Фридрих Вильгельм Ницше

Gesammelte Werke


Скачать книгу

da stahlt ihr Fein­de mir mei­ne Näch­te und ver­kauf­tet sie zu schlaflo­ser Qual: ach, wo­hin floh nun jene fröh­li­che Weis­heit?

      Einst be­gehr­te ich nach glück­li­chen Vo­gel­zei­chen: da führ­tet ihr mir ein Eu­len-Unt­hier über den Weg, ein wid­ri­ges. Ach, wo­hin floh da mei­ne zärt­li­che Be­gier­de?

      Al­lem Ekel ge­lob­te ich einst zu ent­sa­gen: da ver­wan­del­tet ihr mei­ne Na­hen und Nächs­ten in Ei­ter­beu­len. Ach, wo­hin floh da mein edels­tes Gelöb­niss«

      Als Blin­der gieng ich einst se­li­ge Wege: da warft ihr Un­flath auf den Weg des Blin­den: und nun ekel­te ihn des al­ten Blin­den-Fuss­steigs.

      Und als ich mein Schwers­tes that und mei­ner Über­win­dun­gen Sieg fei­er­te: da mach­tet ihr Die, wel­che mich lieb­ten, schrein, ich thue ih­nen am we­he­s­ten.

      Wahr­lich, das war im­mer euer Thun: ihr ver­gäll­tet mir mei­nen bes­ten Ho­nig und den Fleiss mei­ner bes­ten Bie­nen.

      Mei­ner Mildt­hä­tig­keit sand­tet ihr im­mer die frechs­ten Bett­ler zu; um mein Mit­lei­den dräng­tet ihr im­mer die un­heil­bar Scham­lo­sen. So ver­wun­de­tet ihr mei­ne Tu­gend in ih­rem Glau­ben.

      Und leg­te ich noch mein Hei­ligs­tes zum Op­fer hin: flugs stell­te eure »Fröm­mig­keit« ihre fet­te­ren Ga­ben dazu: also dass im Damp­fe eu­res Fet­tes noch mein Hei­ligs­tes er­stick­te.

      Und einst woll­te ich tan­zen, wie nie ich noch tanz­te: über alle Him­mel weg woll­te ich tan­zen. Da über­re­de­tet ihr mei­nen liebs­ten Sän­ger.

      Und nun stimm­te er eine schau­ri­ge dump­fe Wei­se an; ach, er tu­te­te mir, wie ein düs­te­res Horn, zu Ohren!

      Mör­de­ri­scher Sän­ger, Werk­zeug der Bos­heit, Un­schul­digs­ter! Schon stand ich be­reit zum bes­ten Tan­ze: da mor­de­test du mit dei­nen Tö­nen mei­ne Ver­zückung!

      Nur im Tan­ze weiss ich der höchs­ten Din­ge Gleich­niss zu re­den: – und nun blieb mir mein höchs­tes Gleich­niss un­ge­re­det in einen Glie­dern!

      Un­ge­re­det und un­er­löst blieb mir die höchs­te Hoff­nung! Und es star­ben mir alle Ge­sich­te und Trös­tun­gen mei­ner Ju­gend!

      Wie er­trug ich’s nur? Wie ver­wand und über­wand ich sol­che Wun­den? Wie er­stand mei­ne See­le wie­der aus die­sen Grä­bern?

      Ja, ein Un­ver­wund­ba­res, Un­be­grab­ba­res ist an mir, ein Fel­sen­spren­gen­des: das heisst mein Wil­le. Schweig­sam schrei­tet es und un­ver­än­dert durch die Jah­re.

      Sei­nen Gang will er gehn auf mei­nen Füs­sen, mein al­ter Wil­le; her­zens­hart ist ihm der Sinn und un­ver­wund­bar.

      Un­ver­wund­bar bin ich al­lein an mei­ner Fer­se. Im­mer noch lebst du da und bist dir gleich, Ge­dul­digs­ter! Im­mer noch brachst du dich durch alle Grä­ber!

      In dir lebt auch noch das Uner­lös­te mei­ner Ju­gend; und als Le­ben und Ju­gend sit­zest du hof­fend hier auf gel­ben Grab-Trüm­mern.

      Ja, noch bist du mir al­ler Grä­ber Zer­trüm­me­rer: Heil dir, mein Wil­le! Und nur wo Grä­ber sind, giebt es Au­fer­ste­hun­gen. –

      Also sang Za­ra­thustra. –

      Von der Selbst-Ueberwindung

      »Wil­le zur Wahr­heit« heisst ih­r’s, ihr Wei­ses­ten, was euch treibt und brüns­tig macht?

      Wil­le zur Denk­bar­keit al­les Sei­en­den: also heis­se ich eu­ren Wil­len!

      Al­les Sei­en­de wollt ihr erst denk­bar ma­chen : denn ihr zwei­felt mit gu­tem Miss­trau­en, ob es schon denk­bar ist.

