der Kirche, immer im Dienste aller schlechten Instinkte der Kirche, – aber gut bezahlt… Daß die Kirche gerade mit Hülfe deutscher Schwerter, deutschen Blutes und Muthes ihren Todfeindschafts-Krieg gegen alles Vornehme auf Erden durchgeführt hat! Es giebt an dieser Stelle eine Menge schmerzlicher Fragen. Der deutsche Adel fehlt beinahe in der Geschichte der höheren Cultur: man erräth den Grund … Christenthum, Alkohol – die beiden großen Mittel der Corruption … An sich sollte es ja keine Wahl geben, angesichts von Islam und Christenthum, so wenig als angesichts eines Arabers und eines Juden. Die Entscheidung ist gegeben; es steht Niemandem frei, hier noch zu wählen. Entweder ist man ein Tschandala, oder man ist es nicht … »Krieg mit Rom auf’s Messer! Friede, Freundschaft mit dem Islam«: so empfand, so that jener große Freigeist, das Genie unter den deutschen Kaisern, Friedrich der Zweite. Wie? muß ein Deutscher erst Genie, erst Freigeist sein, um anständig zu empfinden? Ich begreife nicht, wie ein Deutscher je christlich empfinden konnte…
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61.
Hier thut es noth, eine für Deutsche noch hundertmal peinlichere Erinnerung zu berühren. Die Deutschen haben Europa um die letzte große Cultur-Ernte gebracht, die es für Europa heimzubringen gab, – um die der Renaissance. Versteht man endlich, will man verstehn, was die Renaissance war? Die Umwerthung der christlichen Werthe, der Versuch, mit allen Mitteln, mit allen Instinkten, mit allem Genie unternommen, die Gegen-Werthe, die vornehmen Werthe zum Sieg zu bringen… Es gab bisher nur diesen großen Krieg, es gab bisher keine entscheidendere Fragestellung als die der Renaissance, – meine Frage ist ihre Frage –: es gab auch nie eine grundsätzlichere, eine geradere, eine strenger in ganzer Front und auf das Centrum los geführte Form des Angriffs! An der entscheidenden Stelle, im Sitz des Christenthums selbst angreifen, hier die vornehmen Werthe auf den Thron bringen, will sagen in die Instinkte, in die untersten Bedürfnisse und Begierden der daselbst Sitzenden hinein bringen … Ich sehe eine Möglichkeit vor mir von einem vollkommen überirdischen Zauber und Farbenreiz: – es scheint mir, daß sie in allen Schaudern raffinirter Schönheit erglänzt, daß eine Kunst in ihr am Werke ist, so göttlich, so teufelsmäßig-göttlich, daß man Jahrtausende umsonst nach einer zweiten solchen Möglichkeit durchsucht; ich sehe ein Schauspiel, so sinnreich, so wunderbar paradox zugleich, daß alle Gottheiten des Olymps einen Anlaß zu einem unsterblichen Gelächter gehabt hätten – Cesare Borgia als Papst… Versteht man mich? … Wohlan, das wäre der Sieg gewesen, nach dem ich heute allein verlange –: damit war das Christentum abgeschafft! – Was geschah? Ein deutscher Mönch, Luther, kam nach Rom. Dieser Mönch, mit allen rachsüchtigen Instinkten eines verunglückten Priesters im Leibe, empörte sich in Rom gegen die Renaissance … Statt mit tiefster Dankbarkeit das Ungeheure zu verstehn, das geschehen war, die Überwindung des Christenthums an seinem Sitz –, verstand sein Haß aus diesem Schauspiel nur seine Nahrung zu ziehn. Ein religiöser Mensch denkt nur an sich. – Luther sah die Verderbniß des Papstthums, während gerade das Gegentheil mit Händen zu greifen war: die alte Verderbniß, das peccatum originale, das Christenthum saß nicht mehr auf dem Stuhl des Papstes! Sondern das Leben! Sondern der Triumph des Lebens! Sondern das große Ja zu allen hohen, schönen, verwegenen