Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman


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meine Tätigkeit hier im Krankenhaus nicht nur interessant, sondern auch ungemein lehrreich ist.« Er macht eine knappe Handbewegung. »Was erzähle ich Ihnen das, Doktor Sanders. Das wissen Sie doch selbst. Ich könnte Sie dasselbe fragen.«

      Sie lächelt vor sich hin, und dieses Lächeln macht sie ungemein jung und anmutig.

      »Sie sagen ganz richtig: Man kann sehr viel lernen. Ich habe noch sehr viel zu lernen, während Sie bereits alles wissen.«

      »Oh,, du heilige Einfalt!« Er hebt beschwörend beide Hände in die Luft. »Ich weiß, daß ich nichts weiß«, schließt er philosophisch.

      »Doch«, spricht sie unbeirrt weiter. »Das weiß auch Professor Becker, sonst würde er Ihnen nicht sein ganzes Vertrauen schenken.«

      »Wie lange noch?« wirft er kurz hin.

      Und sofort steht der bekümmerte Ausdruck in seinen Zügen. »Sie kennen doch das Gerücht, das im Krankenhaus kursiert.«

      »Allerdings«, gesteht sie offen. »Ich würde an Ihrer Stelle dagegen ankämpfen.«

      Er macht eine mutlose Bewegung mit der Schulter. »Solange ich nicht offen angegriffen werde, hüte ich mich. Wer sich verteidigt – klagt sich an, besagt ein altes Sprichwort.«

      »Sie könnten diesen aufreibenden Zustand sofort beenden.«

      »Womit, bitte?« Etwas wie Belustigung steht in seinen Augen.

      Aber sie läßt sich nicht beirren.

      Tapfer fährt sie fort: »Dadurch, daß

      Sie sich eine eigene Praxis anschaffen.«

      Er lacht hell heraus. »Wie Sie das sagen! Als würden sie einfach auf der Straße liegen und man brauchte sich nur zu bücken, und schon hat man sie.«

      »Sie brauchen sich nicht einmal zu bücken, Doktor Romberg.« In ihren Augen funkeln goldene Tupfen.

      »Wie meinen Sie?«

      »Sie brauchen sich nur in meinen Wagen zu setzen und mit mir ein paar Kilometer zu fahren. Dort wäre eine wunderschöne Landpraxis für Sie – oder?« Etwas wie Angst springt in ihr auf. »Oder haben Sie keine Lust aufs Land zu gehen?«

      Auf einmal hatte er begriffen. Er starrt sie entgeistert an. Sein Atem geht heftig. Sekundenlang sieht es aus, als wolle er emporspringen. Doch das Gegenteil geschieht. Kraftlos sinkt er tiefer in seinen Sessel.

      »Das raten Sie mir?« keucht er förmlich, kaum vernehmbar.

      Aber sie hat es doch verstanden. »Ja, das rate ich Ihnen, Doktor Romberg«, wiederholt sie mit größter Gelassenheit. »Sie reiben sich hier auf. Sie meinen, diese versteckten Angriffe könnten Sie nicht aus der Ruhe bringen. Sie irren sich. Sie werden daran zugrunde gehen. Sie sind jetzt schon reichlich nervös. Sie werden zuletzt das Zutrauen zu sich selbst verlieren.«

      Er hebt die Lider und blickt mitten hinein in ihre schönen, jetzt angstvoll geöffneten Augen.

      »Und wohin wollen Sie mich entführen?« versucht er zu scherzen, dabei ist es ihm bitter ernst.

      »Zunächst zu meinem Vater«, erklärt sie mit ruhiger Gelassenheit. »Er möchte Sie unbedingt kennenlernen.«

      Er gießt nachdenklich die Gläser voll, dann erhebt er sich und geht zum Fenster.

      »Gut«, sagt er entschlossen. »Ich werde mit Ihnen fahren, aber nicht aus Gründen, die Sie mir eben klarzumachen versuchten. Ich möchte lediglich den Mann kennenlernen, der eine solche Tochter wie Sie hat, zu der ich nicht einmal besonders liebenswürdig war und die sich dennoch über das gewöhnliche Maß hinaus für mich einsetzt. Nur zur Kenntnisnahme: Ich weiche nicht, Fräulein Doktor Sanders, denn ich fühle mich im Falle Stücker keinesfalls schuldig.« Er hebt sein Glas empor und hält es, indem er mit dem Auge blinzelt, gegen das Licht. »Wann wollen wir fahren? Ich habe einige Stunden Freizeit vor mir.«

      »Wenn Sie wollen – sofort!« Sie schiebt das gefüllte Glas zur Seite und erhebt sich. »Vorher werde ich mit meinem Vater telefonieren, denn er ist viel unterwegs. Kann ich das von hier aus tun?« fragt sie, und er nickt, setzt sein Glas ab und stellt die Verbindung mit dem Amt her.

