sie erzählt Hanno nie von den heftigen Auftritten, die Aline sehr oft ohne jeden Grund heraufbeschwört. Das wird sich wieder geben, sobald das Kind da ist, tröstet sie sich.
Auch heute sitzen sie wieder in ihrer gemütlichen Plauderecke am Kamin. Frau Christine hält eine Handarbeit in den Händen, eines der entzückenden Hemd-chen, wie sie sich schon zu einem Berg in der Wiege häufen.
Die junge Frau starrt gelangweilt in die Glut. Die Füße hat sie in ein weiches Fell vergraben und das Kinn in die aufgestützten Hände gelegt.
»Wozu machst du dir eigentlich die viele Arbeit?« wendet sie sich mit einem spöttischen Lächeln an die Schwiegermutter.
Frau Christine schaut von ihrer Arbeit auf und sieht der jungen Frau mit erstaunt fragendem Blick ins Gesicht.
»Das kaufen wir doch besser fertig in der Stadt«, meint Aline wegwerfend auf das verständnislose Anstarren der Schwiegermutter.
»Meinst du?« kommt es ruhig zurück. »Für mich war allerdings das am schönsten, was ich selber für mein Kind arbeiten durfte. Es ist ja für mein Enkelkind; jeder Stich, den ich nähe, ist von einem Segenswunsche für das kleine Wesen begleitet.«
Hanno hat den Wortwechsel gehört und das Buch sinken lassen, in dem er gelesen.
»Würde es dir nicht auch Freude machen, an solchen Sächelchen zu arbeiten?« greift er vermittelnd ein.
»Nein«, stößt Aline heftig hervor. »Das kauft man besser und moderner in Freiberg.«
»Darauf kommt es ja nicht an. So viel Interesse müßtest du für dein Kind aufbringen; ich verstehe dich wirklich nicht, Aline! Man könnte auf den unsinnigen Gedanken kommen, daß du dich gar nicht auf das Kind freust.«
Aline starrt schweigend in die prasselnde Glut. Sie gefällt sich in der Rolle der schonungsbedürftigen, umsorgten Frau, wenn ihr auch die ruhige Gleichmäßigkeit dieser Tage nicht behagt.
»Doch«, sagt sie endlich, aber so, daß Hanno von ihrer Antwort nicht befriedigt ist.
Er schüttelt mißbilligend den Kopf.
»Ich glaube, du hast dir noch nicht einmal die Wiege angesehen, die ich bereitgestellt habe.«
»Wiege?« Ihre dunklen Augen funkeln ihn an. »Du denkst doch nicht, daß ich mit der Wiege einverstanden bin? Mein Kind kommt nicht in dieses alte Möbelstück!«
»Du vergißt, daß es auch mein Kind ist, und daß ich dabei auch ein ganz klein wenig mitzubestimmen habe. Alle Lorenzkinder haben darin gelegen. Mein Junge wird keine Ausnahme machen.«
»Junge?« Sie wirft die Lippen auf. »Und wenn es ein Mädchen ist?«
Ohne Zögern antwortet Hanno:
»Dann ist es mir ebenso lieb. Ob Junge oder Mädchen, das spielt keine Rolle. Mein Kind ist es doch!«
»Hanno!« Aline legt sich aufs Schmeicheln. Sie steht auf und legt ihm den Arm um den Hals. »Ich habe mich doch so auf einen hellen, mit duftigen Stoffen ausgeschlagenen Wagen gefreut. Ist es des Geldes wegen?«
Gelassen befreit er sich von ihren Händen. Wie wenig die Frau doch überlegt! Wie wenig sie ihn versteht! Geld? – Als wenn es hier um Geld ginge!
»Was von altersher Brauch in der Familie ist, das läßt sich durch eine Schmeichelei nicht umstoßen. In diesem Falle spielt auch Geld keine Rolle. Du wirst also deinen Wunsch opfern müssen.«
Seine Worte klingen nicht unfreundlich, sind aber so bestimmt, daß ein Widerspruch zwecklos ist.
»Wenn es dir Spaß macht, dann kannst du auch die Familienwiege mit duftigen Stoffen ausschlagen.«
Beleidigt kehrt Aline zu ihrem Stuhl zurück.
»Das kann ja Mutter machen, ihr gelingt so etwas besser als mir.«
»Du solltest dich schämen!« fährt er sie im Ton eisiger Verachtung an.
»Ich habe mir redliche Mühe um ein gutes Einvernehmen gegeben. Du störst es fortgesetzt durch deine ewige Nörgelei und Unzufriedenheit. Geht es dir nicht besser als vielen anderen Frauen, die sich aufreiben und im Kampf um das tägliche Brot, um das Wohl ihrer Familie, ihrer Angehörigen?
