle zusammen – warum setzen Sie sich nicht für diese Modelle ein?«

      »Iiich?« tut sie unschuldig. »Ich habe hier gar nichts zu sagen. Nur Fräulein Müller, entschuldigen Sie bitte, ich meine, Madame Cläre, und mein Bruder.«

      »Das verstehe ich nicht«, sagt Hedda entmutigt und schiebt die Zeichnungen wieder über den Tisch hinweg.

      »Vielleicht werden Sie es noch einmal verstehen, Hedda«, orakelt sie und hüllt sich weiterhin in geheimnisvolles Schweigen. »Meine Mutter ist nun einmal überzeugt, wir gehen dem Ruin entgegen, wenn Dalier nicht die Entwürfe macht.«

      Keiner antwortet. Jeder weiß, daß es mit dem »Salon Christian« abwärts geht. So manches erregte Gespräch, das im Vorführraum stattfindet, dringt an ihre Ohren.

      Gewiß, Stefanie Hermann versucht alles zu vertuschen und zeigt stets eine gelassene Miene. Aber sie finden einstimmig, daß sie in den letzten Wochen unerhört gealtert ist. Sie kann die Spuren durch kein noch so sorgfältiges Make-up verwischen.

      Christian Hermann hat schon Auftritte mit der Kundschaft provoziert, wenn er einen über den Durst getrunken hatte, und das kam in letzter Zeit so häufig vor, daß gerade die zahlungsfähigsten Kunden weggeblieben sind.

      So steht es im »Salon Christian«, als Vorbereitungen für die Herbstmodenschau getroffen werden. Alles ist auf den Beinen. Die Müller hetzt die Angestellten durcheinander, daß keiner zuletzt mehr weiß, was er nun eigentlich zuerst tun soll. Die Modelle werden nach den Entwürfen Daliers zugeschnitten, genäht und anprobiert. Überstunden werden gemacht, während Stefanie Hermann und ihr Sohn Christian die Reklametrommel rühren.

      Stefanie Hermann hat den Rest ihres Geldes in diese Sache gesteckt. Es wird ein großer Erfolg werden. Mehrmals täglich muß sie sich das einflüstern. Und Christian prahlt.

      »Paß auf, Mama, wir werden uns alle die alten Kunden wieder zu­rück­erobern. Keine Bange! Der Betrieb läuft auf Hochtouren.«

      »Es muß gelingen, Christian«, sagt sie eindringlich. Sie verschweigt aber, daß alles davon abhängt.

      Christian glaubt alles getan zu haben, indem er seinen Bekanntenkreis mobilisiert hat, seine Freundinnen aufgefordert zu erscheinen und noch Freunde mitzubringen. Prospekte laufen und Kinoreklamen.

      Sie haben den großen Saal im elegantesten und tonangebendsten Hotel gemietet, einen Ansager engagiert. Christian selbst im Frack steht am Eingang, um die Gäste zu empfangen, die sehr spärlich erscheinen.

      Er hetzt in die Garderobe und sucht seine Mutter, die mit Marcel Dalier und Madame Cläre zusammensitzt.

      Sie ist in ein kostbares Nachmittagskleid gehüllt und sieht im Lampenlicht vorteilhaft aus.

      »Nun? Wie ist es? Ist der Saal voll? Wir werden gleich beginnen.«

      »Komm mal mit, Mama«, fordert er seine Mutter auf. Er sieht blaß und ärgerlich aus.

      »Was ist denn?« flüstert sie, als sie sich allein wissen.

      »Ich glaube, wir erleben eine Pleite, Mama –«

      »Christian!« Sie faßt ihn am Aufschlag seines Fracks. »Das ist doch unmöglich.«

      »Überzeug dich selbst«, sagt er rauh. »Der Saal ist kaum halb gefüllt. Meistens sind es noch Freunde von mir, die kaufen bestimmt nichts.« Rasch hält er sie am Arm fest. »Was ist denn, Mama?« Sie gleitet aus seinem Arm auf den Boden. Bestürzt und dann voller Angst rennt er zurück und alarmiert die Leute. Sie kommen herbeigestürzt und tragen Stefanie Hermann in den neben den Garderobenräumen gelegenen stillen Raum, legen sie auf eine Liege und verschwinden mit beunruhigten Mienen.