      Aber es soll sich euch fü­gen und bie­gen! So will’s euer Wil­le. Glatt soll es wer­den und dem Geis­te un­terthan, als sein Spie­gel und Wi­der­bild.

      Das ist euer gan­zer Wil­le, ihr Wei­ses­ten, als ein Wil­le zur Macht; und auch wenn ihr vom Gu­ten und Bö­sen re­det und von den Wert­h­schät­zun­gen. Schaf­fen wollt ihr noch die Welt, vor der ihr kni­en könnt: so ist es eure letz­te Hoff­nung und Trun­ken­heit.

      Die Un­wei­sen frei­lich, das Volk, – die sind gleich dem Flus­se, auf dem ein Na­chen wei­ter schwimmt: und im Na­chen sit­zen fei­er­lich und ver­mummt die Wert­h­schät­zun­gen.

      Eu­ren Wil­len und eure Wert­he setz­tet ihr auf den Fluss des Wer­dens; einen al­ten Wil­len zur Macht ver­räth mir, was vom Vol­ke als gut und böse ge­glaubt wird.

      Ihr wart es, ihr Wei­ses­ten, die sol­che Gäs­te in die­sen Na­chen setz­ten und ih­nen Prunk und stol­ze Na­men ga­ben, – ihr und euer herr­schen­der Wil­le!

      Wei­ter trägt nun der Fluss eu­ren Na­chen: er muss ihn tra­gen. We­nig thut’s, ob die ge­bro­che­ne Wel­le schäumt und zor­nig dem Kie­le wi­der­spricht!

      Nicht der Fluss ist eure Ge­fahr und das Ende eu­res Gu­ten und Bö­sen, ihr Wei­ses­ten: son­dern je­ner Wil­le sel­ber, der Wil­le zur Macht, – der un­er­schöpf­te zeu­gen­de Le­bens-Wil­le.

      Aber da­mit ihr mein Wort ver­steht vom Gu­ten und Bö­sen: dazu will ich euch noch mein Wort vom Le­ben sa­gen und von der Art al­les Le­ben­di­gen.

      Dem Le­ben­di­gen gieng ich nach, ich gieng die gröss­ten und die kleins­ten Wege, dass ich sei­ne Art er­ken­ne.

      Mit hun­dert­fa­chem Spie­gel fieng ich noch sei­nen Blick auf, wenn ihm der Mund ge­schlos­sen war: dass sein Auge mir rede. Und sein Auge re­de­te mir.

      Aber, wo ich nur Le­ben­di­ges fand, da hör­te ich auch die Rede vom Ge­hor­sa­me. Al­les Le­ben­di­ge ist ein Ge­hor­chen­des.

      Und diess ist das Zwei­te: Dem wird be­foh­len, der sich nicht sel­ber ge­hor­chen kann. So ist es des Le­ben­di­gen Art.

      Diess aber ist das Drit­te, was ich hör­te: dass Be­feh­len schwe­rer ist, als Ge­hor­chen. Und nicht nur, dass der Be­feh­len­de die Last al­ler Ge­hor­chen­den trägt, und dass leicht ihn die­se Last zer­drückt: –

      Ein Ver­such und Wa­g­niss er­schi­en mir in al­lem Be­feh­len; und stets, wenn es be­fiehlt, wagt das Le­ben­di­ge sich sel­ber dran.

      Ja noch, wenn es sich sel­ber be­fiehlt: auch da noch muss es sein Be­feh­len büs­sen. Sei­nem eig­nen Ge­set­ze muss es Rich­ter und Rä­cher und Op­fer wer­den.

      Wie ge­schieht diess doch! so frag­te ich mich. Was über­re­det das Le­ben­di­ge, dass es ge­horcht und be­fiehlt und be­feh­lend noch Ge­hor­sam übt?

      Hört mir nun mein Wort, ihr Wei­ses­ten! Prüft es ernst­lich, ob ich dem Le­ben sel­ber in’s Herz kroch und bis in die Wur­zeln sei­nes Her­zens!

      Wo ich Le­ben­di­ges fand, da fand ich Wil­len zur Macht; und noch im Wil­len des Die­nen­den fand ich den Wil­len, Herr zu sein.

      Dass dem Stär­ke­ren die­ne das Schwä­che­re, dazu über­re­det es sein Wil­le, der über noch Schwä­che­res Herr sein will: die­ser Lust al­lein mag es nicht ent­rat­hen.

      Und wie das Klei­ne­re sich dem Grös­se­ren hin­giebt, dass es Lust und Macht am Kleins­ten habe: also giebt sich auch das Gröss­te noch hin und setzt um der Macht wil­len – das Le­ben dran.

      Das ist die Hin­ge­bung des Gröss­ten, dass es Wa­g­niss ist und Ge­fahr und