Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman


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kommt spät in der Nacht heim. Er hat gefeiert, obgleich es gar nichts zu feiern gab. Er wollte sich im Grunde betäuben. Er ahnte, daß diese verunglückte Modenschau allerlei Unangenehmes nach sich ziehen würde.

      Stefanie Hermann ließ sich eine Tasse starken Kaffee brauen und verließ zuerst das Haus.

      Im Modesalon war es wie alle Tage. Die Mädchen saßen über ihrer Näharbeit. Madame Cläre fegte durch die Räume, und im Büro saß der Buchhalter Händel und hatte eine kummervolle Miene.

      Nichts wird schneller bekannt, als wenn ein Mensch mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Im Salon geht es wie ein Lauffeuer um. Man betrachtet Stefanie Hermann mit scheuen Blicken und weiß nicht, soll man mit ihrem jammervollen Aussehen Mitleid oder Schadenfreude empfinden.

      Und dann schwebt über ihnen allen die Angst, entlassen zu werden, falls der Salon sich nicht länger würde halten können.

      Stefanie Hermann hat mit dem Buchhalter Händel eine lange Unterredung, nachdem sie wie üblich ihren Rundgang gemacht hat. Sie verläßt ihn in aufrechter Haltung. Keiner soll ihr anmerken, wie sehr sie die Gewißheit getroffen hat, sie ist am Ende. Sie wird nicht einmal mehr die Wechsel einlösen können. Also heißt es Geld beschaffen – oder den Laden schließen.

      Sie zieht sich in den Raum hinter Christians Schreibtisch zurück, stützt den Kopf in die Hand und malt Zahlen, Zahlen auf ein Papier. Es ist eine stattliche Kolonne, die ihr Angst und Schrecken einjagt.

      Sie hat schon alle Sicherheiten hingegeben. Selbst die Villa ist überbelastet. Dazu findet sie unter der Post einen Brief vom Anwalt ihres Mannes vor, der ihr mitteilt, daß sie keinerlei Unterstützung von Rudolf Hermann, ihrem Mann, zu erwarten habe.

      Diese Tatsache schiebt sie lässig beiseite. Gut! Dann wird sie eben darum kämpfen. Schließlich sind Chri­stian und Christiane auch seine Kinder.

      Ihr Anwalt dagegen schreibt ihr, daß die Scheidung in den nächsten Tagen ausgesprochen würde und sie ihren Mädchennamen, Stefanie von Ruevel, wieder annehmen könne.

      Gottlob! Dann wird sie nichts mehr an ihre Ehe mit Hermann erinnern.

      Und dann tritt sie abermals den Gang zur Bank an, läßt sich bei dem Direktor melden und sucht um einen Kredit nach.

      Natürlich erhält sie ihn, aber dafür wandert ihr Schmuck in den Safe der Bank. Sie trennt sich ungern davon, es versetzt ihr sogar einen großen Schock. Aber sie hat in letzter Zeit so viel Schläge hinnehmen müssen, daß sie auch diesen verwinden wird.

      Auf dem Heimweg überlegt sie, wo man sparen könnte. Die Dienerschaft in der Villa entlassen? Niemals! Der äußere Rahmen muß erhalten und der Schein gewahrt bleiben.

      Ihren Wagen mit Chauffeur abschaffen? Aber dann wäre sie immer auf Christian angewiesen – und sie kann nicht auf ihre Bequemlichkeit verzichten. Das will sie auch nicht. In letzter Zeit hat sie zwar bei unangenehmen Wegen stets ein Taxi benutzt, aber das nur, um keinen in ihre Karten gucken zu lassen.

      Jedenfalls glaubt sie, wieder einmal eine gefährliche Klippe umschifft zu haben. Ganz so dunkel sieht die Zukunft doch nicht aus, so tröstet sie sich selbst über etwas hinweg, was jederzeit wie ein Kartenhaus zusammenfallen kann.

      Sie findet Christiane im Salon in dem Privatzimmer vor.

      »Du hier, Kind?« begrüßt sie ihre Tochter, die sich in letzter Zeit ausnehmend freundlich benommen hat.

      »Ich wollte dich einmal sprechen, Mama.«

      »Hoffentlich nichts Unangenehmes«, sagt Stefanie nervös. »Mir reicht es bis jetzt.«

      Christiane hebt ratlos die Schultern. »Wie man es nimmt, Mama. Ich bin freiwillig in die Nähstube zurückgekehrt und habe meine Augen offen- gehalten. Bei uns ist allerhand faul –«

      »Christiane«, verweist Stefanie ihre Tochter streng. »Fängst du schon wieder an? Ich dachte, du seiest wirklich vernünftig geworden.«

      »Darf ich nun einmal offen mit dir sprechen – oder nicht?«

      »Wenn du mir Vorwürfe machen willst, dann laß es lieber sein«, sagt Stefanie eiskalt und sieht ihre Tochter drohend an.

