geht sie davon, langsam, bedächtig; nicht, wie es sonst ihre Art ist, im Trab.
Lachend sehen Martens und Amelie hinter ihr her.
»Das war ein bißchen zuviel für sie«, bricht Martens das Schweigen. »Aber ehrlich gesagt, ich könnte auch einen vertragen. Setz dich, bitte, ich hole uns etwas Gutes.«
Damit läuft er durch die Halle zur Hausbar, rollt sie herbei und schenkt ihr und sich ein Glas voll.
»Auf unsere Liebe, Amelie«, sagt er und blickt ihr dabei tief in die Augen.
»Auf unsere Liebe«, wiederholt Amelie feierlich und trinkt das Glas ohne abzusetzen leer, dann wirft sie es auf die Fliesen.
Martens lacht und tut dasselbe.
»Das soll Glück bringen«, versichert sie ihm. Er setzt sich zu ihr, legt den Arm um sie und drückt sie ganz fest an sich.
»Ach, Liebling, noch kann ich es nicht fassen. Du bist bei mir, und ich darf dir von meiner Liebe sprechen.«
Dann erzählt er ihr von Berthold, und was er sich eingebildet hat. Amelie lacht herzlich auf.
»Du Ärmster, dir ist auch nichts erspart geblieben.« Sie beißt ihn übermütig in die Nasenspitze. »Es gibt zwei Paare im Krankenhaus, die sich demnächst verloben werden.«
»Wer denn?« Er ist wirklich verwundert.
»Dein Oberarzt und Schwester Karla.«
»Ist es denn möglich? Und das alles sozusagen unter meinen Augen?«
»Und nun hat auch deine Stunde geschlagen«, sagt sie voller Übermut. »Habe ich es dir nicht im voraus gesagt?«
Er küßt sie, bis sie kaum mehr Atem bekommt.
»War ich sehr ekelhaft zu dir?« will er wissen.
»Och, es geht, ich bin dir ja auch keine Antwort schuldig geblieben«, gibt sie zurück.
»Das stimmt. Du bist eine richtige niedliche Wildkatze gewesen und hast mir ab und zu die Krallen gezeigt.«
»Du –«, droht sie ihm, »das tue ich wieder, wenn du wieder einmal ekelhaft zu mir sein solltest.«
Er preßt sie ganz fest an sich. »Nie wieder, Amelie, nie wieder.« Das klingt wie ein Schwur.
»Mußt du nicht ins Krankenhaus?« fragt sie.
Er schüttelt heftig den Kopf. »Augenblicklich bin ich in Urlaub, und den lasse ich mir nicht nehmen. Nicht eine einzige Stunde gebe ich davon ab.«
Sie verbringen drei wundervolle Tage zusammen, denken nicht ans Annen-Krankenhaus, sondern leben ganz für sich, machen stundenlange Spaziergänge oder lassen sich an den Fluß fahren. Sie kehren auch in dem Gasthaus ein, wo Amelie einmal mit Dr. Stewing war.
Als sie ihm davon erzählt, umwölkt sich seine Stirn.
»Eifersüchtig?« neckt sie.
»Ich glaube, ich bin auf jeden eifersüchtig«, muß er eingestehen.
»Ach, ein bißchen Eifersucht gehört zur Liebe. Sie darf nur nicht quälend werden.«
»Das verspreche ich dir«, beteuert er. »Ich will dich nur lieben, aber dir niemals weh tun.«
Sie essen vorzüglich, trinken von dem guten Landwein und lassen sich dann wieder zurückfahren.
Babette ist wie ausgewechselt. Amelie, die sie schon immer geliebt hat, wird als Herrin in dieses Haus einziehen! Hier gehört sie auch hin, wenn auch Irmgard nicht ihre richtige Mutter gewesen ist.
Und der Professor – nun hat er doch noch die Liebe kennengelernt, der unermüdlich arbeitende Mann, und er bekommt eine reizende, bildschöne Frau, um die ihn alle beneiden werden.
Es wird nicht mehr leer und wie tot sein, das alte schöne Haus mit den großen Räumen und den Kostbarkeiten, die es birgt.
Und sie, Babette, ist genau wie der Professor wieder jung geworden…
*
Amelie und Martens fahren am nächsten Tag gemeinsam ins Krankenhaus. Sie wissen nicht, daß der Chauffeur die Neuigkeit dort bereits erzählt hat.
