Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 6 – Liebesroman


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      »Kein Krebs?« verwundert sich der Professor. »Da haben Sie aber mehr gewußt als wir alle zusammen.«

      »Ich doch nicht, Herr Professor. Doktor Berthold hat die Operation gemacht. Sie ist gelungen, und der Pa­tient befindet sich wohlauf.«

      Martens gibt es einen Ruck. »Doktor Berthold?« wiederholt er ungläubig.

      Martens geht sofort zu Hermann Spenger, der ihm lächelnd die Hand entgegenstreckt. Berthold tritt zur Seite, als er den Professor erblickt.

      »Er hat mir mein Bein erhalten, Herr Professor. Ich bin so glücklich, daß ich gar keine Worte finden kann.«

      »Ich gratuliere Ihnen. Nun machen Sie weiterhin gute Fortschritte. Ich wünsche Ihnen alles Gute.« Dann wendet er sich an Berthold.

      »Ich möchte Sie sprechen, bitte.«

      Sie gehen zusammen in das Privatzimmer des Professors. Noch ehe der Professor zu reden beginnt, sagt Berthold:

      »Ich habe gegen Ihre Anordnung gehandelt, ich weiß, Herr Professor –«

      »Und Sie haben richtig gehandelt«, fällt Martens ihm sofort ins Wort.

      »So sind Sie zufrieden mit mir?«

      »Sehr sogar«, versichert Martens warm und reicht ihm die Hand.

      »Danke, Herr Professor. Dürfte ich dann auch gleich etwas anderes zur Sprache bringen?« Berthold schöpft tief Luft.

      Jetzt kommt es, denkt Martens, und ihm wird unbehaglich zumute.

      »Ich wollte Sie bitten, sich nach einer anderen Kinderärztin umzusehen. Je früher, desto besser –«

      »Auch das ist mir bekannt, lieber Berthold.« Martens sieht richtig unglücklich aus. »Sie lieben meine Nichte und wollen sie heiraten. Leider ist sie nicht mitgekommen, sondern mit Professor Kelly nach Lima geflogen.«

      Bertholds Augen werden kugelrund. Reden wir denn alle aneinander vorbei? denkt er.

      »Aber es handelt sich doch gar nicht um Ihre Nichte. Ich liebe Doktor Eleonore Brenner. Wir haben uns verlobt.«

      Martens starrt Berthold an wie einen Geist. Dann lacht er, er lacht, daß ihm die Tränen aus den Augen rollen. Berthold starrt seinen Chef fassungslos an.

      »Setzen Sie sich, Berthold.« Dieser gehorcht, und Martens geht zum Wandschrank, holt eine Flasche und zwei Gläser herbei und stellt sie auf den Schreibtisch. Seine Hand zittert, als er die Gläser vollschenkt.

      »Auf Ihr Glück, lieber Berthold!« Sie stoßen an, und Martens schmunzelt: »Eigentlich gehörte ja die Braut dazu, doch ich habe es eilig.«

      »Müssen Sie wieder verreisen?« fragt Berthold ahnungslos.

      »Ja, das muß ich.« Martens strafft sich. »Diesmal aber weiter, diesmal geht die Reise bis nach Lima.«

      *

      Amelie weint und weint. Sie sieht alles wie durch einen Tränenschleier. Professor Kelly, der im Flugzeug den Platz hinter ihr bekommen hat, sieht es nicht; Amelie versucht, sich zu beherrschen.

      Immer hat sie Matthias’ Bild vor sich, als er einsam und verlassen auf dem Flugplatz von Paris zurückblieb.

      Sie wird ihn nie vergessen, nie! Es war Liebe, Liebe auf den ersten Blick. Aber sie hat es erst gewußt, als sie sich von ihm trennte.

      Professor Kelly neigt sich zu ihr nach vorn.

      »Wir werden erst zu Doktor Allison fahren. Was meinst du, Amelie?«

      Sie nickt. Sprechen kann sie nicht.

      Auf einmal ist ihr alles gleichgültig. Wie konnte sie nur von Matthias fortgehen? Wenigstens in seiner Nähe hätte sie bleiben können. Ja, warum tat sie es nicht?

      Sie dreht sich um und gibt Kelly einen Wink. Jetzt sieht er auch ihr verweintes Gesicht.

