Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman


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      »Stefan!« Mit einem Jubellaut fliegt Cornelia ihm an die Brust. »Ist das wirklich wahr? Wirklich und wahrhaftig?«

      »Wirklich und wahrhaftig, Kind«, beteuert er und hält sie ganz fest. »Der alte gute Weber hat das hinter euren Rücken arrangiert. Wenn es dir recht ist, werden wir uns dann das Haus ansehen, und du sollst deine Wünsche äußern. Vielleicht möchtest du einiges geändert haben.«

      »Ach, Stefan.« Cornelia bricht in Tränen aus, gerade als Christiane mit Lothar eintritt. Betroffen bleibt sie, Lothar an der Hand, neben der Tür stehen. »Nanu, was geht hier denn vor? Warum weinst du, Cornelia?«

      Cornelia eilt der Schwester entgegen und schließt sie in die Arme, eifrig flüstert sie mit ihr, indessen Lothar auf die Mutter zugeht.

      »Mama!«

      Glühende Röte schießt in Stefanies eben noch wächserne Wangen.

      »Lothar, mein Junge!«

      Sie halten sich wortlos umfangen. Stefanie bricht zuerst das Schweigen, schiebt Lothar etwas von sich und während ihr die Tränen über die Wangen laufen, flüstert sie.

      »Alle kommen sie zu mir zurück, alle meine Kinder, und ich habe gar nichts dazu getan. Ich schäme mich vor euch –«

      »Aber, Mama!«

      »Doch, doch, Lothar«, versichert sie erregt und hält seine Hände umklammert. »Alles habe ich falsch gemacht, mein Junge. Aber euer Vater hat es in die Reihe gebracht. Mehr kann ich nicht vom Leben erwarten.«

      »Mama!« Betroffen, bis ins Herz erschrocken, neigt Lothar sich über sie. »Du wirst sehr glücklich mit uns sein, wenn auch unser Leben in anderen Bahnen läuft als früher.«

      »Ja, sehr glücklich«, wiederholt sie. Aber über seinen Kopf hinweg sieht sie ins Leere. Sie hat keine Kraft mehr. Sie weiß es besser. Man gibt sich Mühe, sie in den Kreis der glücklichen Menschen zu ziehen. Aber sie weiß es besser:

      Für sie ist es zu spät!

Geliebte, bezaubernde Amelie

      »Professor Martens bitte nach OP 1!«

      In kurzen Abständen wird die Durchsage wiederholt.

      »Professor Martens bitte nach OP 1!«

      Martens hebt den Kopf von seiner Arbeit. Soeben hat er noch etwas Müdigkeit bei der Abfassung des Berichtes für die Fachzeitschrift »Der Arzt« gespürt.

      Er schiebt die Arbeit von sich und eilt davon. Nichts mehr vor Müdigkeit spürt er. Er wird gebraucht. Irgendein Mensch braucht seine ärztliche Hilfe.

      Im Vorraum zum Operationssaal findet er seinen Oberarzt Dr. Lenz, den Narkosearzt und Assistenzarzt Dr. Berthold beim Händewaschen.

      Er stellt sich neben sie an das freie Becken und läßt das Wasser über seine Hände laufen. Dabei erkundigt er sich:

      »Ein Unfall?«

      »Ein Unfall, ja. Irgendein Idiot hat ein junges Mädchen angefahren. Ich vermute Milzverletzung. Operation eilt jedenfalls. Bluttransfusion habe ich bereits angeordnet.«

      »Sehr gut, danke«, erwidert der Professor in seiner knappen Art, an die sich seine Mitarbeiter längst gewöhnt haben. Sie alle bewundern ihn restlos, sein Können, sein unermüdliches Ringen um jedes Menschenleben, das ihm anvertraut wurde.

      Wenig später steht jeder an seinem Platz.

      Und dann operiert der Professor. Kaum ein Laut außer dem leisen Klirren der zurückgelegten Instrumente und den knapp gegebenen Befehlen ist hörbar in dem grüngekachelten weiten Raum, der mit allen Neuerungen ausgestattet ist.

      Der Oberarzt und die Operationsschwester haben wieder einmal Gelegenheit, die souveräne Ruhe des Professors zu bewundern. Sie überträgt sich auf den gesamten Mitarbeiterstab. Professor Martens operiert schnell und sicher.

      Manchmal trifft ein schneller Blick den Narkosearzt, und dieser nickte beruhigend.

