Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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von Licht und Dun­kel: was dem Lich­ten ent­sprach, war die po­si­ti­ve, was dem Dunklen, die ne­ga­ti­ve Ei­gen­schaft. Nahm er etwa das Schwe­re und das Leich­te, so fiel das Leich­te auf die Sei­te des Lich­ten, das Schwe­re auf die Sei­te des Dunklen: und so galt ihm das Schwe­re nur als die Ne­ga­ti­on des Leich­ten, das Leich­te aber als eine po­si­ti­ve Ei­gen­schaft. Schon aus die­ser Metho­de er­giebt sich eine trot­zen­de, ge­gen die Ein­flüs­te­run­gen der Sin­ne ver­schlos­se­ne Be­fä­hi­gung zur ab­strakt-lo­gi­schen Pro­ce­dur. Das Schwe­re scheint sich ja recht ein­dring­lich den Sin­nen als po­si­ti­ve Qua­li­tät dar­zu­bie­ten; das hielt Par­me­ni­des nicht ab, es zu ei­ner Ne­ga­ti­on zu stem­peln. Eben­so be­zeich­ne­te er die Erde im Ge­gen­satz zum Feu­er, das Kal­te im Ge­gen­satz zum War­men, das Dich­te im Ge­gen­satz zum Dün­nen, das Weib­li­che im Ge­gen­satz zum Männ­li­chen, das Lei­den­de im Ge­gen­satz zum Thä­ti­gen, nur als Ne­ga­tio­nen: so daß vor sei­nem Bli­cke sich uns­re em­pi­ri­sche Welt in zwei ge­trenn­te Sphä­ren schied, in die der po­si­ti­ven Ei­gen­schaf­ten – mit ei­nem lich­ten feu­ri­gen war­men leich­ten dün­nen thä­tig-männ­li­chen Cha­rak­ter – und in die der ne­ga­ti­ven Ei­gen­schaf­ten. Letz­te­re drücken ei­gent­lich nur den Man­gel, die Ab­we­sen­heit der an­de­ren, po­si­ti­ven aus; er be­schrieb also die Sphä­re, in der die po­si­ti­ven Ei­gen­schaf­ten feh­len, als dun­kel, er­dig, kalt, schwer, dicht, und über­haupt als weib­lich-pas­si­ven Cha­rak­ters. Statt der Aus­drücke »po­si­tiv« und »ne­ga­tiv« ge­brauch­te er den fes­ten Ter­mi­nus »sei­end« und »nicht-sei­end« und war da­mit zu dem Lehr­satz ge­kom­men, daß, im Wi­der­spruch mit Ana­xi­man­der, die­se uns­re Welt selbst et­was Sei­en­des ent­hal­te: frei­lich auch et­was Nicht­sei­en­des. Das Sei­en­de soll man nicht au­ßer­halb der Welt und gleich­sam über un­se­rem Ho­ri­zon­te su­chen; son­dern vor uns, und über­all, in je­dem Wer­den, ist et­was Sei­en­des ent­hal­ten und in Thä­tig­keit.

      Da­bei blieb für ihn aber die Auf­ga­be üb­rig, die ge­naue­re Ant­wort auf die Fra­ge zu ge­ben: »was ist das Wer­den?« – und hier war der Mo­ment, wo er sprin­gen muß­te, um nicht zu fal­len, ob­wohl viel­leicht für sol­che Na­tu­ren, wie die des Par­me­ni­des, selbst je­des Sprin­gen als Fal­len gilt. Ge­nug, wir ge­rat­hen in den Ne­bel, in die Mys­tik von qua­li­ta­tes oc­cul­tae, und so­gar et­was in die My­tho­lo­gie. Par­me­ni­des schaut, wie Hera­klit, das all­ge­mei­ne Wer­den und Nicht­ver­har­ren an und kann sich ein Ver­ge­hen nur so deu­ten, daß das Nicht­sei­en­de an ihm schuld sein muß. Denn wie soll­te das Sei­en­de die Schuld des Ver­ge­hens tra­gen! Eben­so aber muß das Ent­ste­hen durch Mit­hül­fe des Nicht­sei­en­den zu Stan­de kom­men: denn das Sei­en­de ist im­mer da und könn­te, von sich aus, nicht erst ent­ste­hen und kein Ent­ste­hen er­klä­ren. Also ist so­wohl das Ent­ste­hen als das Ver­ge­hen durch die ne­ga­ti­ven Ei­gen­schaf­ten her­bei­ge­führt. Daß aber das Ent­ste­hen­de einen In­halt hat, und daß das Ver­ge­hen­de einen In­halt ver­liert, setzt vor­aus, daß die po­si­ti­ven Ei­gen­schaf­ten – das heißt doch eben je­ner In­halt – eben­falls bei bei­den Pro­ces­sen bet­hei­ligt sind. Kurz, es er­giebt sich der Lehr­satz: »zum Wer­den ist so­wohl das Sei­en­de als das Nicht­sei­en­de nö­thig; wenn sie zu­sam­men­wir­ken, so er­giebt sich ein Wer­den.« Aber wie kommt das Po­si­ti­ve und das Ne­ga­ti­ve an ein­an­der? Soll­ten sie sich nicht, im Ge­gent­heil, ewig flie­hen, als Ge­gen­sät­ze, und da­durch je­des Wer­den un­mög­lich ma­chen? Hier ap­pel­lirt Par­me­ni­des an eine qua­li­tas oc­cul­ta, an einen mys­ti­schen Hang des Ent­ge­gen­ge­setz­ten, sich zu nä­hern und sich an­zu­zie­hen, und er ver­sinn­licht je­nen Ge­gen­satz durch den Na­men der Aphro­di­te und durch das em­pi­risch be­kann­te Ver­hält­niß des Männ­li­chen und des Weib­li­chen zu ein­an­der. Die Macht der Aphro­di­te ist es, die das Ent­ge­gen­ge­setz­te, das Sei­en­de mit dem Nicht­sei­en­den, zu­sam­men­kup­pelt. Eine Be­gier­de führt die sich wi­der­strei­ten­den und sich has­sen­den Ele­men­te zu­sam­men: das Re­sul­tat ist ein Wer­den. Wenn die Be­gier­de ge­sät­tigt ist, treibt der Haß und der in­ne­re Wi­der­streit das Sei­en­de und das Nicht­sei­en­de wie­der aus­ein­an­der – und dann sagt der Mensch: »das Ding ver­geht«. –

      10.

