Else Ury

Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury


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      »Bes–timmt, was solltest du denn auch zu Hause, es ist ja schon alles S–tück für S–tück ordentlich eingeräumt«, meinte Ellen.

      Gerda aber drückte ihr die Hand und flüsterte: »Du glaubst gar nicht, wie lieb Tante Lenchen ist!«

      Ja, wenn man gute Freunde hat, die einem treu zur Seite stehen, ist alles Schwere nur halb so schlimm.

      »Tante Lenchen«, Annemarie zögerte nach dem Mittagessen noch ein wenig, während die anderen Kinder das Speisezimmer schon verlassen hatten. »Ich habe alles schön aufgeräumt – darf ich nun mit?« In grenzenloser Spannung blickte das kleine Mädchen zu Tante Lenchen auf.

      »Nein, Kind, das kann unmöglich in dieser kurzen Zeit gut geworden sein.«

      »Ach, bitte, bitte, sehen Sie doch nach, liebe Tante Lenchen«, Annemarie bettelte und schmeichelte, wie nur sie es verstand. Damit hatte sie schon manches Herz erweicht, und Tante Lenchens gütiges sollte standhalten?

      »Meinetwegen – aber wenn nur so obenauf Ordnung geschaffen ist, dann nützt dir das alles nichts,« drohte sie.

      Doch als Tante Lenchen jetzt Kästen und Schrank aufschloß. traute sie ihren Augen kaum. »Ja, Annemarie, kannst du hexen oder haben dir die Onnerbankjes, unsere friesischen Heinzelmännchen, beigestanden?«

      »Die Onnerbankjes – die Onnerbankjes«. ausgelassen sprang Annemarie in dem Zimmer umher, denn sie merkte, daß Tanke Lenchen ihr nicht mehr böse war.

      »Eins hat lange braune Zöpfe und eins einen Lockenkopf,« lachte sie schalkhaft.

      Da mußte auch Tante Lenchen wieder lachen. »Ja, wenn du so gute Freunde unter den kleinen Wichtelmännchen hast, dann muß wohl auch ich ein Auge zudrücken und mein Verbot zurückziehen –« Tante Lenchen kam nicht weiter. Annemarie erdrückte sie fast mit ihren Dankesbezeigungen.

      Puppe Gerda wanderte in das Spielzimmer zu den anderen Puppen, und Annemarie mit den übrigen Kindern durch Felder und Wiesen, auf denen viele Schafherden weideten, nach dem alten Friesendorf Nebel. Es war ein besonders schöner Nachmittag, auch Frau Kapitän nahm an dem Ausflug teil. Das erschien jedem Kinde wie ein Fest. Annemarie genoß den schönen Tag noch mehr als die übrigen. Erstens weil ihre Mutter dabei war, und zweitens, weil sie es als ein Geschenk betrachtete, daß sie überhaupt mitgenommen worden war. Es wäre aber auch schrecklich gewesen, wenn sie hätte zurückbleiben müssen, denn Frau Doktor Braun lud das ganze Kinderheim zu Schokolade mit Schlagsahne unter den schattigen Bäumen der dortigen Konditorei ein. Aber so lustig der Nachmittag war, er schloß ernst.

      »So, Kinder, nun pflückt Erika und Strandnelken, wir wollen Kränze winden«, gebot Frau Kapitän.

      »Au ja«, eifrig machten sich alle ans Werk. Die Kinder glaubten, die Kränze seien für ihre Köpfchen zum Heimweg bestimmt.

      Aber was wand denn die Frau Kapitän? Der Kranz wurde ja viel zu groß für den Kopf. Auch jedes der Kinder band nach Angabe der Erwachsenen mehr oder weniger geschickt seinen Kranz. Fragend blickten sie Frau Kapitän an, sie verstanden den Zweck nicht.

      »Wir wollen zum Kirchhof gehen, zu denen, die an dieser Küste gestrandet sind. Die namenlos hier in fremder Erde ruhen, und denen keine liebende Hand die Grabstätte schmückt,« sagte die leise.

      Durch das Dorf mit seinen jahrhundert alten Friesenhäusern hindurch gingen sie zum Friedhof der Heimatlosen. Dort legte jedes Kind seinen Gruß auf die grünbewachsenen Hügel der unbekannten Schiffbrüchigen. Trotz allem Ernste kam den jungen Kindern dabei ein froh erhebendes Gefühl. Vielleicht schmückte eine freundliche Hand auch irgendwo an fremder Küste die letzte Ruhestatt des Gatten der weißhaarigen Frau an ihrer Seite.

      Lieder singend, zog die junge Schar heimwärts, während die scheidende Sonne grüngoldene und violettpurpurne Farben über Himmel und Meer ergoß. Schon strich über den fernen Horizont das Leuchtfeuer von Helgoland wie mit Geisterhand, da – blitzte auch das Licht des Amrumer Leuchtturms friedlich auf. Es war das erstemal, daß Annemarie dies sah, nie war sie bisher in Wittdün so lange draußen geblieben.