      »Bitte«, sagt er und reicht ihr den Hörer.

      Als er jetzt ihre dunkle, wohltuende Stimme vernimmt, richtet er sich unwillkürlich in die Höhe.

      Ihr ganzes Gesicht hat sich verändert. Es sieht unsagbar jung und reizend aus.

      »Schön, Papa«, hört er sie sagen. »Wir sind in spätestens einer Stunde bei dir. Grüß Martha und richte ihr aus, wir laden uns zu Kaffee und Abendessen ein. Schluß, Paps!«

      Als sie sich ihm zuwendet, ist sie eine völlig verwandelte Frau. Ernst, herb, wie er sie bisher gekannt hat. Ärger regt sich in ihm. Warum zeigt sie ihm gegenüber ein anderes Gesicht? Zugleich gibt er sich die Antwort selbst darauf. Sie sieht in ihm eben nur den Vorgesetzten, den Kollegen. Ein Gefühl beherrscht ihn, über das er sich nicht recht klar wird, das ihn aber beunruhigt.

      »Wenn es Ihnen recht ist, können wir losfahren, Herr Doktor«, reißt ihn die dunkle Stimme Sybillas aus seinen Überlegungen.

      Im Nu steht er auf den Beinen.

      »Gewiß, im Augenblick bin ich fertig. Wir nehmen natürlich meinen Wa-gen.«

      Ein klein wenig zuckt es um ihren Mund. »Ich konnte mir denken, daß Sie das Steuer nicht aus der Hand geben wollen.«

      Er sucht nach Spott, aber ihr Blick ist ruhig und gelassen wie immer.

      »So dürfen Sie das nicht auffassen«, glaubt er sich irgendwie herausreden zu müssen. »Ist es nicht angenehm, einmal andere für sich handeln zu lassen?«

      Sie sieht ihn ganz verwirrt an. Noch nie hat er persönliche Dinge berührt. »Bis jetzt habe ich immer noch für mich allein handeln und denken müssen.«

      »Dann wird es eigentlich Zeit, daß sich jemand Ihrer annimmt«, bemerkt er, in eine plötzlich heitere Stimmung versetzt.

      Sofort wird ihr Gesicht verschlossen. »Ich sagte doch eben, ich bin es gewöhnt, für mich allein zu han-

      deln .«

      »Und – Sie erlauben sich, sich für mich einzusetzen?« unterbricht er sie ärgerlich. »Würden Sie wohl die Güte haben, mir zu erklären, was Sie sich dabei gedacht haben?« Seine Stimme ist mit Ironie getränkt.

      Alles mache ich falsch – denkt sie verzweifelt – nun habe – ich ihn kopfscheu gemacht. Lieber Gott! Ich will doch nur sein Gutes! Aber ich habe nicht mit seinem unbändigen Stolz gerechnet. Er ist und bleibt ein Herrenmensch.

      »Na«, bohrt er weiter, »weshalb reden Sie nicht?«

      »Gesprochen haben wir genug«, sagt sie, der Trotz steigt wie eine heiße Welle in ihr empor. »Ich denke, wir fahren lieber!«

      Schweigend gehen sie nebeneinander her.

      Auch im Wagen sprechen sie nicht. Bis es ihm auffällt und er sie bittet: »Würden Sie mir eine Zigarette entzünden? Im Handschuhkasten finden Sie die Schachtel. Anzünder ist neben der Blumenvase.«

      Gehorsam wie ein folgsames Kind erfüllt sie seinen Wunsch. Er läßt sich die Zigarette sogar in den Mund schieben.

      »Und Sie?« wundert er sich.

      »Danke, jetzt mag ich nicht rauchen«, lehnt sie hochmütig ab.

      Er wirft ihr einen schnellen Seitenblick zu, dann sieht er wieder starr auf die Fahrbahn. Er kennt diesen verschlossenen Ausdruck an ihr. Da ist es besser, er schweigt. Und er hätte sie so gern noch einmal mit diesem reizenden, fröhlichen Ausdruck in den feinen Zügen gesehen.

      Ich bin ein Tölpel – denkt er und ärgert sich über sich selbst. »Mit Frauen kann ich nicht umgehen«, kleidet er seine Gedanken in Worte.

      Sie fährt etwas zusammen. »Das möchte ich nicht unterschreiben«, erwidert sie, ohne