      Stefanie Hermann liegt in tiefer Bewußtlosigkeit. Christian jagt jemand um einen Arzt, dann überläßt er seine Mutter Christiane, die sich ins Zimmer drängt und die Tür hinter den Neugierigen schließt.

      Sie trägt ein entzückendes Kleid aus Organza und sieht wie Schneewittchen darin aus. Besorgt beugt sie sich über das farblose Gesicht ihrer Mutter.

      Erst dem Arzt gelingt es, die Frau zum Bewußtsein zu rufen. Ihre Augen wandern wie irr umher.

      »Habt ihr begonnen?« ist ihr erstes Wort, das sie an Christiane richtet. Diese drückt sie auf das Kissen zurück.

      »Sorg dich jetzt nicht. Denke nicht an die Modenschau. Es wird alles gutgehen. Bleib ganz ruhig liegen, Mama.«

      Ihre Stimme übt einen beruhigenden Einfluß auf Stefanie aus, in der alles flattert. Sie denkt an das viele Geld, was die Sache gekostet hat und an die Rechnungen, die nachkommen werden. Nicht allein Rechnungen, auch Wechsel hat sie ausgestellt und unterschrieben.

      »Ruhe, gnädige Frau«, mahnt der Arzt und gibt ihr ein Pulver zu schlucken. Danach schlummert sie ein.

      Indessen nimmt die Modenschau ihren Anfang, und es wird wirklich eine Pleite. Das Publikum ist wenig interessiert. Die Modelle zünden nicht. Der Ansager ist schwach, und die Kapelle viel zu laut. Sie beansprucht die Nerven der Anwesenden über Gebühr, so daß die ersten Gäste schon bald wieder verschwinden.

      Christian Hermann ist verzweifelt. Er feuert die Vorführdamen mit beleidigenden Worten an, daß sie, schon außerordentlich nervös, in Tränen ausbrechen. Sie müssen neu geschminkt werden, und die Pausen zwischen den einzelnen Vorführungen werden immer größer und das Publikum unzufriedener.

      Gegen zehn Uhr sind sie alle vollkommen ausgepumpt, und das Ergebnis ist verheerend.

      Stefanie Hermann läßt sich von ihren Kindern heimfahren. Sie will nichts mehr hören und sehen. Sie zieht sich wortlos in ihr Zimmer zurück und legt sich, schlaflos, bis in die Fingerspitzen erregt, zu Bett.

      Christian und Christiane kehren in das Wohnzimmer zurück.

      Verdrießlich nagt Christian an der Unterlippe. »So eine Blamage«, stößt er ergrimmt hervor. »Kein Mensch hat das voraussehen können.«

      »Doch – ich!« erwidert Christiane ruhig, schwingt sich in einen Sessel und greift zur Zigarette.

      »Daß ich nicht lache«, spöttelt er. »Ausgerechnet ich soll dir das abnehmen – du Küken.«

      »Warum bringt ihr die verrückten Modelle von diesem – diesem Halunken Dalier –«

      »Ich bitte dich, was verstehst du schon von Kleidern.« Er lacht verächtlich.

      »Vielleicht mehr, als du glaubst«, sagt Christiane mit aller Gelassenheit und pafft den Rauch von sich. »Wir brauchen solide, elegante Kleider. Kleider, die man trägt, aber nicht solche, die man zum Fasching überzieht – oder in den Schrank hängt. Dazu ist das Geld heutzutage viel zu knapp.«

      »Und das fällt dir ausgerechnet jetzt, nach dem Reinfall, ein?« höhnt er.

      »Nee, das habe ich schon vorher gewußt, leider vor tauben Ohren gepredigt«, verkündet sie.

      Er rennt wie besessen hin und her, und sie verfolgt ihn mit einem beinahe amüsierten Lächeln.

      Im Augenblick tut ihr die Mama sehr leid. Sie hat zum Erbarmen ausgesehen. Sicher war es ein schwerer Schlag für sie.

      So sinnt Christiane vor sich hin und fühlt sich sehr, sehr unglücklich. Sie hat grenzenlose Sehnsucht nach Cornelia. Sie hat sich eigentlich mit der Schwester immer gut verstanden. Wenn wenigstens Lothar da wäre.

      So