      Aber Nie­mand ver­greift sich un­ge­straft an so furcht­ba­ren Abstrak­tio­nen, wie das »Sei­en­de« und das »Nicht­sei­en­de« sind; das Blut er­starrt all­mäh­lich, wenn man sie be­rührt. Es gab einen Tag, an dem Par­me­ni­des einen selt­sa­men Ein­fall hat­te, der al­len sei­nen frü­he­ren Com­bi­na­tio­nen den Werth zu neh­men schi­en, so daß er Lust hat­te, sie wie einen Beu­tel mit al­ten ab­ge­nutz­ten Mün­zen bei Sei­te zu wer­fen. Ge­wöhn­lich nimmt man an, daß auch ein äu­ße­rer Ein­druck und nicht nur die von in­nen her trei­ben­de Con­se­quenz sol­cher Be­grif­fe wie »sei­end« und »nicht­sei­end«, bei der Er­fin­dung je­nes Ta­ges mit thä­tig ge­we­sen sei, die Be­kannt­schaft mit der Theo­lo­gie des al­ten, viel um­her ge­trie­be­nen Rhap­so­den, des Sän­gers ei­ner mys­ti­schen Na­tur­ver­göt­te­rung, des Ko­lo­pho­niers Xe­no­pha­nes. Ein au­ßer­or­dent­li­ches Le­ben hin­durch leb­te Xe­no­pha­nes als wan­dern­der Dich­ter und wur­de durch sei­ne Rei­sen ein viel be­lehr­ter und viel be­leh­ren­der Mann, der zu fra­gen und zu er­zäh­len wuß­te; wes­halb Hera­klit ihn un­ter die Po­ly­his­to­ren und über­haupt un­ter die »his­to­ri­schen« Na­tu­ren, in dem er­wähn­ten Sin­ne rech­ne­te. Wo­her und wann ihm der mys­ti­sche Zug in’s Eine und ewig Ru­hen­de ge­kom­men ist, wird Nie­mand nach­rech­nen kön­nen; viel­leicht ist es erst die Con­cep­ti­on des end­lich seß­haft ge­w­ord­nen grei­sen Man­nes, dem, nach der Be­wegt­heit sei­ner Irr­fahr­ten und nach dem rast­lo­sen Ler­nen und Er­for­schen, das Höchs­te und Größ­te in der Vi­si­on ei­ner gött­li­chen Ruhe, in dem Be­har­ren al­ler Din­ge in­ner­halb ei­nes pan­theis­ti­schen Ur­frie­dens, vor die See­le tritt. Im Üb­ri­gen scheint es mir rein zu­fäl­lig, daß ge­ra­de am glei­chen Orte, in Elea, zwei Män­ner eine Zeit lang zu­sam­men leb­ten, von de­nen Je­der eine Ein­heits­con­cep­ti­on im Kop­fe trug: sie bil­den kei­ne Schu­le und ha­ben Nichts ge­mein­sam, was etwa der Eine von dem An­dern hät­te ler­nen und dann wei­ter leh­ren kön­nen. Denn der Ur­sprung je­ner Ein­heits­con­cep­ti­on ist bei dem Ei­nen ein ganz and­rer, ja ent­ge­gen­ge­setz­ter als bei dem An­dern; und wenn Ei­ner die Leh­re des An­dern über­haupt ken­nen ge­lernt hat, so muß­te er sie sich, um sie nur zu ver­ste­hen, erst in sei­ne eig­ne Spra­che über­tra­gen. Bei die­ser Über­tra­gung gieng aber je­den­falls ge­ra­de das Spe­ci­fi­sche der an­dern Leh­re ver­lo­ren. Wenn Par­me­ni­des zur Ein­heit des Sei­en­den rein durch eine ver­meint­li­che lo­gi­sche Con­se­quenz kam und sie aus dem Be­griff Sein und Nicht­sein her­aus­spann, ist Xe­no­pha­nes ein re­li­gi­öser Mys­ti­ker und ge­hört mit je­ner mys­ti­schen Ein­heit recht ei­gent­lich in das sechs­te Jahr­hun­dert. War er auch kei­ne so um­wäl­zen­de Per­sön­lich­keit wie Py­tha­go­ras, so hat er doch, auf sei­nen Wan­de­run­gen, den glei­chen Zug und Trieb, die Men­schen zu bes­sern, zu rei­ni­gen, zu hei­len. Er ist der ethi­sche Leh­rer, aber noch auf der Stu­fe des Rhap­so­den; in spä­te­rer Zeit wäre er ein So­phist ge­we­sen. In der küh­nen Miß­bil­li­gung der be­ste­hen­den Sit­ten und Schät­zun­gen hat er in Grie­chen­land nicht Sei­nes­glei­chen; dazu zog er sich kei­nes­wegs, wie Hera­klit und Pla­to, in die Ein­sam­keit zu­rück, son­dern stell­te sich eben vor je­nes Pub­li­kum