      Keiner blickt auf die elektrische Uhr. Sie stehen ganz im Bann der meisterhaft geführten Operation. Sie erwachen erst daraus, als sie das erlösende: »Fertig!« hören.

      In diesem Augenblick zieht Dr. Lenz das Tuch vom Gesicht der Verunglückten. Während ihm Schwester Karla das Mundtuch und den Kittel abnimmt, hat er Zeit, in das süße Mädchengesicht zu blicken. Über einer hohen, klugen Stirn bauschen sich tiefschwarze kurze Locken. Etwas rüh­rend Hilfloses liegt über der stillen Gestalt.

      Nachdenklich kehrt er in den Waschraum zurück. Auch die anderen Ärzte folgen ihm nach und nach, während die Oberschwester mit Schwester Karlas Hilfe die Operierte aus dem Operationssaal schiebt.

      Wie alle Frischoperierten fahren sie das junge Mädchen in das für diese Zwecke bereitstehende Einzelzimmer.

      Indessen fragt der Professor seinen Oberarzt:

      »Wissen Sie den Namen der Verunglückten? Sind Angehörige zu verständigen?«

      »Bisher war dazu noch keine Zeit, Herr Professor. Es ging um das Leben der Unbekannten. Aber selbstverständlich erkundige ich mich sofort.«

      »Tun Sie das«, fordert der Professor ihn auf. »Ich gehe zu der Operierten. Falls Sie mich brauchen…«

      Damit verschwindet der Professor, und der Oberarzt eilt in die Aufnahme, wo das Eigentum des junge Mädchens abgegeben wurde.

      Bei Professor Martens’ Eintreten erhebt sich Schwester Karla sofort.

      »Wie steht es?«

      »Alles normal, Herr Professor.«

      Er winkt ab. »Danke. Sie haben Nachtdienst?« Und als sie bejaht, setzt er hinzu: »Sollte ich Sie benötigen, klingle ich.«

      »Jawohl, Herr Professor.«

      Sie neigt sich zum Nachttisch, um etwas zurechtzurücken, dabei hört sie es in ihrer Tasche rascheln. Leichenblaß fährt sie empor und lehnt sich gegen die Wand.

      »Herr Professor«, stammelt sie mit versagender Stimme. »Ich – ich – mir ist etwas Schreckliches passiert.« Sie reicht ihm ein Telegramm, das sie nun schon seit Stunden in ihrer Tasche trägt.

      »Was gibt es?« Mit seinem durchdringenden Blick sieht er die Schwester an, so daß sich ihr Mund hilflos öffnet und schließt. »Nun reden Sie schon.«

      »Hier – dieses Telegramm – an Sie.« Hier versagt ihr die Stimme. Der Professor nimmt es der Schwester aus der Hand. Sie zittert am ganzen Körper.

      Gespannt öffnet und liest der Professor die Depesche.

      »ankomme mit nachtflugzeug aus paris stop da ortsunkundig erwarte ich abholung stop deine nichte amelie baxter.«

      Nichte! Nichte! Die Gedanken wirbeln ihm durch den Kopf. Mein Gott, er hat eine einzige Schwester. Es kann nur Irmgards Tochter sein, die abgeholt sein will. Sein Blick fällt auf Schwester Karla, die keinen Tropfen Blut mehr im Gesicht hat.

      »Nun fallen Sie mir bloß nicht in Ohnmacht«, sagt er mit heiserer Stimme. »Erkundigen Sie sich lieber, wann das Nachtflugzeug aus Paris auf dem Flughafen eintrifft.«

      Schwester Karla ist so erschüttert über ihre Vergeßlichkeit, daß sie kein Glied zu rühren vermag.

      »Sie hatten reichlich viel Arbeit heute, Schwester Karla. Dabei kann man schon einmal etwas vergessen. Kein Mensch ist unfehlbar.«

      »Sie nicht, Herr Professor«, platzt sie schwärmerisch heraus. Wo sie einen Anschnauzer erwartet, tröstet er sie noch? Das ist noch nie dagewesen. Sie hetzt davon und wäre draußen beinahe mit dem Oberarzt zusammengeprallt. Kopfschüttelnd sieht er hinter ihr her, wie sie den Korridor entlangfegt.

      Hat sie einen Anpfiff bekommen? Sah ganz danach aus. Dabei ist sie ein so lieber, hilfsbereiter Kerl, der alles tut, um die Ärzte und die ihr anvertrauten Kranken zufriedenzustellen.

      Er