Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 2 – Liebesroman


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Junge!«

      Frau Christine schließt beseligt die Augen, schmiegt sich an ihren Sohn und weint Tränen der Erlösung. Wie ein Kind, das sich müde gelaufen hat, so lehnt sie an ihm, und Hanno hält sie voll dankbarer Freude an sich gepreßt.

      Frau Christine findet sich zuerst wieder in die Wirklichkeit zurück.

      »Du brauchst mir nichts weiter erklären«, sagt sie mit tiefem Aufatmen und einem Gefühl unbeschreiblicher Erleichterung. »Doktor Urban hat gesprochen? Was wirst du nun tun, Hanno?«

      Sanft läßt er die Mutter in den Stuhl zurückgleiten. Die Arme weit von sich gestreckt, als wollte er die ganze Welt umfassen, sagt er mit fröhlicher Stimme:

      »Zuerst will ich Aline von meinem Besuch bei Doktor Urban unterrichten, sie über alles aufklären, und dann – dann, Mutter, dann werde ich Magda und meinen Jungen holen!«

      »Das walte Gott!« setzt Frau Christine feierlich hinzu.

      *

      »Bist du wieder zurück?« begrüßt Aline ihren Gatten, als er gemeinsam mit Frau Christine an ihr Ruhebett tritt.

      Ihre Augen wandern von einem zum andern; merkwürdig verändert kommen beide ihr vor. Sie findet keine Erklärung dafür, fragt aber aus einer Ahnung heraus:

      »Hat – hat sich etwas Besonderes ereignet?«

      »Ja, Aline!« Hanno hat seine Stimme noch nicht wieder richtig in der Gewalt, die große Erregung schwingt noch in ihr. »Nicht wahr, Aline, du wirst das fremde Kind, das wir zu uns nehmen beabsichtigen, mit der gleichen Liebe an dein Herz ziehen, wirst es mit der gleichen Güte betreuen wie unser Christinchen?«

      Aline sieht ihn verwundert an und nickt nur.

      »Und wenn es nun – mein Kind, mein eigen Fleisch und Blut wäre, von dem ich bisher – nichts wußte – Aline, was würdest du dann tun?«

      In atemloser Spannung hängen zwei Augenpaare an dem blassen Frauenantlitz.

      »Wenn es – dein Kind wäre?« wiederholt Aline fragend, und in ihren Augen liegt immer noch Verwunderung und Staunen.

      Hinter ihrer Stirn arbeitet es fieberhaft.

      Was kann er damit meinen? Er sieht plötzlich vollkommen anders aus, so froh und wohlgemut, so wie damals, als sie ihn kennen und lieben lernte. Es muß etwas ganz Besonders eingetreten sein, das diese Veränderung in seinem Wesen hervorgerufen hat.

      Magda! ist ihr nächster Gedanke, und neue kommen unaufhörlich hinzu, überstürzen sich. In ihren Schläfen pocht und hämmert das Blut.

      Sein Kind? Magda hat ihm ein Kind geschenkt, daher diese Wandlung Hannos, die sie mit all ihrer Liebe nicht erreichen konnte.

      Sie fragt nicht nach den näheren Umständen. Sie weiß jetzt, daß Hannos Liebe zu Magda nie gestorben war, sondern still in seinem Herzen weitergeblüht hat und nun erneut aufgebrochen ist.

      Selbst wenn das Schicksal sie nicht so grausam gezeichnet hätte – wahrhaft glücklich wäre Hanno wohl niemals mit ihr gewesen. Jetzt sieht er so aus, wie sie sich ihn immer gewünscht hat.

      Nicht sie, Aline – nur Magda darf ihm das Herrlichste bringen, das eine Frau zu verschenken hat.

      Hanno wächst plötzlich ins Riesenhafte vor ihr auf, sie will nach ihm greifen, will die Lippen öffnen und ihm sagen, daß sie glücklich mit ihm ist, weil auch er es nun endlich ist.

      Aber diese neue, grausame Enttäuschung, die sie erfahren muß, raubt ihr alles weitere Denken.

      Mit einem tiefen Seufzer sinkt ihr Kopf zur Seite. Sie ist ohnmächtig geworden. –

      Mit fliegender Hast bemüht Hanno sich um seine Frau. Er macht sich heftige Vorwürfe darüber, daß er nicht schonend genug mit ihr umgegangen ist.

      Er erreicht mit der freien Hand den Klingelzug, im anderen Arm hält er die ohnmächtige Frau. Seine Mutter steht wie gelähmt dabei und ist nicht imstande, ein Glied zu rühren.