      »Ich muß zurück, Professor. Bitte, fragen Sie mich nicht. Ich muß zurück.«

      »Und warum?« Kelly ist traurig. Er hat sich so sehr gefreut auf Amelie. Seine Frau wäre auch begeistert über den jungen Gast gewesen.

      Sie hebt etwas die Hände. »Bitte, fragen Sie nicht, Professor. Ich muß zu­rück.«

      »Gut, ich werde nicht mehr fragen. Du mußt es ja wissen.«

      Nach der Landung in Lima ist Kelly Amelie in allem behilflich. Er merkt, daß sie kaum richtig zu denken vermag.

      Erst als sie im Flugzeug sitzt, das sie zurück nach Deutschland bringt, wird es einigermaßen klar in ihrem Kopf.

      Ich fahre zu Matthias. Ich werde immer bei ihm bleiben, ihn betreuen, ihm im Krankenhaus helfen. Ach, es wird eine wunderbare Zeit werden. Sie würde ihre Liebe in sich verschließen, aber tief im Herzen wird sie leben, ewig leben.

      Dann steht sie auf dem Flugplatz, ihre Handtasche an sich gepreßt, den Koffer neben sich.

      Da! Ihre Augen werden ganz weit. Ein hochgewachsener Mann kommt ihr entgegen, im Reisemantel. Er bleibt stehen, setzt seinen Koffer ab und wird blaß.

      Amelie läßt alles fallen, was sie in den Händen trägt, und rennt auf Martens zu.

      »Oh, Onkel Matthias, ich konnte nicht in Peru bleiben, ich bin zurückgekommen«, schluchzt sie und preßt ihr Gesicht gegen seine Schulter. Ihr ganzer Körper wird von diesem Weinen erschüttert.

      »Amelie, Liebling – und ich wollte zu dir«, preßt er hervor und zieht sie fest, ganz fest in seine Arme. Sein Mund sucht den ihren.

      Er küßt sie, so wie sie ihn zum Abschied geküßt hat.

      »Matthias!« flüstert sie, als er sie freigibt. Was kümmern ihn die Leute, die sich zublinzeln und sich amüsieren?

      »Komm, Liebes!« Er sammelt ihre Sachen vom Boden auf, ruft einem Mann zu, er möge die Koffer zu einem Taxi bringen, und geht Arm in Arm mit Amelie dem Flughafen-Restaurant zu.

      Dort bestellt er zwei Aperitifs, und dann reicht er ihr wortlos den Brief seiner Schwester.

      Er beobachtet sie scharf, sieht, wie sie die Farbe verliert und wie es dann glühend rot bis unter das wirre dunkle Haar schlägt.

      Andächtig faltet Amelie den letzten Brief ihrer Mutter zusammen. Sie wird immer ihre Mutter bleiben, selbst wenn sie nicht die leibliche war. Sie war eine rührend gute Mutter.

      »Amelie, willst du meine Frau werden?«

      Sie erwacht wie aus einem Traum, sieht ihn aus tränengefüllten, unwahrscheinlich blauen Augen groß an.

      »Das fragst du noch? Mit tausend Freuden! Ach, Matthias, ich bin ja so glücklich. Ich habe es gefühlt, daß etwas geschehen würde, dem ich nicht entgehen könnte.«

      Beide Hände reicht sie ihm über den Tisch hinweg, die er andächtig küßt.

      »Endlich hast du ein Heim gefunden. Ich schwöre dir, daß du dich darin und an meiner Seite wohl fühlen sollst.«

      Sie kann kein Wort sagen. Sie lächelt nur unter Tränen.

      *

      Babette sieht nicht sehr geistreich aus, als sie den Professor Arm in Arm mit Amelie durch den Garten kommen sieht.

      Es ist inzwischen Schnee gefallen, und in der Halle empfängt sie ein wärmendes Feuer im Kamin.

      Amelie fliegt in Babettes Arme.

      »Ich liebe ihn, Babette.«

      »Wen, Kind?« fragt Babette ganz verstört. »Doch nicht etwa den Herr Professor?«

      Amelie nickt, läuft zu Matthias und schmiegte sich an ihn. »Gerade ihn liebe ich. Ist es dir nicht recht?«

      »Aber – aber –!« Hilflos klappt Babettes Unterkiefer herab.

      »Es ist gar nicht mein Onkel, Ba­bette. Ich bin ein angenommenes