Else Ury

Die beliebtesten Jungmädelgeschichten von Else Ury


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Känguruh ist ein Beuteltier«, erklärte der Onkel seinen jungen Begleitern. »Das Fell bildet vorn einen Beutel, darin tragen die Mütter ihre Kleinen, die noch zu unbeholfen sind, mit sich herum.«

      Wirklich – ein winziges Köpfchen lugte aus dem Fellbeutel der einen Känguruhmutter hervor, und plötzlich sprang das Kleine zum Entzücken sämtlicher umstehenden Kinder heraus, und die Alte leckte das Junge zärtlich.

      »Nein, ist das niedlich – hat das Känguruh auch sein Taschentuch und sein Portemonnaie in dem angewachsenen Pompadour?« erkundigte sich Klein-Annemarie lebhaft. »Schade, daß Muttis Pompadour nicht auch angewachsen ist, sie weiß nie, wo sie ihn hingelegt hat«, schwatzte das Plappermäulchen lustig darauf los.

      »Nicht so laut, Herzchen.« Großmama legte dem Schwatzlieschen lächelnd den Finger auf den Mund, denn die Umstehenden hörten amüsiert zu.

      Jetzt kam man zu den Kamelen.

      »Das muß einen Geradehalter kriegen, die Rückenknochen stehen ihm zu sehr raus«, entschied Klaus, Vaters zukünftiger Nachfolger.

      »In Afrika reitet man auf den Kamelen«, erzählte Tante Käthchen ihrem kleinen Nichtchen.

      »Na, da muß es aber erst gepolstert werden, sonst piekt man sich ja an den spitzen Knochen, ich möchte nicht auf Kamelien reiten, du, Gerda?« Annemarie schüttelte das Köpfchen.

      Auch Puppe Gerda schien von dieser Aussicht nicht gerade begeistert, sie hatte überhaupt vor all den großen Tieren heimlich Angst.

      »Auf Kamelien kannst du auch nicht reiten, Herzchen«, lachte Großmama. »Kamelien sind Blumen, die Mehrzahl von Kamel heißt die Kamele.«

      An dem chinesischen Pudel vorbei, der gar keine Schlitzaugen, ja nicht mal einen chinesischen Zopf hatte, wie Annemarie zu ihrer Verwunderung bemerkte, kam man jetzt zum Zebra.

      »Das hat ja seinen Badeanzug an, aber ganz genau wie Hänschens Badeanzug!« rief die Kleine überrascht, auf das schwarz-weiß gestreifte Tier weisend.

      Großmama, Onkel Heinrich und Tante Käthchen amüsierten sich besser als im Theater bei Nesthäkchens drolligen Ausrufen.

      »Nun ins Raubtierhaus« – »nein, bitte, zu den Seehunden« – »bei den niedlichen Äffchen sind wir noch gar nicht gewesen« – gingen die Wünsche von Jung-Deutschland wieder auseinander.

      »Eins nach dem andern,« beschwichtigte Onkel Heinrich, »zu den Straußen und ins Vogelhaus müssen wir doch auch noch.«

      »Au ja, bei den Sträußen, da pflücke ich einen feinen Strauß für Mutti, weil sie hat zu Hause bleiben müssen«, rief Nesthäkchen erfreut.

      »Der wird sich nur nicht pflücken lassen, Liebling.« Tante Käthchen konnte sich vor Lachen gar nicht beruhigen. »Der Strauß hier im Zoologischen Garten ist ein großer Vogel, von dem wir die Straußenfedern auf den Hüten tragen.«

      Klein-Annemarie machte ein verdutztes Gesichtchen. Sie wurde nicht klug aus dem Zoologischen Garten. Wenn sie Tiere meinte, waren es Blumen, und wenn sie einen Strauß pflücken wollte, war der wieder ein Tier. Ihr einziger Trost bestand darin, daß Puppe Gerda nicht schlauer war als sie selbst.

      Aber jetzt hatte Nesthäkchen keine Zeit, ihren Gedanken weiter nachzuhängen, denn Onkel Heinrich hatte soeben etwas verkündet, was sowohl Annemaries wie Gerdas Herzchen schneller pochen ließ: »Wir kommen jetzt gleich zum Wolf.«

      Der Wolf – der böse Wolf – vom Rotkäppchenmärchen her ist er schon der Schrecken aller Kleinen, als scheußlichstes Ungeheuer pflegt die kindliche Phantasie ihn sich auszumalen.

      »Was – das soll ein Wolf sein – das ist ja man bloß eine gutmütige Hundetöle«, machte Nesthäkchen verächtlich, als man vor dem Käfig stand.

      »Ich rate dir, stecke deinen Finger nicht hinein, er schnappt zu!« warnte Hans.

      Aber gerade das reizte Annemarie.

      »Ja, Kuchen« – lachte sie ihn aus, »das ist ja bloß ein Schäferhund!« und sie kam mit dem Händchen in beängstigende Nähe des Gitters.