Als sie die Vorhalle betreten, kommen ihnen die Schwestern mit Blumen entgegen und gratulieren. So geht es auf dem ganzen Weg. Amelie, die man sehr liebgewonnen hat, wird von allen Seiten beglückwünscht. Dem Professor gegenüber, der über das ganze Gesicht strahlt, sind sie etwas scheuer.
In seinem Privatzimmer haben sich die Ärzte versammelt. Erneutes Händeschütteln. Amelie kann die vielen Blumen kaum noch fassen. Jetzt im Winter so wunderbare Blumen! Sie ist tief gerührt.
Dann sind sie allein. Martens küßt Amelie noch einmal, ehe sie davonhuscht.
»Ich muß zu meinen Kindern«, sagt sie zur Entschuldigung.
»Hoffentlich haben wir bald eigene«, sagt er, und seine Augen strahlen vor Glück. Nicht wiederzuerkennen ist er, der sonst so zurückhaltende Mann. Jetzt bricht seine wahre Natur durch. Und die ist so, wie seine Schwester ihn kannte: Wenn auch nicht sofort zu erobern, doch fröhlich und voll Humor.
Und diesen Mann hat Dr. Berthold einmal »humorlos« genannt, denkt sie, während sie die Kinderstation aufsucht.
»Morgen, Tante Amelie!« wird sie im Chor begrüßt. Und sie antwortet:
»Morgen, Kinder.«
Wie immer geht sie von Bett zu Bett und läßt sich erzählen, was die Kinder inzwischen getrieben haben, wie es ihnen geht und ob sie auch keine Schmerzen haben. Dr. Brenner reicht ihr beide Hände.
»Viel Glück«, sagt sie aus einem ehrlichen und mitfühlenden Herzen. Sie ist ja selbst glücklich verlobt.
»Wie sehen Sie denn aus, Dr. Brenner?« Amelie dreht die Ärztin um und betrachtet sie von allen Seiten. »Mein Gott, Sie haben sich ja zu einer Schönheit entwickelt!«
Eleonore wird rot.
»Das hat Doktor Berthold aus mir gemacht«, gesteht sie kleinlaut.
»Sie sehen wunderbar aus. Ja, unser lieber Berthold! Er ist ein Zauberkünstler.«
Dann erinnern sie sich ihrer Pflichten.
»Wir haben einen Zugang bekommen«, erklärt Dr. Brenner. »Sehen Sie sich mal das kleine Mädchen an. Die Mutter ist halb wahnsinnig vor Sorge. Meine Diagnose: das Kind hat Blinddarmentzündung.«
Amelie tritt an das Bett heran, in dem ein zehnjähriges Mädchen liegt mit blonden Locken und fieberheißen Wangen. Ein Blick auf die Tafel, und sie fährt zusammen.
»Monika Stewing«, liest sie halblaut. Sollte es Dr. Stewings Kind sein?
»Ich werde dem Professor Bescheid sagen«, sagt Amelie zu ihrer Kollegin und geht sofort davon, den Professor zu suchen.
»Muß ich operiert werden?« fragt das Kind.
»Das weiß ich noch nicht, Monika. Das entscheidet der Herr Professor«, erwidert Eleonore und bleibt an dem Bett sitzen, bis der Professor auftaucht.
Er untersucht das Kind und bestätigt Dr. Brenners Diagnose.
»Wir müssen heute noch operieren«, sagt er halblaut zu Amelie. Das Kind hat es gehört. Seine Augen weiten sich vor Angst und Entsetzen.
Operieren! Nur nicht operieren! Sie kann nichts anderes denken, die kleine Monika.
In einem unbeobachteten Augenblick huscht sie aus dem Bett und eilt die Treppe hinab. Da fühlt sie einen heftigen Schmerz im Bauch, und ehe sie noch das Geländer erreichen kann, stürzt sie die Stufen hinunter. Unten bleibt sie reglos liegen. Blut tropft aus einer Kopfwunde.
Ausgerechnet in diesem Augenblick kommt Dr. Brenner vorbei. Sie sieht das Kind am Boden liegen und beginnt, am ganzen Körper zu zittern. Allein kann sie das Mädchen nicht hochheben. So zieht sie schnell ihren Kittel