Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


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er muss­te grund­sätz­lich des­halb das "es be­deu­tet" in den Vor­der­grund brin­gen. "Die Mu­sik ist im­mer nur ein Mit­tel": das war sei­ne Theo­rie, das war vor Al­lem die ein­zi­ge ihm über­haupt mög­li­che Pra­xis. Aber so denkt kein Mu­si­ker. – Wa­gner hat­te Lit­te­ra­tur nö­thig, um alle Welt zu über­re­den, sei­ne Mu­sik ernst zu neh­men, tief zu neh­men, "weil sie Unend­li­ches be­deu­te"; er war zeit­le­bens der Com­men­ta­tor der "Idee". – Was be­deu­tet Elsa? Aber kein Zwei­fel: Elsa ist "der un­be­wuss­te Geist des Volks" (– mit die­ser Er­kennt­niss wur­de ich nothwen­dig zum voll­komm­nen Re­vo­lu­tio­när" –).

      Erin­nern wir uns, dass Wa­gner in der Zeit, wo He­gel und Schel­ling die Geis­ter ver­führ­ten, jung war; dass er er­rieth, dass er mit Hän­den griff, was al­lein der Deut­sche ernst nimmt –"die Idee", will sa­gen Et­was, das dun­kel, un­ge­wiss, ah­nungs­voll ist; dass Klar­heit un­ter Deut­schen ein Ein­wand, Lo­gik eine Wi­der­le­gung ist. Scho­pen­hau­er hat, mit Här­te, die Epo­che He­gel’s und Schel­ling’s der Un­red­lich­keit ge­ziehn – mit Här­te, auch mit Un­recht: er selbst, der alte pes­si­mis­ti­sche Falsch­mün­zer, hat es in Nichts "red­li­cher" ge­trie­ben als sei­ne be­rühm­te­ren Zeit­ge­nos­sen. Las­sen wir die Moral aus dem Spie­le: He­gel ist ein Ge­schmack … Und nicht nur ein deut­scher, son­dern ein eu­ro­päi­scher Ge­schmack! – Ein Ge­schmack, den Wa­gner be­griff! – dem er sich ge­wach­sen fühl­te! den er ver­ewigt hat! – Er mach­te bloss die Nutz­an­wen­dung auf die Mu­sik – er er­fand sich einen Stil, der "Unend­li­ches be­deu­tet," – er wur­de der Erbe He­gel’s … Die Mu­sik als "Idee" – –

      Und wie man Wa­gnern ver­stand! – Die­sel­be Art Mensch, die für He­gel ge­schwärmt, schwärmt heu­te für Wa­gner; in sei­ner Schu­le schreibt man so­gar He­ge­lisch! – Vor Al­len ver­stand ihn der deut­sche Jüng­ling. Die zwei Wor­te "un­end­lich" und "Be­deu­tung" ge­nüg­ten be­reits: ihm wur­de da­bei auf eine un­ver­gleich­li­che Wei­se wohl. Es ist nicht die Mu­sik, mit der Wa­gner sich die Jüng­lin­ge er­obert hat, es ist die "Idee": – es ist das Räth­sel­rei­che sei­ner Kunst, ihr Ver­steck­spie­len un­ter hun­dert Sym­bo­len, ihre Po­ly­chro­mie des Ideals, was die­se Jüng­lin­ge zu Wa­gner führt und lockt; "es ist Wa­gner’s Ge­nie der Wol­ken­bil­dung, sein Grei­fen, Schwei­fen und Strei­fen durch die Lüf­te, sein Über­all und Nir­gends­wo, ge­nau Das­sel­be, wo­mit sie sei­ner Zeit He­gel ver­führt und ver­lockt hat! – In­mit­ten von Wa­gner’s Viel­heit, Fül­le und Will­kür sind sie wie bei sich selbst ge­recht­fer­tigt – "er­löst" –. Sie hö­ren mit Zit­tern, wie in sei­ner Kunst die gros­sen Sym­bo­le aus ver­ne­bel­ter Fer­ne mit sanf­tem Don­ner laut wer­den; sie sind nicht un­ge­hal­ten, wenn es zeit­wei­lig grau, gräss­lich und kalt in ihr zu­geht. Sind sie doch sammt und son­ders, gleich Wa­gnern selbst, ver­wandt mit dem schlech­ten Wet­ter, dem deut­schen Wet­ter! Wo­tan ist ihr Gott: aber Wo­tan ist der Gott des schlech­ten Wet­ters … Sie ha­ben Recht, die­se deut­schen Jüng­lin­ge, so wie sie nun ein­mal sind: wie könn­ten sie ver­mis­sen, was wir An­de­ren, was wir Hal­kyo­ni­er bei Wa­gnern ver­mis­sen – la gaya sci­en­za; die leich­ten Füs­se; Witz, Feu­er, An­muth; die gros­se Lo­gik; den Tanz der Ster­ne; die über­müthi­ge Geis­tig­keit; die Licht­schau­der des Sü­dens; das glat­te Meer – Voll­kom­men­heit …

