der Wunde ein Stück krankhaftes Gewebe.
»Doktor Mehnert, Sie fahren sofort ins Pathologische Institut, melden sich bei Doktor Brand und übergeben ihm das. Ich telefoniere inzwischen mit ihm.«
Ohne auf die Zwischenrufe der anderen Ärzte zu hören, verpackt er fachgemäß das Stück Gewebe.
»Beeilen Sie sich«, trägt Berthold dem jungen Arzt auf. »Wir unterbrechen die Operation. Du bleibst bei dem Kranken«, sagt er zu Eleonore, was ihm einen verwunderten Blick der Kollegen einbringt. Merkwürdig, erst hat sich Dr. Brenner sehr zu ihrem Vorteil verändert, und nun sagt Berthold »Du« zu ihr…
Sie folgen ihm ins Ärztezimmer und stehen dort unschlüssig herum. Berthold geht, mit Spannung geladen, rastlos hin und her.
Das Telefongespräch mit Dr. Brand war kurz. Er weiß, er kann sich auf Dr. Brand verlassen. Er wird alles stehen und liegen lassen, um diesen Auftrag auszuführen.
Die Zeiger der elektrischen Uhr rücken unentwegt weiter. Berthold unterdrückt mit Mühe seine Nervosität.
Praktisch kann Mehnert noch gar nicht wieder zurück sein. Zuerst die Untersuchung, dann muß Brand den Bericht schreiben.
Mein Gott, denkt er, laß mich recht haben, sonst wäre ich unmöglich, völlig unmöglich gemacht.
Er bemerkt die mitleidigen Blicke der anderen Ärzte und strafft sich. Ganz gleich! Und wenn er sich geirrt hat! Er hat alles versucht, und das ist seine Pflicht.
Ein Glücksgefühl durchbraust ihn. Eleonore hat tapfer zu ihm gestanden. Sie ist ein prachtvoller Mensch und glaubt an ihn.
Er sieht die kleine jammernde Frau Spenger vor sich. Auch für sie tut er es. Er handelt gegen die Anweisung Lenz’ und des Professors. Und wenn sie ihn rausschmeißen: Er folgt seiner inneren Überzeugung.
Warum mußte Lenz auch gerade abwesend sein? Vielleicht hätte er ihn doch überzeugen können?
So ist er ganz auf sich allein gestellt.
Endlich erscheint Dr. Mehnert und reicht ihm den Bericht.
Helle Schweißperlen stehen auf seiner Stirn. »Es ist kein Krebs«, sagt er heftig atmend.
In Berthold glüht Begeisterung auf. »Kommen Sie, meine Herren, operieren wir. Ich habe es geahnt.«
Die Operation ist vorbei. Hermann Spenger hat sein Bein nicht verloren. Der Arzt und Eleonore begleiten die Trage bis in das Zimmer des Kranken.
Berthold ist fix und fertig.
Abseits läßt er sich nieder, während Dr. Brenner die Umbettung überwacht. Sie ist glücklich, einfach glücklich. Als sie allein sind, blickt sie auf Berthold, der den Kopf in die Hände gestützt hat.
»Ich bringe dir einen starken Kaffee«, sagt sie und fährt ihm zärtlich über das nasse blonde Haar.
Er nickt dankbar und verfällt abermals ins Grübeln.
Sie werden ihn zurechtweisen, Lenz und auch der Professor. Es hätte auch schiefgehen können. Aber es ist gutgegangen, und das beglückt ihn über alle Maßen.
Nun wird er weiterhin alles tun, damit der Mann über den Berg kommt.
Lächelnd nimmt er Eleonore die Tasse Kaffee aus der Hand.
»Du wirst Unannehmlichkeiten mit dem Oberarzt und dem Professor bekommen«, sagt sie leise.
»Erst sehen. Ich wache heute nacht bei Spenger.«
»Darf ich auch hierbleiben?« fragt sie, und ihre Augen flehen förmlich. Er nickt zustimmend.
Es ist schön, daß er nicht mehr allein ist, daß er einen Menschen gefunden hat, der ihn und seinen Beruf versteht.
»Es wird ein herrliches Leben für uns werden«, sagt er glücklich und zieht mit der Linken ihren Kopf zu sich herab, um ihr einen Kuß, innig und zart, auf die Lippen zu drücken.