Dingen! … Und Luther stellte die Kirche wieder her: er griff sie an… Die Renaissance – ein Ereigniß ohne Sinn, ein großes Umsonst! – Ah diese Deutschen, was sie uns schon gekostet haben! Umsonst – das war immer das Werk der Deutschen. – Die Reformation; Leibniz; Kant und die sogenannte deutsche Philosophie; die »Freiheits«-Kriege; das Reich – jedesmal ein Umsonst für Etwas, das bereits da war, für etwas Unwiederbringliches … Es sind meine Feinde, ich bekenne es, diese Deutschen: ich verachte in ihnen jede Art von Begriffs- und Werth-Unsauberkeit, von Feigheit vor jedem rechtschaffnen Ja und Nein. Sie haben, seit einem Jahrtausend beinahe, Alles verfilzt und verwirrt, woran sie mit ihren Fingern rührten, sie haben alle Halbheiten – Drei-Achtelsheiten! – auf dem Gewissen, an denen Europa krank ist, – sie haben auch die unsauberste Art Christenthum, die es giebt, die unheilbarste, die unwiderlegbarste, den Protestantismus auf dem Gewissen … Wenn man nicht fertig wird mit dem Christenthum, die Deutschen werden daran schuld sein …
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62.
– Hiermit bin ich am Schluß und spreche mein Urtheil. Ich verurtheile das Christenthum, ich erhebe gegen die christliche Kirche die furchtbarste aller Anklagen, die je ein Ankläger in den Mund genommen hat. Sie ist mir die höchste aller denkbaren Corruptionen, sie hat den Willen zur letzten auch nur möglichen Corruption gehabt. Die christliche Kirche ließ Nichts mit ihrer Verderbniß unberührt, sie hat aus jedem Werth einen Unwerth, aus jeder Wahrheit eine Lüge, aus jeder Rechtschaffenheit eine Seelen-Niedertracht gemacht. Man wage es noch, mir von ihren »humanitären« Segnungen zu reden! Irgend einen Nothstand abschaffen gieng wider ihre tiefste Nützlichkeit: sie lebte von Nothständen, sie schuf Nothstände, um sich zu verewigen… Der Wurm der Sünde zum Beispiel: mit diesem Nothstande hat erst die Kirche die Menschheit bereichert! – Die »Gleichheit der Seelen vor Gott«, diese Falschheit, dieser Vorwand für die rancune aller Niedriggesinnten, dieser Sprengstoff von Begriff, der endlich Revolution, moderne Idee und Niedergangs-Princip der ganzen Gesellschafts-Ordnung geworden ist, – ist christlicher Dynamit… »Humanitäre« Segnungen des Christenthums! Aus der humanitas einen Selbst-Widerspruch, eine Kunst der Selbstschändung, einen Willen zur Lüge um jeden Preis, einen Widerwillen, eine Verachtung aller guten und rechtschaffnen Instinkte herauszuzüchten! Das wären mir Segnungen des Christenthums! – Der Parasitismus als einzige Praxis der Kirche; mit ihrem Bleichsuchts-, ihrem »Heiligkeits«-Ideale jedes Blut, jede Liebe, jede Hoffnung zum Leben austrinkend: das Jenseits als Wille zur Verneinung jeder Realität; das Kreuz als Erkennungszeichen für die unterirdischste Verschwörung, die es je gegeben hat, – gegen Gesundheit, Schönheit, Wohlgerathenheit, Tapferkeit, Geist, Güte der Seele, gegen das Leben selbst …
Diese ewige Anklage des Christenthums will ich an alle Wände schreiben, wo es nur Wände giebt, – ich habe Buchstaben, um auch Blinde sehend zu machen… Ich heiße das Christenthum den Einen großen Fluch, die Eine große innerlichste Verdorbenheit, den Einen großen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist, – ich heiße es den Einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit …
Und man rechnet die Zeit nach dem dies nefastus, mit dem dies Verhängniß anhob, – nach dem ersten Tag des Christenthums! – Warum nicht lieber nach