      »Barmherziger!« Großmama zog kreidebleich das fürwitzige Kind zurück, die alte Dame zitterte am ganzen Körper vor Aufregung.

      »Wenn du noch einmal solche Dummheiten machst, heißt es »marsch, nach Hause – verstanden, Mamsellchen?« Onkel Heinrichs Gesicht war so ernst, wie Nesthäkchen es noch nie gesehen hatte. Tante Käthchen aber nahm das kleine Mädchen, um dessen Mund es weinerlich zu zucken begann, erschrocken an die Hand.

      »Die Tränen stehen in den Augen – die Tränen stehen in den Augen!« sang Klaus, der Strick, dem Schwesterchen neckend ins Ohr. Das pflegte meist das Kriegslied zu sein.

      Auch heute wollte Annemarie in ihrem Ärger auf den Schlingel losgehen. Da aber brüllte es plötzlich neben ihr, daß die Kleine, die noch eben versucht hatte, von Tante Käthchens Hand loszukommen, sich krampfhaft an dieselbe klammerte. Die Tränen stürzten jetzt wirklich vor Schreck und Angst aus ihren Augen.

      »Nanu, Herzchen, du wirst doch keine Furcht vor dem Löwen haben, der sitzt ja hinter festen Eisenstäben«, beruhigte sie die gute Großmama.

      Aber Klein-Annemarie zog aus Leibeskräften vom Löwenzwinger fort in entgegengesetzte Richtung. Puppe Gerda half ihr dabei, denn die hatte noch mehr Angst vor dem brüllenden Löwen wie ihre dumme, kleine Mama.

      »Komm, Krabbe, jetzt gehen wir beide mal zusammen ins Raubtierhaus.« Onkel Heinrich packte das feige kleine Fräulein. »Ein Schulmädel darf keine Angst mehr haben!«

      Trotzdem es den beiden, Nesthäkchen sowohl wie Puppe Gerda, recht schwül zumute wurde, mußten sie mit Onkel Heinrich mit.

      Aber Annemarie hatte kaum das Näschen ins Raubtierhaus hineingesteckt, da zog sie es auch schon wieder zurück.

      »Pfui, riecht das hier!« Die warme, strenge Raubtierluft benahm ihr fast den Atem.

      Aber Onkel Heinrich ließ nicht locker, Nesthäkchen sollte sich die lächerliche Furcht abgewöhnen. Zuerst zeigte er ihr die Löwenkinderstube. Da wagte sich Annemarie schon näher. Die gelben, kleinen Dinger, die so drollig wie Kätzchen miteinander spielten, machten ihr Spaß. Vor dem Vater der Löwenkinderchen hatte sie aber bei weitem mehr Respekt. Unermüdlich lief der in dem Käfig auf und ab – hin – her – hin – her – immer dieselbe kurze Strecke.

      »Wird er denn gar nicht schwindlig?« erkundigte sich Annemarie, da der Löwe sie augenblicklich nicht durch sein Gebrüll einschüchterte, teilnahmsvoll. Und als Onkel dies durchaus verneinte, setzte sie hinzu: »Gut, daß Hilles nicht unter ihm wohnen wie bei uns, die würden sich sein Getrampel bald verbitten.« Klein-Annemarie hatte darin nämlich trübe Erfahrungen gemacht. Die unter Doktor Braun wohnenden Mieter hatten schon manchmal heraufgeschickt und um Ruhe gebeten, wenn die Schlacht zwischen ihr und Klaus gar zu wild tobte.

      Aber Annemarie sowohl wie Gerda atmeten doch beide erleichtert auf, als das Raubtierhaus mit seinen Gefahren hinter ihnen lag.

      Das Affenhaus, ei, das war ein ganz anderes Ding, da konnte das gepreßte Herzchen wieder beruhigt schlagen. Ja, das Affenhaus war das Schönste vom ganzen Zoologischen Garten!

      Wie sie sprangen und kletterten, die kleinen Äffchen. Hier schaukelte sich eins, dort spielten zwei wie Kinder Haschen, und drüben prügelten sich gar ein paar kleine Feinde. Annemie hätte ihr ganzes Leben lang hier stehen und zuschauen mögen. Gerda freilich war so dumm, sogar bei den harmlosen Äffchen furchtsame Augen zu machen.

      Aber als Annemarie hell und lustig auflachte über die possierlichen Tierchen, da verzog Puppe Gerda das Gesicht auch zu einem Lachen, aber sie sah dabei aus, als ob sie Zahnschmerzen habe.

      »Ach, Onkel Heinrich, sieh nur das süße Äffchen hier, das betet gerade.« Nesthäkchen wies andächtig auf einen Affen, der die Hände bettelnd erhoben hatte.

      »Wer so schön bittet, soll auch etwas kriegen!« Onkel Heinrich ließ sein Nichtchen los, da ja hier keine Gefahr war, und zog eine vielversprechende