      Ich habe er­klärt, wo­hin Wa­gner ge­hört – nicht in die Ge­schich­te der Mu­sik. Was be­deu­tet er trotz­dem in de­ren Ge­schich­te? Die Her­auf­kunft des Schau­spie­lers in der Mu­sik: ein ca­pi­ta­les Er­eig­niss, das zu den­ken, das viel­leicht auch zu fürch­ten giebt. in For­mel: "Wa­gner und Liszt." – Noch nie wur­de die Recht­schaf­fen­heit der Mu­si­ker, ihre "Echt­heit" gleich ge­fähr­lich auf die Pro­be ge­stellt. Man greift es mit Hän­den: Der gros­se Er­folg, der Mas­sen-Er­folg ist nicht mehr auf Sei­te der Ech­ten, – man muss Schau­spie­ler sein, ihn zu ha­ben! – Vic­tor Hugo und Richard Wa­gner – sie be­deu­ten Ein und Das­sel­be: dass in Nie­der­gangs-Cul­tu­ren, dass über­all, wo den Mas­sen die Ent­schei­dung in die Hän­de fällt, die Echt­heit über­flüs­sig, nacht­hei­lig, zu­rück­set­zend wird. Nur der Schau­spie­ler weckt noch die gros­se Be­geis­te­rung. – Da­mit kommt für den Schau­spie­ler das gol­de­ne Zeit­al­ter her­auf – für ihn und für Al­les, was sei­ner Art ver­wandt ist. Wa­gner mar­schirt mit Trom­meln und Pfei­fen an der Spit­ze al­ler Künst­ler des Vor­trags, der Dar­stel­lung, des Vir­tuo­sent­hums; er hat zu­erst die Ka­pell­meis­ter, die Ma­schi­nis­ten und Thea­ter­sän­ger über­zeugt. Nicht zu ver­ges­sen die Or­che­s­ter­mu­si­ker: – er "er­lös­te" die­se von der Lan­gen­wei­le … Die Be­we­gung, die Wa­gner schuf, greift selbst in das Ge­biet der Er­kennt­niss über: gan­ze zu­ge­hö­ri­ge Wis­sen­schaf­ten tau­chen lang­sam aus jahr­hun­der­te­al­ter Scho­las­tik em­por. Ich hebe, um ein Bei­spiel zu ge­ben, mit Aus­zeich­nung die Ver­diens­te Rie­mann’s um die Rhyth­mik her­vor, des Ers­ten, der den Haupt­be­griff der In­ter­punk­ti­on auch für die Mu­sik gel­tend ge­macht hat (lei­der ver­mit­telst ei­nes häss­li­chen Wor­tes: er nennt’s "Phra­si­rung"). – Dies Al­les sind, ich sage es mit Dank­bar­keit, die Bes­ten un­ter den Ver­eh­rern Wa­gner’s, die Ach­tungs­wür­digs­ten – sie ha­ben ein­fach Recht, Wa­gnern zu ver­eh­ren. Der glei­che In­stinkt ver­bin­det sie mit ein­an­der, sie se­hen in ihm ih­ren höchs­ten Ty­pus, sie füh­len sich zur Macht, zur Gross­macht selbst um­ge­wan­delt, seit er sie mit sei­ner eig­nen Gluth ent­zün­det hat. Hier näm­lich, wenn ir­gend­wo, ist der Ein­fluss Wa­gner’s wirk­lich wohlt­hä­tig ge­we­sen. Noch nie ist in die­ser Sphä­re so viel ge­dacht, ge­wollt, ge­ar­bei­tet wor­den. Wa­gner hat al­len die­sen Künst­lern ein neu­es Ge­wis­sen ein­ge­ge­ben: was sie jetzt von sich for­dern, von sich er­lan­gen, das ha­ben sie nie vor Wa­gner von sich ge­for­dert – sie wa­ren frü­her zu be­schei­den dazu. Es herrscht ein and­rer Geist am Thea­ter, seit Wa­gner’s Geist da­selbst herrscht: man ver­langt das Schwers­te, man ta­delt hart, man lobt sel­ten, – das Gute, das Aus­ge­zeich­ne­te gilt als Re­gel. Ge­schmack thut nicht mehr Noth; nicht ein­mal Stim­me. Man singt Wa­gner nur mit rui­nir­ter Stim­me: das wirkt "dra­ma­tisch". Selbst Be­ga­bung ist aus­ge­schlos­sen. Das es­pres­si­vo um je­den Preis, wie es das Wa­gne­ri­sche Ide­al, das dé­ca­dence-Ide­al ver­langt, ver­trägt sich schlecht mit Be­ga­bung. Dazu ge­hört bloss Tu­gend – will sa­gen Dres­sur, Au­to­ma­tis­mus, "Selbst­ver­leug­nung." We­der Ge­schmack, noch Stim­me, noch Be­ga­bung: die Büh­ne Wa­gner’s hat nur Eins nö­thig – Ger­ma­nen! … De­fi­ni­ti­on des Ger­ma­nen: Ge­hor­sam und lan­ge Bei­ne … Es ist voll tiefer Be­deu­tung, dass die Her­auf­kunft Wa­gner’s zeit­lich mit der Her­auf­kunft des "Reichs" zu­sam­men­fällt: bei­de That­sa­chen be­wei­sen Ein und Das­sel­be – Ge­hor­sam und lan­ge Bei­ne. – Nie ist bes­ser ge­horcht, nie bes­ser be­foh­len wor­den. Die Wa­gne­ri­schen Ka­pell­meis­ter in Son­der­heit sind ei­nes Zeit­al­ters wür­dig, das die Nach­welt ein­mal mit scheu­er Ehr­furcht das klas­si­sche Zeit­al­ter des Kriegs nen­nen wird. Wa­gner ver­stand zu com­man­di­ren; er war auch da­mit der gros­se Leh­rer. Er com­man­dir­te als der un­er­bitt­li­che Wil­le zu sich, als die le­bens­läng­li­che Zucht an sich: Wa­gner, der viel­leicht das gröss­te Bei­spiel der Selbst­ver­ge­wal­ti­gung ab­giebt, das die Ge­schich­te der Küns­te hat (– selbst Al­fie­ri, sonst sein Nächst­ver­wand­ter, ist noch über­bo­ten. An­mer­kung ei­nes Tu­ri­ners).

      Mit