      Die Tage rollten dahin wie die Wogen des Meeres. Ein Schwarm von Schulkindern war mit den großen Ferien nach der Insel Amrum gekommen. Das kribbelte und krabbelte allenthalben im warmen weißen Sande herum, denn Wittdün war so recht ein Kinderparadies. Die Clarsenschen Zöglinge fühlten sich diesen fremden kleinen Badegästen gegenüber wie Eingeborene der Insel. Auch Annemarie dachte nicht mehr daran, daß sie ja eigentlich ebenfalls nur für die Zeit der Sommerferien in Wittdün bleiben wollte.

      Die schönste Stunde am Tage war unbedingt das Baden. Längst hatte Annemarie ihren neuen blauen Badeanzug mit dem weißen Anker eingeweiht. Tante Lenchen sowohl wie die Lehrerinnen, Fräulein Mahldorf und Miß John, welche die Kinder abwechselnd zum Bad begleiteten, waren ganz erstaunt darüber, mit welcher Keckheit das kleine Berliner Mädel gleich das erstemal in die wild anstürmenden grünlichen Wellen hineinging. Sie waren es von den anderen Kindern, sogar von den Jungen, gewöhnt, daß es jedesmal einen Kampf und ein Gebrüll bei den Neulingen setzte. Annemarie aber, die in ihrem hellblauen Badeanzug ganz allerliebst aussah, juchzte und jubelte, sobald eine Woge sie überspülte, als ob sie ihr Lebtag in der Nordsee herumgehopst wäre. Schon machte sich der Erfolg der reinen salzhaltigen Luft und des ständigen Aufenthaltes in der stark ausstrahlenden Sonne bemerkbar. Doktors Nesthäkchen war kein Blaßschnabel mehr. Annemaries schmale Wangen begannen sich zu runden und rosig zu werden. Die Mattigkeit und Unlust war vollständig von dem frischen Seewind davongeweht.

      Frau Doktor Braun war ganz glücklich darüber. Ja, sie meinte sogar manchmal im stillen, ob ihre Lotte sich nicht in den Ferienwochen schon so gut erholt hätte, daß sie dieselbe wieder mit nach Berlin zurücknehmen könnte. Aber sie verließ sich auf die bessere Einsicht ihres Mannes. Grade weil der Erfolg so glänzend zu werden versprach, durfte man ihn nicht verringern.

      13. Kapitel

       Ein hoher Besuch

       Inhaltsverzeichnis

      Auf der sonnigen Gartenwiese kümmelten sich die Zöglinge des Kinderheims, nur mit Badeanzügen bekleidet. Lies’ hing am Reck, Lott’ an den Schaukelringen, und die Jungen hatten den Barren mit Beschlag belegt. Die übrigen Kinder machten nach dem Kommando von Fräulein Mahldors gymnastische Atemübungen. Die tägliche Stunde im Luftbad erfreute sich allgemeiner Beliebtheit.

      Da trat Tante Lenchen ziemlich erregt aus dem schattigen Laubengang heraus zu ihnen.

      »Kinder, eine große Neuigkeit!« rief sie schon von weitem. »Ihre Hoheit die Prinzessin Heinrich hat ihren Besuch in Wittdün angemeldet. Sie wird bereits in dieser Woche eintreffen und im Kurhaus absteigen. Vom Landungssteg dorthin muß sie an Villa Daheim vorüber. Da müssen auch wir an Empfangsfeierlichkeiten denken.«

      »Hurra« – brüllten die Großen wie die Kleinen als einzige Antwort auf diese Mitteilung. Und nochmals »Hurra!«, als ob sie sich schon jetzt üben müßten. Peter und Annemarie, die beiden wildesten der Gesellschaft, schienen nicht übel Lust zu haben, wie sie gingen und standen, auf die Straße zu laufen, um nähere Erkundigungen einzuziehen.

      »Aber hiergeblieben, ihr Nackedeis«. Tante Lenchen packte den einen links und die andere rechts. »So, nun helft mir lieber mal überlegen, was wir alles zum Empfang veranstalten könnten.«

      Da waren sie sämtlich dabei. Malerisch lagerten sich die roten, blauen und gestreiften Badeengel auf dem warmen Gras um die allgemein beliebte Tante Lenchen.

      »Wir wollen unsere weißen Stickereikleider anziehen und Rosenkränze ins Haar setzen,« meinten die Backfische, die dabei zu allererst ans Putzen dachten.

      »Flaggen wollen wir,« rief Lothar – »mit unseren Trompeten müssen wir ›Heil dir im Siegerkranz‹ blasen,« Peters Stimme trompetete schon genügend.

      »Blumens–treuen,« schlug Ellen vor und »Girlanden winden« fiel Gerda ein.

      »Nee,