Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman


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er beschwörend, »Sie haben einen Freund in mir gefunden, einen Freund, der es aufrichtig mit Ihnen meint. Können Sie sich nicht von Freytag lösen?«

      Sie läßt den Kopf hängen. Tiefe Scham brennt in ihr. Er hat sie erkannt! Er weiß um ihr Verhältnis zu Martin! Und gerade vor ihm hätte sie es verborgen, wenn Martin selbst nicht so leichtsinnig und unbekümmert wä-

      re.

      Sie nimmt allen Mut zusammen und legt den Kopf etwas zurück. Ihre Augen flammen. »Auf den Gedanken, daß ich ihn liebe, sind Sie wohl noch nicht gekommen?«

      »Doch, Magda«, erwidert er ruhig, obgleich er alles andere als ruhig ist. »Das habe ich mir gedacht, aber diese Liebe bringt Ihnen kein Glück, obwohl ich Ihnen dieses Glück von Herzen gönne.«

      »Mit welchem Recht sind Sie so um mein Seelenheil besorgt?« spottet sie. Sie rettet sich hinter diesen Spott, weil alles an ihr zittert.

      Sein ernster, ausdrucksvoller Mund verzieht sich zu einem kleinen wehmütigen Lächeln. »Ich könnte Ihnen allerhand darauf erwidern. Zum Beispiel, daß ich es herzensgut mit Ihnen meine – und vielleicht auch, daß ich Sie liebe.«

      Nun hat er es sich entreißen lassen, das Geständnis seiner Liebe. Vor der Wirkung seiner Worte fährt er zusammen. Sie legt den Kopf auf ihren Arm und weint leidenschaftlich und verzweifelt. Ratlos steht er vor diesem Schmerzensausbruch.

      Dieser Mann liebt sie? Gütiger Himmel! Und sie hat es nicht gewußt, nicht geahnt. Sie ist an seinem guten Herzen vorübergegangen und hat sich einem Menschen ergeben, der verloren ist. Ja, sie weiß es genau. Martin Freytag ist verloren. Er peinigt sie, ja, er quält sie rücksichtslos. Immer mehr Ampullen verlangt er von ihr, und sie kann sie ihm nicht verweigern. Sie zittert vor einer Kontrolle, sobald sie nur Professor Becker auftauchen sieht.

      Sie ist eine Verlorene – und hätte so glücklich, so unsagbar glücklich in der Liebe dieses treuen, zuverlässigen Mannes sein können.

      Verspielt!

      »Magda«, tröstet er die bitterlich Weinende und fährt ihr behutsam über die zuckenden Schultern. »Magda!«

      Sie kann seine Stimme nicht mehr hören. Sie will nicht – sie will nicht – !

      Sie reißt den Kopf empor, so daß seine Hand zur Seite fällt. »Schweigen Sie – und lassen Sie mich allein, bitte, lassen Sie mich allein«, schreit sie ihm entgegen.

      Er hebt ihr Kinn empor, ohne auf ihre Abwehr zu achten.

      »Magda«, sagt er beschwörend. »Ich verstehe alles, hören Sie? Ich bin Ihr Freund. Denken Sie immer daran .«

      »Gehen Sie – gehen Sie«, jammert sie mit versagender Stimme, und da verläßt er sie. Ihm ist traurig und weh ums Herz.

      *

      Doktor Romberg befindet sich in einer fürchterlichen Stimmung. Überall grinst ihn das Mißtrauen an. Sogar von den Patienten strömt es ihm zu. Es ist zum Verzweifeln.

      Er geht hinüber zum Fenster und reißt den Vorhang zur Seite. Weit öffnet er die Flügel und zieht den süßen Duft der Blumen in die Nase.

      Langsam kommt Doktor Sybilla Sanders den Weg vom Hauptgebäude entlang. Sie winkt ihm von weitem zu.

      Mit schnellen Schritten geht er zur Tür. Da steht sie schon vor ihm, die schönen Augen strahlen ihn an.

      »Wie schön, daß Sie kommen, Doktor Sanders«, sagt er mit sehr viel Wärme. Er weiß gar nicht, wie herzlich er sie empfängt. Aber ihr beginnt das Herz rascher zu schlagen. »Treten Sie ein, bitte. Ich bin gerade in einer verteufelten Stimmung.«

      Er reißt die Tür zu seinem Wohnzimmer auf und zwingt sie mit sanfter Gewalt in einen der hellen Sessel.

      Dann holt er etwas Trinkbares herbei, und sein Gang ist auf einmal beschwingt.