      »Ich bin zu dir gekommen, um dir Vorwürfe zu machen«, verteidigt Christiane sich. »Ich möchte dich auf Mißstände in dem Betrieb aufmerksam machen. Madame Cläre –«

      Abweisend hebt Stefanie beide Hände. »Bitte, laß mich damit in Frieden. Wir haben Madame Cläre sehr nötig. Ohne sie wäre der Laden schon viel weiter herunter –«

      »– oder auch nicht«, fährt Christiane ihr erregt ins Wort. »Sie ist eine Niete, Mama. Mein Gott, warum glaubst du mir nicht? Warum glaubst du einer Fremden mehr, die doch nur in ihre eigene Tasche arbeitet.«

      »Hast du Beweise?«

      »Ich weiß das, ich fühle es«, beharrt Christiane heftig. »Ich halte meine Augen offen. Dieser Marcel Dalier –«

      »Wer denn nun alles noch?« Das klingt spöttisch und abweisend zugleich, und Christiane fühlt eine ohnmächtige Wut in sich hochsteigen.

      »Gut, Mama.« Sie zittert am ganzen Körper. »Du willst es nicht anders.« Sie sieht unendlich traurig aus. »Es tut mir sehr leid, daß du mir nicht glaubst.«

      Mit hängenden Schultern wendet Christiane sich zum Gehen. Angst schießt in Stefanie empor. »Du – du willst doch nicht etwa zu deinem Vater gehen?«

      Christiane bleibt stehen und mißt das farblose Gesicht ihrer Mutter mit einem bekümmerten Blick. »Nein, ich gehe nicht zu Papa. – Ich glaube, du wirst mich noch einmal sehr nötig haben, Mama.«

      Hm! Du wirst mich noch einmal sehr nötig haben, hat Christiane gesagt. Was für eine Anmaßung. So ein junges, unerfahrenes Ding.

      So geht die Zeit dahin, und nichts ändert sich im »Salon Christian«. Ganz langsam füllt sich der Krug. Er steht dicht vor dem Überlaufen, aber die es angeht, wollen es nicht sehen.

      *

      Für Rudolf Hermann hat inzwischen eine neue Schaffensperiode begonnen. Das Schwimmbad geht seiner Vollendung entgegen, und neue Aufträge laufen ein.

      Aus einer Baracke, wo das Büro untergebracht ist und Emil Weber arbeitet, ist längst ein massives Gebäude geworden. Die Zahl der Arbeiter hat sich laufend vermehrt. Rudolf Hermann hat sich ein Motorrad anschaffen müssen, um schnell von einem Bau zum anderen zu kommen. Er fühlt sich jung und elastischer denn je. Überall, wo er mit seinem heiteren, ausgeglichenen Wesen auftaucht, wird er freundlich und ehrerbietig begrüßt.

      Er weiß, daß er das seiner eigenen Kraft verdankt. Aber er weiß auch, daß eine zierliche dunkle Frau nicht ganz unbeteiligt an diesem schwungvollen Schaffen ist.

      Magda Görner und er haben sich in der letzten Zeit immer häufiger getroffen. Sie wissen, daß sie einander lieben. Es ist eine späte, aber um so tiefere Liebe, die keiner Worte bedarf. Sie ist zwischen ihnen, und sie macht beide unendlich glücklich, so glücklich, daß sie von diesem Glück an ihre Umgebung abgeben können.

      Cornelia fühlt sich herzlich zu der mütterlichen Freundin hingezogen. Ohne daß sie darüber gesprochen haben, wissen sie, daß Cornelia das Geheimnis kennt zwischen Magda und ihrem Vater.

      Es kommt jetzt öfter vor, daß Cornelia nicht mehr dem Vater allein im Verandazimmer gegenübersitzt, sondern eine schlanke dunkelhaarige Frau ist bei ihnen, bedient sie mit mütterlicher Besorgnis und plaudert angeregt mit ihnen oder sie schweigt und sitzt mit strahlenden, glücklichen Augen dabei.

      An dem Tag, da Rudolf Hermann das Scheidungsurteil in Händen hält, fährt er mit Magda Görner zu seinem Sohn Lothar.

      Zunächst hat er eine Überraschung für Magda und seine Tochter bereit.

      Magda ist schon frühzeitig in die kleine Wohnung gekommen. Sie sitzen gemütlich beim Morgenkaffee, als Rudolf Hermann erregt aufsteht und die beiden Frauen mit sich an das Fenster zieht.

      »Was steht