Der einzige Lichtblick in meinem verpfuschten Leben ist das Kind, das du unter dem Herzen trägst. Ich möchte dich zu mir herüberziehen, wenn du es mir nur nicht so furchtbar schwer machen würdest. –
Aline –«, er neigt sich über das fassungslose, bleiche Gesicht seiner jungen Frau. »Fühlst du denn nicht selber, wie bitter du mich kränkst! Du bist doch jung. Laß dich von mir leiten, passe dich mir an. Wir sind nun einmal miteinander verheiratet und wollen versuchen, uns das Leben so harmonisch wie möglich zu gestalten. In jedem Menschen schlummert die Kraft und der Wille zum Glück.
Denke an das kleine Wesen, dem du in Kürze das Leben schenken wirst; soll es später mit in den Zwiespalt hineingerissen werden?«
»Ja – nur um des Kindes willen bist du gut zu mir!« klagt Aline weinerlich. »Wenn erst das Kind da ist, dann werde ich dir überhaupt nichts mehr bedeuten.«
Unbegreifliches Staunen breitet sich über Hannos Züge. Er unterdrückt gewaltsam die schroffe Antwort, die er schon auf den Lippen hat. Den Blick Frau Christines vermeidet er, weil er ihre Gedanken ahnt.
»Du bist wirklich eine kleine dumme Frau«, versucht er die Sache ins Scherzhafte zu ziehen, obwohl ihm durchaus nicht danach zumute ist.
Aline wieder das Gegenteil zu beteuern, hält Hanno für zwecklos. Behutsam läßt er sie auf das Ruhebett gleiten. Schweiß steht ihm auf der Stirn. Er fährt Aline über das wirre Haar, bemerkt deren leichtes Zusammenzucken und verläßt dann, kurz grüßend, das Zimmer.
Tiefe Falten liegen zwischen seinen Brauen, als er über den Gutshof schreitet. Rätsel über Rätsel gibt ihm diese Frau auf. Er grübelt über den tieferen Grund ihrer Launenhaftigkeit nach. Der Gedanke, daß sie sich über ihr zukünftiges Mutterglück überhaupt nicht freut, liegt ihm vollkommen fern.
Ob Aline wohl jemals zur Vernunft kommen wird? –
Aline richtet sich auf ihrem Lager auf und schaut aus verweinten Augen um sich. Man hat sie allein gelassen, und die Ruhe, die sie umgibt, wirkt ernüchternd auf sie.
Glättend fährt sie über ihr dunkles Haar, dann erhebt sie sich. Sehr elend fühlt sie sich, und dazu befällt sie ein Gefühl der Scham, wie stets, wenn sie sich Hanno gegenüber so unbeherrscht gezeigt hat.
Sie tritt an das Fenster und starrt durch den dünnen Vorhang auf den Hof.
Drüben geht Hanno vorbei; ernst sieht er aus, die hohe Gestalt ist längst nicht mehr so straff wie früher. Sie hört ihn sprechen und erschrickt vor dem Klang seiner Stimme. Wo ist der ehemals so frische und herzliche Ton geblieben?
Fast scheu blickt sie sich um. Hat da nicht eine Stimme geraunt: »Das hast du aus Hanno gemacht!«
Sie steht da mit vorgeneigtem Kopf, die Augen starr ins Leere gerichtet, und lauscht in sich hinein. Wie eine warme Welle fühlt sie den Wunsch im Herzen, sich mit ihrem mütterlichen Reichtum Hannos Liebe zu erkaufen. Dieser Wunsch wird zum drängenden Gefühl, das ihr in die brennenden Augen steigt. – Ihr und Hannos Kind darf bei seinem Eintritt in das Leben nicht mit Tränen empfangen werden.
Das ist der rechte Augenblick, mit sich selber ins Gericht zu gehen, und in dieser abendlichen Stunde, in der sie sich selbst überlassen ist, bereitet sich in ihr eine bedeutungsvolle Wandlung vor.
Ihr ist, als raune eine innere Stimune ihr zu: »Du bist einen falschen Weg gegangen. Kehre um, ehe es zu spät ist!«
Als Frau Christine nach einiger Zeit fast widerstrebend und in der peinlichen Erwartung in das Wohnzimmer zurückkehrt, die trotzige, in Starrsinn verharrende Aline vorzufinden, kann sie sich nicht genug wundern.
Aline steht vor dem Spiegel, blaß zwar und mit übernatürlich großen Augen, aber mit