      Grell ertönt die Klingel durch das Haus, das Hausmädchen kommt herbeigestürzt.

      Mit knappen Worten gibt Hanno seine Anweisungen, dann vergehen einige Minuten unerträglichen Wartens.

      Für Hanno und Frau Christine währt es eine Ewigkeit, ehe sich die Lider der Kranken wieder öffnen.

      Jetzt schlägt sie die Augen voll auf, schaut sekundenlang verständnislos um sich. Dann gleitet ein schwaches Lächeln über ihr schneeweißes Antlitz.

      »Hanno – was für einen furchtbaren Schrecken habe ich dir eingejagt!« flüstert sie und drückt ihren Kopf fest an seine Brust. »Ich bin – mit dir – glücklich – Hanno!«

      Dann schließt sie erneut die Augen. In ruhigen, gleichmäßigen Atemzügen hebt und senkt sich ihre Brust, und das Lächeln liegt wie eingegraben um ihren Mund.

      »Hol Magda – und das Kind – heim auf den Hof, Hanno!« haucht sie, ohne die Augen zu öffnen. »Es war Schicksal, daß dieser Wunsch in mir lebendig wurde, sonst wäre das Kind wohl niemals zu seinem Recht gekommen, Magda! Ich bin glücklich, alles an dir gutmachen zu können.«

      Erschüttert stehen Mutter und Sohn vor der Kranken. Hanno neigt sich über die schmalen Hände und drückt seine Lippen darauf.

      Sacht entzieht sie sie ihm und fährt ihm sanft über seinen in Ergriffenheit gesenkten Kopf.

      »Ich habe dich sehr lieb, Hanno, glaubst du mir das?«

      »Ich glaube dir, Aline!« flüstert er bewegt.

      *

      Während auf dem Birkenhof alles zum Empfang Magdas und des Kindes vorbereitet wird, sitzt Hanno, von eigenartigen Gefühlen beherrscht, im D-Zug, der ihn nach Berlin bringt.

      Das gleichmäßige Räderrollen wird ihm zu einer beseligenden Melodie: Ich hole mir meinen Jungen – ich hole mir meinen Jungen!

      Seine Gedanken gehen zwischen Aline und Magda hin und her.

      Als er endlich das Berliner Pflaster betritt, gesellt sich zu der fiebernden Erwartung noch die quälende Frage:

      »Was wird mir das Wiedersehen mit Magda bringen?«

      Der Einfachheit halber benutzt er vom Bahnhof aus gleich eine Kraftdroschke, und die kriecht, wie er meint, nur in einem Schneckentempo die Straßen entlang. Endlos lang kommt ihm der Weg zu der Klinik Professor Herdegens vor.

      Doktor Urban hat Hanno bereits telefonisch angemeldet, und so wird er bei seiner Ankunft sofort in das Sprechzimmer Herdegens geführt, wo der Professor ihn bereits erwartet.

      Im Verlauf der ernsten Aussprache, die nun folgt, erhält Hanno Aufklärung über manche bittere Stunde, die seinem heutigen Besuch vorangegangen ist. Wiederholt drückt er dem Professor dankbar die Hand für seine Hilfsbereitschaft. Doch der wehrt lächelnd ab und geleitet ihn selbst durch die weihnachtlich geschmückten Räume der Klinik bis an die Tür zu Magdas Zimmer.

      Er läßt Hanno eintreten und drückt die Tür hinter ihm leise ins Schloß.

      Magda! –

      Blaß, aber schön, den Kopf in stolzer Abwehr aufgerichtet, steht sie vor ihm.

      Das ist kein scheues, schutzbedürftiges Geschöpf mehr. Das ist eine durch Leid und Mutterschaft gereifte Frau.

      Ihre großen schönen Augen sind mit einem Ausdruck unaussprechlicher Traurigkeit auf ihn gerichtet. Sie scheinen zu flehen: In mir ist alles noch wund und weh – mache es kurz und berühre möglichst nicht die Vergangenheit!

      Wie in einem aufgeschlagenen Buch liest Hanno in diesem schmalen geliebten Frauenantlitz, und alles Drängende und Stürmende wird in ihm still.

      Jetzt kommt ihm erst zum Bewußtsein, daß er abermals ein Opfer von ihr fordern will.

      »Magda!« sagt er leise, von diesem Wiedersehen bis ins Innerste ergriffen.

      Der