      »Es ist wirklich merkwürdig, Doktor Sanders«, beginnt er und gibt sich gar keine Mühe, seine Freude zu verbergen. »Immer, wenn ich mir vereinsamt vorkomme, dann tauchen Sie wie ein guter Schutzengel auf.«

      »Haben Sie einen Schutzengel nötig?« fragt sie verwundert zurück. »Ich hatte bis jetzt den Eindruck, daß Sie sehr gut ohne einen solchen auskommen können.«

      Er dreht sein Glas zwischen den Fingern, ehe er es an den Mund setzt. »Manchmal trügt der Schein.« Er hebt ihr das Glas entgegen. »Aber – lassen wir das. Das ist unwichtig. Ich bin sehr erfreut über Ihren Besuch. Auf Ihr Wohl, Doktor Sanders.«

      »Danke!« Behutsam stellt sie das feingeschliffene Glas auf die Tischplatte zurück. »Warum sprechen Sie sich nicht einmal aus, Doktor Romberg? Sie verschließen alles in sich – und ich fürchte, das ist nicht gut für Sie.«

      »Es gibt gar nichts zu verschließen«, wehrt er sich. Er will kein Mitleid, auf gar keinen Fall von einer Frau.

      »Und doch sprachen Sie von einem Schutzengel?« beharrt sie eigensinnig, ihn dabei nicht aus den Augen lassend.

      Wieder lächelt er ihr zu, diesmal ein wenig hochmütig. »Wenn ich von einem Schutzengel sprach, dann in anderer Weise als Sie glauben, Doktor Sanders. Ich gebe zu, daß ich mich soeben nach Unterhaltung sehnte.« Er springt auf und durchmißt das Zimmer. »Verflixt nochmal«, stößt er ärgerlich über sich selbst hervor, »jetzt beginne ich schon sentimental zu werden.«

      Er wirft sich wieder in seinen Sessel und blickt, unsicher geworden, zu ihr hin. »Sie haben mich schon sehr oft in Stimmungen gesehen, die für mich als Arzt nicht gerade vorbildlich sind.«

      »Ärzte sind auch nur Menschen«, wirft sie behutsam ein. »Es ist eine allgemein verbreitete Ansicht, daß ein Arzt keine menschlichen Schwächen haben darf. Zuerst sind die Patienten von einer schier übergroßen Dankbarkeit, doch gelingt es ihnen, die geringste Schwäche festzustellen, fallen sie über ihr Idol wie wilde Tiere her, und sie scheuen sich nicht, es zu zerreißen.«

      »Was wollen Sie damit sagen, Doktor Sanders?« Interessiert hat er sich vorgebeugt. Noch selten hat er sie so bestimmt und so viel sprechen hören.

      »Daß kein Arzt, auch der tüchtigste nicht, von übler Nachrede verschont wird«, entgegnet sie rasch, und ihre großen Augen sehen ihn offen an.

      »Und dieser – dieser Arzt bin ich?« fragt er, etwas atemlos.

      Langsam löst sich ihr Blick aus dem seinen. »Ich habe ganz allgemein gesprochen«, sagt sie gleichmütig.

      »Schade«, bedauert er und läßt eine Pause eintreten.

      »Was ist – schade?«

      »Schade«, er legt sich wieder bequem auf seinen Platz zurück. »Ich dachte, ich könnte mich mit Ihnen wie mit einem guten Kollegen unterhalten – offen und ehrlich.«

      »Das können Sie – ganz bestimmt meine ich es ehrlich mit Ihnen.«

      »Sehen Sie, Doktor Sanders«, bestätigt er mit einem guten Lächeln. »Das wußte ich doch.«

      »Sie vergessen dabei nur eins .«

      »Was denn?« fällt er ihr sehr schnell in die Rede.

      »Daß ich – daß ich eine Frau bin.«

      »Tatsächlich.« Er tut ganz erstaunt. »Das habe ich wirklich vergessen, das heißt, das habe ich soeben festgestellt.«

      Sie errötet, und ihre Augen irren seitwärts. »Mir ist aber nicht lachhaft zumute .«

      »Verflixt nochmal«, stimmt er ihr ernster werdend bei, »mir auch nicht.«

      »Ich bin aus einem ganz bestimmten Grund zu Ihnen gekommen«, nimmt sie nach einer Weile das Gespräch wieder auf, da er ganz in Gedanken versunken ist und ihre Gegenwart scheinbar vergessen hat.

      Überrascht hebt er den Kopf. »Sie wollen etwas von mir?« Mißtrauen erwacht in ihm. Aber als er ihre schönen, klaren Augen auf sich gerichtet sieht, schämt er sich dieser Regung.

      »Nein – oder doch.« Sie schweigt,