Nichts hat sich in der Nacht verändert. Spenger liegt noch in Narkose. Berthold und Dr. Brenner kontrollieren abwechselnd Puls und Blutdruck.
Im Morgengrauen erwacht der Kranke. Er blickt starr geradeaus. Er muß sich erst besinnen, und dann bricht es mit Wucht über ihn herein.
Sein Kopf fliegt förmlich herum. Er erkennt Dr. Berthold und schreit ihm zu:
»Sie – Sie haben mir das Bein abgenommen! Sagen Sie mir die Wahrheit!«
Berthold schüttelt den Kopf. Es ist wohl der schönste Augenblick, den er durchlebt, seitdem er die Operation durchgeführt hat.
»Belügen Sie mich nicht, Doktor«, keucht der Kranke. »Ich – ich bringe Sie um, wenn ich wieder kräftig bin.«
Berthold nimmt die Hand des Kranken auf. Die Adern liegen wie Stricke auf dem Handrücken, so sehr ist er abgemagert.
»Ich habe Sie operiert, das stimmt, aber Sie haben Ihr Bein noch. Das schwöre ich Ihnen. Nun liegt es an Ihnen, gesund zu werden.«
Daß er gegen die Anordnungen verstoßen hat, verschweigt er. Das ist ganz allein seine Sache.
»Wirklich, Herr Doktor?« Mit einem erlösten Seufzer legt Spenger den Kopf zurück in das Kissen. »Ich glaube Ihnen.«
Berthold verläßt das Zimmer nicht. Eleonore, die sich kaum mehr wachhalten konnte, hat er ins Bett geschickt.
Spenger hat die Nacht und die folgenden Stunden gut überstanden! Gegen neun Uhr tritt Lenz ein.
»Du hast operiert?« fragt er ohne Einleitung.
»Ja.«
Sie werfen einen Blick auf den schlafenden Kranken und gehen aus dem Zimmer.
Auf dem Flur packt Lenz seinen Freund am Arm.
»Du bist ein Könner – und ich bin ein Stümper. Ich werde meinen Beruf an den Nagel hängen –«
»Du bist verrückt«, sagt Berthold und löst sich aus Lenz’ hartem Griff. »Alle haben sich geirrt, und ausgerechnet du willst die Konsequenzen daraus ziehen?«
»Heute kommt Professor Martens zurück. Ich wage nicht, ihm unter die Augen zu treten«, stößt Lenz verzweifelt hervor.
»Hol ihn vom Flugplatz ab und weine ihn in alles ein«, rät Berthold.
Lenz wirft einen Blick auf seine Armbanduhr. »Das könnte ich machen.« Er reicht Berthold die Hand. »Ja, ich werde ihn vorbereiten. Bis später.«
Er wird ohne den Professor zurückkehren…
*
Martens erwacht am Morgen nach Amelies Abreise wie benommen. Er muß sich erst alles wieder ins Gedächtnis zurückrufen.
Amelie liebt ihn. Noch glaubt er ihre Worte zu hören, ihre Tränen auf seinen Wangen zu spüren. Aber was ist mit Berthold?
Es ging alles so schnell und kam so plötzlich, daß er keine Zeit mehr fand, sie darüber zu befragen.
Und nun muß er ohne Amelie heimkehren? Was soll er Berthold sagen?
Martens schwingt sich aus dem Bett, nimmt ein Bad, rasiert sich und läßt sich das Frühstück bringen.
Er ißt ohne Appetit. Immer sieht er Amelie vor sich. Endlich schiebt er den Teller von sich und trinkt nur den Kaffee.
In kurzer Zeit hat er seinen Koffer gepackt.
Ein Taxi bringt ihn zum Flugplatz. Er fühlt sich hundeelend. Der Flug macht ihm ohne Amelie keine Freude. Er atmet auf, als die Maschine endlich landet, und er in einem Taxi nach Hause fährt.
Babette kommt ihm entgegengelaufen, stutzt und sieht ihn bestürzt an.
»Endlich sind Sie wieder zurück! Ich hatte Sie doch schon gestern erwartet! Sind Sie krank, Herr Professor? Ist Frau Doktor gleich ins Krankenhaus gefahren?« Sie überfällt ihn förmlich mit ihren Fragen.
»Amelie